Europa und Asien rücken im Zuge jüngster Ereignisse näher zusammen und es werden nur wenige bestreiten, dass diese Entwicklung Länder wie Menschen auf lange Sicht prägen wird. Der zweite Teil einer Kolumne darüber, wie Ost und West voneinander lernen können. Auch in Fragen der Immigration und Integration.
Seit dem Ausbruch bewaffneter Konflikte im Nahen Osten und Nordafrika sieht sich Europa jedes Jahr mit großen Flüchtlingszuzügen konfrontiert. Insbesondere die Mittelmeerstaaten beherbergen eine große Zahl von Menschen, die vor Krieg, Terror und auch menschenunwürdigen Lebensbedingungen geflohen sind. Die Zukunft dieser Flüchtlinge ist ungewiss, was Fragen aufwirft über die kulturelle Integrität, das Asylrecht sowie die bereitzustellende Hilfe für diese Menschen. Fragen, die bis heute kaum geklärt wurden.
Auch der asiatische Raum sieht sich derzeit mit größeren Flüchtlingswellen konfrontiert. Die Rohingya, eine muslimische Minderheit im südostasiatischen Staat Burma, sowie die ebenfalls dort lebenden christlichen Hill Tribes sehen sich den tödlichen Übergriffen radikal-buddhistischer Nationalisten und des Militärs ausgesetzt. Mehr als eine Million Menschen floh bereits über die Grenzen nach Bangladesch oder Thailand und von dort weiter bis nach Indonesien, Malaysia, Pakistan und sogar Saudi Arabien. Wie gehen die asiatischen Staaten mit dieser Flüchtlingskrise um?
Nach West und Ost
Die Voraussetzungen als Aufnahmeländer sind vor allem im süd- und südostasiatischen Raum mehr schlecht als recht. Während sich einige Länder auf der Schwelle zur Industrienation befinden, kämpfen andere gegen die akute Armut und Korruption. Schon seit den ersten großen Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften burmesischen Provinzen in den 1990ern wurden entlang der Flüchtlingsroute Auffanglager errichtet. Diesen mangelt es jedoch oft an sanitären Anlagen und einer medizinischen Grundversorgung.
Die steigenden Flüchtlingszahlen führten zu einer kollektiven Abschottungspolitik mehrerer asiatischer Staaten. Saudi Arabien etwa setzt auf Abschreckung und sperrte hunderte Rohingya-Familien in Gefängnisse, während Bangladesch mit der burmesischen Regierung über eine Rückführung der Geflüchteten verhandelt. Thailand setzt an seinen Grenzen den rigorosen Flüchtlingsstopp durch, sodass viele Menschen auf riskante Bootsfahrten im Golf von Thailand ausweichen. Malaysias Flotte führt infolgedessen Such- und Rettungsmissionen durch, da die Flüchtlingsboote kaum seetauglich oder gefährlich überfüllt sind. Der Umgang mit den Flüchtlingen macht deutlich, dass niemand wirklich ein langfristiges Aufenthaltsrecht dieser Menschen in Erwägung zieht.
„Problem“ Islam
Von den asiatischen Staaten, die nicht direkt auf der Fluchtroute liegen, hat sich bislang kaum ein Land dazu bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. Vor allem die Skepsis gegenüber den muslimischen Rohingya ist groß. Staaten, in denen muslimische Ethnien als – oft unterdrückte – Minderheiten leben, sprechen sich sogar gegen eine internationale Einmischung in den Konflikt in Burma aus, so erst kürzlich der kambodschanische Premierminister. Andere Länder sind schlichtweg zu arm, als dass sie Flüchtlinge aufnehmen könnten. Die Technologiestaaten Japan, Korea und neuerdings auch China und Indien enthalten sich der Flüchtlingsfrage ganz oder wollen lediglich eine Vermittlerrolle einnehmen.
In Thailand und Malaysia – zwei Länder, die besonders gegen Islamisten zu kämpfen haben – können interessanterweise im asienweiten Vergleich die finanziell größten Bemühungen für die bereits angekommenen Flüchtlinge beobachtet werden. Die Regierung in Bangkok zum Beispiel geht dazu über, die bereits etablierte und stark verbesserte Infrastruktur seiner Auffanglager auch für die Versorgung sozial benachteiligter Thailänder zu nutzen. In den Unterkünften und Essensausgaben finden sich neben der burmesischen Flüchtlingen vermehrt Obdachlose und verarmte Familien.
