Der November bedeutet Trübsal, Tristesse und Todesgedenken. Dabei kann gerade Allerheiligen als festliches Intro des vielgeschmähten Spätherbstes Kickstart einer Hoffnung sein, die selbst den Tod überholt.
„… und das ewige Leben. Amen.“ Fast wie eine Nebensächlichkeit, die eben auch noch genannt werden muss, wirkt manchmal der Schlussteil des christlichen Glaubensbekenntnisses. Und tatsächlich ist er in weiten Teilen des Kirchenjahres für mich, als gläubigen Christen und Theologen, leider „nur“ ein weiterer zu glaubender Inhalt christlicher Lehre neben den anderen, zu denen man sich allsonntäglich mal mehr, mal weniger bewusst bekennt. Doch eine Petitesse wird wohl kaum das Wörtchen „ewig“ mit sich führen. Allerheiligen und Allerseelen – alle Jahre wieder im November gedenken Christinnen und Christen ihrer Verstorbenen und ihrer eigenen Vergänglichkeit in besonderer Weise.
Auch mir fällt dann wieder ein: Da war ja was – irgendwann einmal bin ich nicht mehr und ist niemand mehr, den ich kenne und liebe. Wer unfehlbarer sein will als der Papst, muss bloß bekennen: „Wir werden alle sterben.“ Das ist „von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewissheit und ohne Beimischung eines Irrtums“ erkennbar, wie es beim Ersten Vatikanischen Konzil noch mit unverdrossenem Gehorsamsglauben von der gesamten kirchenamtlichen Lehre hieß. Daran ist also nicht zu rütteln; da mähste nix – wie wir Rheinländer sagen. Dass es trotzdem noch immer joot jejange hät, ist schon nicht mehr ganz so gewiss. Zur Zeit des Ersten Vatikanums, vor nunmehr 150 Jahren, galt der christliche Jenseitsglaube noch einer metaphysischen Hinterwelt mit den räumlich gedachten Abteilungen Himmel, Hölle und Fegefeuer. Nicht selten wurde mit dieser Deutung damals mehr Höllenangst denn Himmelshoffnung unter den Glaubenden gestiftet.
Hoffnung für alle
Doch die christliche Eschatologie, die sogenannte „Lehre von den Letzten Dingen“, als metaphysische Absonderlichkeit abzutun, an die ein aufgeklärter Mensch doch nicht mehr glauben könne, ist so verkehrt wie verbreitet. Gut, dass die Theologie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die christliche Hoffnung auf das ewige Leben neu zum Leuchten gebracht hat. Statt jenseitiger „Orte“ sind Himmel, Hölle, Fegefeuer und Gericht vielmehr einzig als Begegnungserfahrungen mit Gott nach dem Tode verstehbar.
Gott ist „das Letzte Ding“, schrieb der große Theologe Hans Urs von Baltasar so wunderbar prägnant, dass ich ihn seit Studienzeiten immer dann zitiere, wenn mich jemand nach meinem Glauben an ein Leben nach dem Tod fragt: „Gott ist als Gewonnener Himmel, als Verlorener Hölle, als Prüfender Gericht, als Reinigender Fegfeuer“. Dieser Gott ist nach christlicher Überzeugung überdies maximal barmherzig Liebender. Deshalb gibt es nach dieser Neudeutung des christlichen Jenseitsglaubens Hoffnung für alle; Hoffnung, dass keiner nach dem Tod im Angesicht dieses liebenden Gottes seinen Beziehungsstatus auf „Hölle“ setzt.
Glaube an das ewige Leben
Ja, der Tod ist unfehlbar gewiss. Et es wie et es mit der Todesverfallenheit des Menschen. Das ewige Leben nach dem Tod dagegen ist nicht in gleicher Weise Gewissheit, aber Hoffnung. Die befreiende Hoffnung, dass es trotz Tod im Letzten doch noch immer joot jejange hät. Allerheiligen ist dasjenige Fest im Kirchenjahr, das mich aus dem Dickicht allen zeitlichen Sorgens und Tuns herausholt und mir die Chance gibt, diese christliche Hoffnung auf das ewige Leben für mich und für alle, die ich liebe, wieder neu ins bis dahin träg gewordene Todesbewusstsein zu bringen.
Für mich wäre es schlicht sinnlos, wenn dieses Leben hier auf Erden bereits die Endstation ist. Ich glaube an das ewige Leben – das ist nicht nebensächlich, sondern für mich die schönste Hoffnungssache der Welt. Darum ist der November für mich nicht das Schmuddelkind unter den Monaten. Die Zeit nach Allerheiligen ist für mich vielmehr alle Jahre wieder neu die Gelegenheit, meine Hoffnung zu trainieren, dass es mit Gott nur ein „Letztes Ding“ gibt. Dieser Gott sorgt dafür, dass selbst der Tod bekennen muss: Et bliev nix wie et wor.
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