Vor 75 Jahren setzten die Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ihr Leben für das Attentat gegen Hitler ein. Bis heute sind sie Vorbilder des mutigen Kampfes für eine freie und gerechte Gesellschaft. Ein Kommentar von Benedikt Bögle.
Es müssen schwere Stunden der Prüfung gewesen sein, als den Widerstandskämpfern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Berliner Bendlerblock langsam klar wurde, dass ihr Staatsstreich gescheitert war. Am Morgen des 20. Juli noch war Stauffenberg mit dem Flugzeug von Berlin zum Quartier Hitlers in der „Wolfsschanze“ aufgebrochen. Der vorgesehene Sprengsatz detonierte zwar, Hitler aber wurde nur leicht verletzt. Stauffenberg konnte als Letzter das Sperrgebiet der Wolfsschanze in Ostpreußen verlassen und nach Berlin zurückkehren.
Dort verzögerte sich die Organisation des Notfall-Plans „Walküre“, durch den die Widerstandskämpfer die Macht aus den Händen der willfährigen Vollstrecker des NS-Unrechts entreißen wollten. Der Plan scheiterte und noch in der Nacht zum 21. Juli 1944 wurde Stauffenberg ohne Gerichtsverfahren im Hof des Bendlerblocks erschossen. Er – und mit ihm viele andere, bekannte und unbekannte Widerstandskämpfer – opferten ihr Leben. Sie opferten ihr Leben, um weitere unschuldige Opfer von Shoa, Weltkrieg und Diktatur zu verhindern. Sie opferten ihr Leben, um den alliierten Mächten zu zeigen, dass es noch ein anderes, ein menschliches Deutschland gab. Sie opferten ihr Leben für die Freiheit.
Widerstandskämpfer sind Vorbilder
Der unmittelbare Plan der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 scheiterte. Und doch leuchtet das Vorbild der Männer und Frauen dieser Bewegung bis heute: Ihr Gewissen drängte sie zum Kampf gegen das Unrecht. Mutig standen sie auf, um für die Freiheit aller Menschen zu kämpfen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“
Ein Kampf, den wir Nachgeborenen vermeintlich nicht mehr nötig haben. Wir haben das auch weltgeschichtlich seltene Glück, in der Demokratie des Grundgesetzes zu leben; in einem Staat, dessen Verfassung mit der ebenso nüchternen wie feierlichen Feststellung beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wir leben im Land des Grundgesetzes, in dem Menschen frei glauben, ihren Glauben leben und gar auf die Straße tragen dürfen – andere aber mit dem gleichen Recht gerade nicht glauben müssen. Wir leben in einem Land der Meinungsfreiheit, in dem bis an die Grenzen einer strafbaren Beleidigung jede Meinung kundgetan werden darf – auch und gerade, wenn sie die Mächtigen angeht.
Vom Glück des Grundgesetzes
Es ist ein Glück, in diesem Land des Grundgesetzes zu leben, in dem die Grundrechte aller Menschen mehr sind als bloße Lippenbekenntnisse; mehr als Formulierungen, deren Bruch ohne Weiteres möglich und üblich ist. Ja, es scheint, als wäre der Kampf um die Demokratie ausgefochten. Unsere Generation ist die der Nachgeborenen. Wir leben in Freiheit und Frieden, sind Teil eines vereinten Europas, das zu Recht als eines der größten Friedensprojekte der Weltgeschichte bezeichnet werden darf.
Und doch ist dies alles nicht selbstverständlich. Was bedeutet denn schon die „Würde des Menschen“? Allein dieser Begriff, mehr noch die hinter ihm stehenden Vorstellungen, müssen in unserer Gesellschaft diskutiert werden. Andernfalls bleiben sie fahl. Wer hat denn diese Würde, von der wir sprechen? Alle Menschen – ungeborene Menschen – alte Menschen? Was fließt aus dieser Würde, die wir ihnen zuschreiben und woher kommt sie?
Grundgesetz braucht Fürsprecher
Die Werte des Grundgesetzes müssen verteidigt werden, auch heute noch. Unser Grundgesetz braucht mutige Fürsprecher, wenn der NS-Terror als „Fliegenschiss“, als zu vernachlässigende Sequenz ansonsten vorbildlicher deutscher Geschichte bezeichnet wird oder einzelne Menschen sich daran stören, dass wir den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen mitten in unseren Städten gedenken, ja: gerade mitten in unserer Hauptstadt. Kämpfer für das Grundgesetz sind gefordert, wo Menschen meinen, die Religionsfreiheit stehe nur den Christen zu. Das tut sie nicht. Fürsprecher von Freiheit und Demokratie sind dort herausgefordert, wo in der Debatte um Flüchtlinge vergessen wird, dass sie Menschen sind – Menschen mit Würde, Subjekte ihres Lebens, nicht Objekte unserer Stammtischdebatten.
Für diesen mutigen Kampf sind Stauffenberg und seine Freunde ein großes Vorbild. Ihr Kompass war auf das Richtige ausgerichtet. Dem folgten sie, bedingungslos – und koste es das eigene Leben. Unsere ja immer noch eher junge Demokratie verdankt diesen Menschen unbeschreiblich viel. Ihr Leben ist Anstoß, unser Glück, unsere Freiheit, unsere verbrieften Grundrechte nicht für selbstverständlich zu erachten.
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