Bundestagsdebatten, Interviews geben – das Leben eines Abgeordneten ist vielfältig. Die Arbeit im Abgeordnetenbüro bleibt dabei meistens verborgen. Während meiner Tage im Bundestag durfte ich beides kennenlernen.
In meinem Abgeordnetenbüro lernte ich gleich den neuen Mitarbeiter der wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Bauer, im Abgeordnetenbüro von Michael Grosse-Brömer kennen. Dann ging es auch schon an die Arbeit: einen Bürgerbrief beantworten.
Arbeiten im Abgeordnetenbüro
Im Intranet suchte ich nach Informationen und baute, ähnlich wie in einem Artikel, meine Argumentation auf. Natürlich war es mein Auftrag, gemäß der Meinung meines Abgeordneten zu antworten und nicht mit meiner eigenen. Gerade das machte die Arbeit für mich besonders interessant, da ich lernte, politische Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und mich mehr mit diesen auseinanderzusetzen.
Zusammen mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern meines Abgeordneten ging ich in der Mensa für Mitarbeiter des Bundestags zu Mittag essen. Es herrschte geschäftiges Treiben, jeder wollte möglichst schnell seine verdiente Mittagspause genießen. Die Atmosphäre erinnerte mich ein bisschen an mein Unileben.
Den Rest des Tages schrieb ich den Bürgerbrief weiter. Dennoch blieb auch Zeit für Gespräche mit den Mitarbeitern meines Abgeordneten. Ich rate auch jedem, der ein Praktikum bei einem Abgeordneten im Bundestag machen möchte: Traut Euch, viele Fragen zu stellen. Nur jetzt habt ihr dazu die Möglichkeit.
Vom Abgeordnetenbüro in den Plenarsaal
Am nächsten Tag fand eine Besprechung der Aufgaben zwischen den Mitarbeitern und Herrn Grosse-Brömer (CDU) statt. Darunter auch die Besprechung meines Bürgerbriefes. Herr Grosse-Brömer besprach mit seinen Mitarbeitern die neuen Aufgaben und seinen sehr vollen Terminkalender. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie stressig die Arbeit der Bundestagsabgeordneten ist und wie eingeschränkt deren Freizeit. Entgegen meiner Erwartungen war der erste Entwurf meines Bürgerbriefes schon sehr zufriedenstellend.
Einen Tag später sah ich Herrn Grosse-Brömer wieder, diesmal im Plenarsaal des Bundestags vom Besuchersektor. Im Foyer muss ich meine Eintrittskarte herzeigen und gebe mein Handy ab. Während der Bundestagsdebatte darf kein eingeschaltetes Mobiltelefon auf der Besuchertribüne sein. Die Regeln für das Publikum und die Presse sind streng. Es ist strengstens verboten etwas zu werfen, laut zu sprechen oder zu klatschen. All dies würde den Ablauf der Aussprache, sowie Abstimmungen beeinflussen und stören.
Im Plenarsaal waren einige Polizisten, um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Neben mich setzte sich ein junger Journalist und begann genüsslich seine Banane zu essen, bis ein Polizist ihn zurecht wies, dass er im Plenarsaal nicht essen darf und sich in den Pressesektor begeben muss. Als Schülerin betrachtete ich das erste Mal bei einer Klassenfahrt den Saal, nun erlebte ich live eine Regierungserklärung zum Jubiläum der Römischen Verträge, durch die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als Vorläuferin der EU gegründet wurde. Der Plenarsaal füllte sich immer mehr, die drei Stenografen nahmen ebenfalls ihren Platz ein. Sie dokumentieren die Bundestagsdebatten. Auf einer Teletafel erscheinen die Programmpunkte, sowie die dafür eingeräumte Zeit.
So wird Bundespolitik gemacht
Die Stimmung fühlte sich sehr offiziell an. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnete die Sitzung und trug die Tagesordnung vor. Danach gab Lammert eine kritische Stellungnahme zur aktuellen politischen Lage zwischen Deutschland und der Türkei im März ab. Bevor Bundeskanzlerin Merkel ihre Regierungserklärung verlas, scherzten Lammert und Merkel miteinander. Die Stimmung lockerte sich wieder auf.
