Das Sprachlabor
An der SISU werden ausschließlich Sprachen unterrichtet. Dementsprechend sind fast alle Räume sogenannte „Sprachlabore“. Das bedeutet, dass jeder Student einen Computer vor sich stehen hat, der Dozent meist sogar zwei. Zusätzlich ist in meinen Dozententisch eine an ein Mischpult erinnernde Platte eingelassen, die durch Aktivierung eines Programms auf dem Computer einsatzbereit ist. Für Programm und Platte gibt es ganze Handbücher – natürlich auf Chinesisch. Ich bekam meine Einführung in vier verschiedene Systeme von einem Techniker der Uni, der kein Englisch sprach. Ein Student übersetzte, ich notierte hektisch sowas wie „auf blauen Kreis klicken, dann Button links außen, dritter von unten“. Kein Wunder also, dass mein Unterricht in den ersten beiden Wochen immer damit begann, einem Studenten mein Handy mit gewählter Nummer des Technikers in die Hand zu drücken.
Studenten und Dozenten
Insgesamt habe ich 109 Studenten, von denen 92 Mädchen sind. In jeder Klasse gibt es sechs Studenten mit einer besonderen Position, von denen mir jedoch nur die Position „Klassensprecher“ übersetzt werden konnte. Da modernste Technik nicht nur im Klassenraum wichtig ist, wurde ich direkt nach meiner Handy-, Wechat- und QQ-Nummer gefragt und zu den Gruppen der Klassen hinzugefügt, womit etwa 100 Freundschaftsanfragen einhergingen. Die Beziehung zwischen Dozent und Student ist hier eindeutig eine andere, freundschaftlicher und näher. Dennoch wird die Rolle des Dozenten nicht infrage gestellt.
Hören und Sprechen
Ich unterrichte den ersten Jahrgang, das zweite Semester. Abgesehen von zwei Studenten, die in der Schule Deutsch statt Englisch gelernt haben, wissen meine Studenten also seit einem halben Jahr, was „Hallo“, „Tschüss“ und „Wie geht es dir?“ bedeuten. Die Lektionen meines Lehrbuchs „Hören und Sprechen“ beziehen sich auf verschiedene, sehr langsam und sehr deutlich gesprochene Hörtexte, die zwar nicht sonderlich authentisch, dafür aber leicht verständlich sind. Eigenes Material und eigene Aussprache sind gleichermaßen schwierig, weshalb ich meine Sprache mittlerweile stark modifiziert habe, was mir vor allem während Skype-Telefonaten bewusst wird („Was? Kannst du das bitte nochmal normal sagen?“).
In der ersten Woche suchten sich meine Studenten deutsche Namen aus und stellten Namensschildchen auf. Dass ich sie dadurch einzeln aufrufen konnte, irritierte sie maßlos. Genauso ging es mir, als ich meine erste Frage stellte: Alle antworteten gleichzeitig. Nach einem Augenblick der Verarbeitung und dreimaligem Nachfragen gelang es mir, einige Antworten herauszuhören. Ich lernte aus der Situation und rief danach zunächst einen Studenten auf und formulierte dann meine Frage, was allerdings dazu führte, dass der entsprechende Student panisch aufsprang und meiner Frage aus großen, ängstlichen Augen lauschte. Meine Idealvorstellung des „sich meldens“ erkläre ich nun jede Stunde aufs Neue und freue mich, dass es jedes Mal ein bisschen besser klappt.
Verfolgt die Reise von Sabrina mit und lest euch auch ihre weiteren Artikel exklusiv aus Chongqing durch.
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