Integration durch Konjunktur
Im Gegensatz zu den Rohingya sind die christlichen Hill Tribes in vielen asiatischen Ländern bereits kein fremdes Bild mehr. Vor allem im Dreiländereck von Thailand, Burma und Laos geht man von bis zu einer viertel Million Angehörigen der verschiedenen Ethnien aus. Der Großteil floh vor den Wirren des burmesischen Bürgerkrieges über die nördliche Grenze. Mitunter siedeln sie bereits in der dritten oder vierten Generation in den bergigen Regionen Thailands und werden, trotz ihres Flüchtlingsstatus bzw. dem ihrer Eltern und Großeltern, von den Behörden weitgehend geduldet.
Bemerkenswerterweise setzte die thailändische Regierung früh Projekte zur Integration der Hill Tribes durch. Zum Beispiel betraute man die Kommunen mit dem Anbau von Tee und Kaffee, zwei Pflanzen die in den bergigen Regionen besonders gut gedeihen. Die Produkte werden den Hill Tribes abgekauft und dem Weltmarkt zugeführt, womit diese Menschen einen nicht unerheblichen Teil der regionalen Wirtschaft stemmen. Einzig die Fragen um die staatliche Zugehörigkeit und den Zugang zur höheren Bildung bleiben Streitpunkte. Bis vor kurzem weigerten sich thailändische Behörden Kindern von Flüchtlingseltern Ausweise auszustellen. Angehörige von christlichen Minderheiten haben zudem kaum gute Berufsaussichten, was auch auf eine Abgrenzung seitens der Native Thais zurückzuführen ist. In den ländlichen Regionen des Landes werden die Flüchtlingsmenschen zwar geduldet, näher scheint man sie an die einheimische Gesellschaft jedoch nicht heranlassen zu wollen.
Hilfsbereitschaft
Die Flüchtlingszüge in Asien weisen viele Parallelen zu denen in Europa auf. Trotzdem lassen sich auch signifikante Unterschiede bestimmen, was die Haltung der Bevölkerung gegenüber den Neuankömmlingen betrifft. Die Beteiligung an der Ersthilfe für Geflüchtete war im Europa der Jahre 2014 und 2015 immens. Ein Engagement wie in München oder im „Dschungel“ von Calais sucht man in den asiatischen Staaten dagegen vergeblich. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass „wir“ uns in erster Linie dank unseres Wohlstandes und in Teilen aufgrund christlicher Wertvorstellungen eine Willkommenskultur dieser Dimension erlauben konnten.
Die wirtschaftliche Situation der Bevölkerungsmehrheiten Asiens, insbesondere in Äquatornähe, lässt dagegen nur bedingt Sach- oder Geldspenden für Flüchtlinge zu. Hinzu kommt eine nach wie vor traditionelle Sichtweise, in der die Familie und die eigene Ethnie stets Vorrang zu anderen Gesellschaften haben, jedenfalls dann wenn es um die moralische Pflicht zur Hilfsbereitschaft geht. Diese Sichtweise wird, in manchen Bevölkerungsschichten, auch stark vom buddhistischen Glauben geprägt, welcher, entgegen einer Lehre der Nächstenliebe, in der Praxis leider oft den Umkehrschluss von der schlechten Lebenssituation der Flüchtlinge auf böse Taten in der Vergangenheit bewirkt. Im Klartext hätten sich die burmesischen Flüchtlinge ihre Misere selbst zuzuschreiben. Natürlich darf keinesfalls vergessen werden, dass in diesem Augenblick auch eine ganze Reihe Menschen aus eben diesen Ländern nach Kräften an einer Verbesserung der Situation für die burmesischen Flüchtlinge arbeitet.
Das Näherrücken zwischen Europa und Asien wird, über kurz oder lang, auch die Diskussion um einen gemeinsamen Konsens in sozialen Fragen aufwerfen. Dabei wird es nicht nur um den Umgang mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten und Drittweltstaaten gehen. Was wir noch bei einer Annäherung mit dem asiatischen Kontinent bedenken sollten, wird im nächsten Teil der Reihe „Orient küsst Okzident“ erörtert.
Falls ihr den ersten Teil der Reihe Orient küsst Okzident noch nicht kennt, findet ihr ihn hier.
Felipe Sauvageon
So siehts aus wenn man den Blick über den mitteleuropäischen Tellerrand erhebt. Manchen Europäern wird das nicht gefallen. Sie wissen es nur noch nicht. Da helfen Deine Ausführungen. Sehr gut und danke.