Die Bundeskanzlerin trat ans Leserpult, erhabene Stille tritt ein. Die Journalisten bereiteten sich auf ihre Arbeit vor, von allen Seiten wurde gefilmt. Ich musste mich zurückhalten, um mich nicht am Applaus der Abgeordneten zu beteiligen. Frau Merkel ist viel kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte. Bedacht und gelassen las sie die Rede ab – ein Plädoyer für Europa und die europäische Einigung. Sie wirkte etwas müde, verlas sich öfter.
Nach der Regierungserklärung leerte sich eine Besuchertribüne, die Besuchertickets sind zeitlich begrenzt. Ich lauschte weiter den Rednerbeiträgen der Abgeordneten rund um das Thema Türkei. Die Diskussionen wurden immer wieder einmal hitzig, der verbale Schlagabtausch brach zwischen den verschiedenen Parteien nie ab. Die Debatte blieb dennoch konstruktiv und bannte meinen Blick. Ich erinnerte mich daran, wie ich selbst immer wieder bei Simulationen der Vereinten Nationen mit anderen jungen Leuten zusammen debattiere. Das Prinzip ist ähnlich.
Zur Abstimmung füllte sich der Saal noch mehr, alle Abgeordneten müssen zur Abstimmung erscheinen. Vor den Abgeordnetenbüros sind Melder angebracht, die auf die Abstimmung hinweisen. Sind die Abgeordneten nicht anwesend, fehlen ihre Stimmen und ihre Abgeordnetenpauschale wird als Strafzahlung gekürzt. Bei entschuldigter Abwesenheit ist diese Kürzung etwas niedriger. Die blauen Stühle füllten sich immer mehr, ein leises Gemurmel zwischen den Abgeordneten begann. Die Aussprache wurde geschlossen, die Abstimmung begann.
Auf Wunsch der Linken erfolgte die Abstimmung namentlich statt per Handzeichen. Alle Abgeordneten traten nach vorne, alle mussten ihren Platz einnehmen. Sie hielten eine Karte in der Hand, die links vom Reichsadler hochgehoben wurde. Die Bundeskanzlerin sah ich nicht. Danach wurden die Karten in verschiedene Wahlurnen gesteckt. Die Abstimmung wurde geschlossen, das Gemurmel begann von Neuen. „Jetzt ist nicht Party, wird machen hier Parlament.“, ermahnte Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) das Parlament. Das Ergebnis wurde später mitgeteilt. Nun war meine Publikumszeit auch leider schon abgelaufen, gerne wäre ich länger geblieben.
Mein Fazit
Meine Zeit im Bundestag war nicht lang, dennoch sehr bewegt. Sie hat meinen Blick auf Politiker und die Bundespolitik stark verändert. Durch einige Gespräche im Abgeordnetenbüro und während der Pressekonferenz habe ich die menschliche Seite der Politik und auch der Leitmedien kennengelernt. Hinter den vielen Debatten und kontroversen Meinungen stecken ebenfalls Menschen. Der Blick durch Medienberichte schaffte für mich stets eine große Distanz zur Lebenswelt von Politikern. Alles wirkte immer perfekt, unnahbar und unerreichbar. Ich war überrascht, wie gut ich mich zurechtgefunden habe und mir mein Engagement eine gute Grundlage bot.
Überrascht war ich über die Architektur des Jakob-Kaiser-Hauses. Die Gänge sahen alle gleich aus, alle Mitarbeiter verirrten sich ständig. Zusätzlich erschwerten mir Mängel der Barrierefreiheit das Zurechtfinden im Haus. Als Frau mit Rad konnte ich viele Aufzugknöpfe nicht erreichen, Braille-Schrift fehlte meistens völlig. Viele Türen waren sehr schwer, Türöffner fehlten häufig. Auch die Steigungen in den Verbindungsgängen waren oftmals zu steil für Menschen mit einer Gehbehinderung.
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