1,5 Milliarden Pfund in zehn Jahren. Die Transferausgaben Manchester Citys sind Topwert unter den europäischen Klubs. Die Finanzierung der Shoppingekstasen kommt direkt aus den Ölvorkommen im Nahen Osten. Jetzt steht Newcastle United vor der Übernahme durch Saudi-Arabien.
Ölmillionen in den europäischen Topligen sind schon lange kein Novum mehr. Nach der Übernahme Manchester Citys durch das Mitglied der Herrscherfamilie Abu Dhabis, Scheich Mansour, und dem Kauf von Paris Saint-Germain durch Nasser Al-Khelaifi, setzt sich der moderne Fußball mehr und mehr mit der Diskussion über die Millionenspritzen der Scheichs auseinander.
Diese haben nicht nur die enorme Explosion der Transfersummen und Gehälter mitzuverantworten, sondern müssen auch die kritischen Vorwürfe von Verfechtern des Traditionsfußballs einstecken. Nun hat ein neuer Investor die Bühne des englischen Profifußballs betreten: Der Staatsfond Saudi-Arabiens (PIF) ist unter der Leitung des Kronprinzen und quasi-Herrschers Mohammed bin Salman mit 80 Prozent an einem Konsortium beteiligt, welches bereit ist, circa 300 Millionen Pfund für den Traditionsklub Newcastle United aufzubringen. Für das Geschäft sei aktuell lediglich die Zustimmung der Premier League notwendig.
Post aus Katar
Eine brisante E-Mail des Fernsehsenders BeIN Sports aus Katar sorgte in den vergangenen Tagen für Furore in der Fußballwelt. BeIN Sports ist derzeit Besitzer der Rechte für die Übertragung der Spiele aus dem englischen Fußballoberhaus und sieht diese aktuell in Gefahr. In dem Schreiben an die 20 Vereine der ersten englischen Liga wurde bin Salman beschuldigt, die kommerziellen Rechte der Liga „drei Jahre lang gestohlen“ und mithilfe eines illegalen Streaming Netzwerkes die Bilder von BeIN Sports ausgestrahlt zu haben. Jetzt fordert der TV-Partner der Premier League die Liga und die Clubs auf, die Übernahme Newcastle Uniteds durch bin Salman zu verhindern. Aller Voraussicht nach wird die Blockade des katarischen TV-Anbieters aber ins Leere laufen.
Fans nicht abgeneigt, jedoch warnen Menschenrechts-Experten
Die Folgen dieses Kaufs sind, E-Mail hin oder her, gleichermaßen verheerend wie vorteilhaft. Die Fanszene der Magpies würde die Millionen wohlwollend begrüßen, bringen diese doch mit hoher Wahrscheinlichkeit teure, erfolgreiche Spieler und den damit einhergehenden sportlichen Erfolg. Newcastle spielt nämlich längst nicht mehr um den Titel, so wie es noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Fall war. Aktuell ist der Klassenerhalt von Jahr zu Jahr eine neue Herausforderung. Ein Grund für die sportliche Flaute der vergangenen Spielserien ist zum Teil die Führung des Vereins: Geschäftsmann Mike Ashley gilt als unbeliebter und knausriger Clubbesitzer. Mit dem arabischen Geld soll sich das umgehend ändern.
Im Gegensatz dazu steht die Kritik über den Hintergrund des PIF-Geldes: Saudi-Arabien gilt seit langem als repressiver Staat, welcher vor der Verfolgung von Journallisten und Menschenrechtlern genauso wenig zurückschreckt wie vor der Unterdrückung von Minderheiten und Frauen. Erst vor kurzem stand Saudi-Arabien im Zusammenhang mit der Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi im internationalen Rampenlicht. Der Fachmann für Menschenrechte im Mittleren Osten Nicholas McGeehan beschreibt den anstehenden Kauf im SPIEGEL als „ein Desaster für den Verein und für die Stadt.” Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International äußern sich ähnlich. Es läge nun an der Premier League den Deal zu unterbinden. Die Newcastle Fans verweisen bei diesen Argumenten gerne auf den Präzedenzfall Manchester City oder auf den französischen Hauptstadtklub PSG.
Hintergrund der Sportinvestitionen
Warum aber sollten die Ölstaaten ihre Millionen ausgerechnet in Sport investieren? Die Antwort hierauf ist das sogenannte Sportwashing. Als Sportwashing wird der Versuch von Staaten bezeichnet, ihre internationale Reputation mithilfe der Ausrichtung von Sportevents zu verbessern. Besonders die Staaten im Nahen Osten sind bekannt für das Einkaufen von Veranstaltungen, um die Missstände im Land in den Hintergrund zu stellen und die internationale Aufmerksamkeit auf die sportliche Veranstaltung zu lenken. Die Ausrichtung des UEFA Europa-League Endspiels 2019 in Aserbaidschan, der Leichtathletik WM 2019 in Katar oder die geplante Fußballweltmeisterschaft im selben Land 2022 wurden bereits als Sportwashing des jeweiligen Gastgeberlandes scharf kritisiert und verurteilt.
Vor allem Saudi-Arabien ist Vorreiter im Aufpolieren des internationalen Images mithilfe von Sportevents: Allein 2020 sind die Rallye Dakar, der spanische Supercup und der italienische Supercup geplant. Amnesty International bezeichnet das Vorgehen in Saudi-Arabien als alarmierend. Offiziell sind die Investitionen des Staates Teil des 2016 ins Leben gerufenen Entwicklungsprogramms „Vision 2030“. Diese Agenda legt die Sportmillionen als Grundlage für die Eröffnung neuer Möglichkeiten für die Investoren in Bezug auf infrastrukturelle Immobilienvermögen oder neuen Handelsoptionen. Denn das arabische Öl ist eine endliche Ressource und der weltweite Ölpreisverfall stellt eine Bedrohung für den enormen Reichtum des Landes dar. Die Ergründung neuer Wirtschaftszweige ist somit eine absolute Notwendigkeit für die herrschenden Scheichs. Möglich soll das nun mit massiven Investitionen in die Sportwelt werden.
Die Übernahme des 1881 gegründeten Vereins, der die Identität eines englischen Traditionsclubs in allen Aspekten verkörpert, ist ein erneuter Schlag ins Gesicht für alle, die traditionelle Mannschaften dem Sammelsurium an Spielern mit horrenden Ablösesummen vorziehen. Die Kritik ist mehr als nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass die saudischen Machthaber einen Club mit einer über 100-jährigen Geschichte als Mittel zur Aufpolierung des eigenen Images und zur Verfolgung rein ökonomischer Ziele ausnutzen.
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