Der Palmsonntag eröffnet für Christen die Karwoche, in der sie an den Tod und die Auferstehung Jesu denken. Im Zentrum des Sonntags steht das Bekenntnis zu Jesus als dem König der Welt. Wie ein gekreuzigter und schwacher Mensch König sein kann, erklärt unser Autor Benedikt Bögle.
Mit dem Palmsonntag beginnt für Christen die „Heilige Woche“. In dieser Woche zwischen dem Einzug Jesu in Jerusalem und seiner Auferstehung am Ostersonntag ereigneten sich die entscheidenden Stationen seines Lebens. Sein Leiden und Sterben ist der Höhepunkt des christlichen Glaubens – entsprechend intensiv ist daher auch die Feier dieser Tage. Sie beginnt mit der Feier des Einzugs Jesu in Jerusalem. Katholiken weihen dazu kleine Büsche aus Palmkätzchen und ziehen feierlich und freudig in die Kirche ein.
Legaler Diebstahl
Die Evangelien berichten, Jesus habe zwei seiner Jünger beauftragt, einen Esel zu holen. Ganz genau konnte er die Situation vorhersagen: Sie würden einen Esel sehen, den sollten sie losbinden. Wenn die Leute fragen sollten, weshalb sie diesen Esel einfach nehmen, sollten sie sagen: „Der Herr braucht ihn.“ Genauso geschieht es dann auch. Der Esel wird losgebunden, die Leute fragen, weshalb das geschieht. Die Antwort der Jünger befriedigt sie dann aber – es wundert niemanden, dass die beiden den Esel einfach stehlen. Dann reitet Jesus auf diesem Esel in die Stadt Jerusalem ein, auf dem Weg legen die Menschen ihre Kleider auf den Weg vor ihn. Dazu trugen sie Äste und Zweige – daran erinnern bis heute die Palmenbüsche.
Zeichen königlicher Macht
All das zeigt, dass Jesus königliche Macht hat. Im alten Orient durften Könige Transportmittel einfach beschlagnahmen, das war ein Privileg von ihnen. Dass niemand sich daran stört, dass Jesus diesen Esel nimmt, begründet gewissermaßen, dass er ein König ist: Er darf das. Ebenso steht das Ausbreiten von Kleidern auf dem Weg für königliche Würde. Heute könnte man das vielleicht mit einem roten Teppich vergleichen: Der wird schließlich auch nicht vor jedem ausgebreitet, sondern vor besonders angesehenen Menschen. Damit zeigen die Evangelien sehr deutlich, was sie von Jesus halten. Er ist ein König.
Keine königliche Macht
Da stellt sich jedoch die Frage, wie man das verstehen soll. Bekanntlich konnte Jesus kein Land regieren, keine Streitmacht befehligen und Gesetze hat er auch nicht erlassen. Trotzdem feiern die Christen aller Welt ihn bis heute als ihren König. Das geht nur, wenn man seine Königsherrschaft anders versteht. Die Botschaft der Bibel: Jesus ist nicht ein König wie all die anderen Mächtigen dieser Welt. Er ist der Herrscher nicht nur über ein einzelnes Land oder vielleicht einen ganzen Kontinent. Er ist Herr über die ganze Welt, über alle Menschen, durch alle Jahrhunderte hindurch.
Grausamer Tod
Umso seltsamer erscheint es, dass in katholischen Kirchen am Palmsonntag als Evangelium der Passionsbericht vorgelesen wird. In dieser Stelle geht es um das Leiden und Sterben Jesu. Von seinen Jünger verlassen, wurde er von den hohen jüdischen Autoritäten seiner Zeit und vom römischen Statthalter in Judäa, Pontius Pilatus, zum Tod am Kreuz verurteilt. In der Antike war das eine besonders grausame Art, einen Verbrecher hinzurichten. Die Delinquenten hingen teilweise tagelang am Kreuz, am Ende ließ die Muskulatur nach und man konnte nicht mehr atmen. Tod durch Ersticken, quälend langsam, unfassbar grausam. So stirbt Jesus dann am Kreuz, nicht nach Tagen, sondern nach Stunden. Vorher nämlich wurde er ausgepeitscht. Auch das gestaltete sich in der Antike ganz besonders grausam. Man darf dabei nicht an einige wenige Schläge denken. Der Ausgepeitschte starb nicht selten alleine durch diese Geißelung. Die ausführenden Soldaten schlugen gemeinsam auf ihn ein, bis sie selbst am Ende ihrer Kräfte waren. So geschwächt starb Jesus schnell.
Grund des Heiles
Das stellt wieder die Frage: Wie kann dieser Mann denn ein König ein? Wie können die Christen ihn als ihren König bezeichnen und am Palmsonntag seinen Einzug in Jerusalem und damit direkt seinem Tod entgegen überhaupt feiern? Im Tod Jesu Christi sehen die Christen den Grund allen Heiles. Da Jesus nach christlichem Glauben sowohl ganz Mensch als auch ganz Gott war, nimmt im Tod Jesu Gott selbst menschliches Schicksal an. Obwohl Gott unsterblich ist und nicht leiden müsste, will er sich aus Liebe auf die Seite der Menschen stellen. Er will nicht von oben herab gefühllos über die Menschen bestimmen und herrschen. Im Gegenteil, er will an ihrer Seite sein. Und an der Seite der Menschen zu sein, bedeutet Schmerzen zu haben, zu leiden und Grausamkeiten zu erdulden.
Jesus: Erlöser der Welt
Durch diesen Tod und durch die Auferstehung Jesu hat Gott, wie die Christen glauben, allen Menschen die Möglichkeit des ewigen Lebens eröffnet. Jesus Christus hat den Tod besiegt, ihm seine Macht über den Menschen genommen. Jeder Mensch muss zwar noch immer sterben, aber der Tod behält nicht das letzte Wort über die menschliche Existenz. Das ist ein ganz anderes Bild von einem König, als man es gewohnt ist. Es hat nichts mit prachtvollen Gewändern, einem großen Hofstaat und riesigen Palästen zu tun. Doch die Christen glauben, dass Jesus Christus, der sich freiwillig dem Tod hingegeben hat, durch sein Handeln die Welt erlöst hat. Und diese Erlösung ist unfassbar mehr, als alle Könige aller Zeiten vollbringen könnten.
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