Wenn es um unsere Beziehungen geht, dann ist eine immer besonders wichtig: die Beziehung zu unserer Mutter. Natürlich ist auch die Bindung zum Vater wichtig, dennoch erfahren wir uns in den ersten Lebensjahren besonders abhängig von der Mutter. Sie füttert uns, sie sorgt für uns und sie ist meistens für uns da. Kompliziert wird es jedoch, wenn unsere Eltern narzisstische Züge aufweisen, denn in unserer kleinen Welt sind unsere Eltern in den ersten Lebensjahren unsere unfehlbaren Vorbilder – wir kennen ja auch nichts Anderes. Das, was wir in unserer Familie, in erster Linie mit unseren Eltern täglich erleben und beobachten wird zu unserer eigenen Norm. Erst später kommen auch andere Menschen in unser Leben, in Form von Freunden und Bekannten, anderen Müttern und Partnern. Aber dazu später. Gerade bei den Töchtern kann eine narzisstische Mutter lebenslange Spuren hinterlassen.
Bei Eltern und insbesondere bei Müttern wird allgemein vorausgesetzt, dass die liebevoll, empathisch, verständnisvoll und fürsorglich sind, denn so sind die gesellschaftlichen Anforderungen. Bei einer narzisstischen Mutter sind gerade diese Qualitäten oft wenig bis gar nicht ausgeprägt, oder sogar komplett gegenteilig. Was also, wenn unsere Mutter eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat und wie äußert es sich überhaupt? Welche Auswirkungen hat es für uns im Alltag oder im späteren Leben und wir können wir uns regenerieren und heilen, wenn wir betroffen sind? Vorab gibt es eine Menge Fragen, die man sich stellt:
Können narzisstische Mütter überhaupt lieben?
Jein, wir können narzisstischen Müttern nicht jegliche Liebe absprechen, denn jede Mutter hat im tiefsten Inneren eine Art der Liebe für ihr Kind, ganz egal, wie sehr es sich in den Verhaltensweisen niederschlägt. Aber in der Regel bezieht sich die Liebe einer narzisstischen Mutter vor allem auf eines: sich selbst. Dazu gehört, dass eben nicht das Kind mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht, sondern die Mutter selbst und ihre Bedürfnisse. Es muss sich alles um sie drehen und wenn es das nicht tut, sorgt sie selbst auch gerne dafür. Das macht auch vor dem Kind nicht halt, sondern verstärkt es zusätzlich noch: narzisstische Mütter empfinden die Kinder als einen Teil von sich selbst, der in der Regel kein Recht auf Individualität oder ein eigenbestimmtes Leben hat.
Verletzen sie uns mit Absicht?
Nein! Die Frage nach der Absicht lässt sich natürlich nicht immer zu 100% beantworten, aber in der Regel leiden die betroffenen Mütter selbst extrem darunter, dass sie sind, wie sie sind. Nicht immer ist es auch möglich selbst dagegen vorzugehen und sich in Einsicht zu üben. Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass sie absichtlich etwas tun, um das Kind (seelisch) zu verletzen. Trotzdem spricht es sie nicht von der Verantwortung und den Taten frei. Sie leiden vielleicht versteckt, denn sie können keine liebende Beziehung eingehen, da ihre Gedanken zu selbstzentriert sind und ständig um sich selbst kreisen.
Der unstillbare Durst nach Bewunderung
Jeder von uns hat Bedürfnisse und auch den Durst nach Anerkennung und Bewunderung verspürt jeder von uns regelmäßig. Dennoch ist es bei narzisstischen Verhaltenszügen oft so, dass sich alles nur noch um die Bewunderung der eigenen Person dreht und kein Raum mehr für alles andere bleibt. Vielleicht ist es ihnen gar nicht so sehr bewusst, wie einem Außenstehenden, aber dieser Durst kann niemals gestillt werden. Das kommt oftmals von einem geringen Selbstwertgefühl, das kompensiert werden muss.
Da sie selbst nur wenig davon empfinden und sich dessen nicht bewusst sind, wird dieses Bedürfnis oft mit Äußerlichkeiten und materialistischen Dingen befriedigt. Auch die Liebe, die man sich selbst nicht geben kann, wird im Außen gesucht um damit einen Ausgleich zu seiner inneren Lieblosigkeit zu schaffen. Das allein klingt noch nicht allzu bedrohlich und trotzdem kann das alles verheerende Folgen für ein Kind haben, das die Welt noch nicht in ihrem Ganzen sieht und abhängig ist. Wenn es sich nur noch um die Bewunderung und die Bedürfnisse des Elternteils dreht, hat das Kind keine Chance sich abzugrenzen und dem Vergleich zu entfliehen. Es wird immer die Bürde tragen müssen, niemals genauso gut wie die Mutter sein zu können, was auf Dauer ebenso zu einem geringen Selbstwertgefühl oder ähnlichen narzisstischen Zügen führen kann, durch die man diesen Schaden erlitten hat.
Verheerende Folgen
Es gibt sehr viele Tücken und Schwierigkeiten im Umgang mit Narzissten, gerade wenn es ein Familienmitglied oder eine nahestehende Person ist, wie die Mutter, erschwert es zusätzlich den Umgang und die Abgrenzung. Als Kinder neigen wir immer dazu, unsere Eltern zu idealisieren, weil sie in den ersten Lebensjahren unsere einzigen und nächsten Bezugspersonen sind, wir sind von ihnen abhängig und orientieren uns an ihrem Beispiel. Narzisstische Mütter vermitteln ihren Töchtern, dass sie zu etwas verpflichtet sind, dass sie kein Recht auf eigene Bedürfnisse oder ein eigenes Leben haben in diesem Zuge leider auch oft, dass sie an etwas Schuld sind.
Schuld und ihre Vermittlung ist ein machtvolles Instrument, das den kleinen (und noch abhängigen) Menschen gefügig machen kann. Manchmal geschieht es aus dem Bedürfnis heraus, die Kinder kontrollieren zu wollen und führt zu einer engen aber toxischen Bindung. Die Mutter nimmt der Tochter damit buchstäblich die Luft zum Atmen, was zu einer geringen eigenen Persönlichkeitsentwicklung führen kann. Dadurch wird auch oft das Bedürfnis, auszubrechen, dauerhaft unterdrückt. Nicht zuletzt ist auch das Bild, das solche Mütter von der Welt vermitteln, bedrohlich und kann das Vertrauen untergraben.
Was können wir dagegen tun?
Toxische Menschen zu vermeiden oder aus seinem Leben zu streichen mag eine Möglichkeit sein, zu der wir bei Bekannten greifen könnten. Aber wie kann man damit umgehen, dass die eigene Mutter ein Narzisst ist? Wie schafft man es jemals, sich zu lösen und eine gesunde Psyche zu entwickeln? Es ist ein langer, steiniger Weg, der in diese Freiheit und Unabhängigkeit führt. Als erstes ist es wichtig, sich die aktuellen Probleme anzuschauen und die Verhaltensweisen zu beobachten.
Hat man erstmal erkannt, wie man bestimmte Situationen oder Themen vermeiden kann, kann man zumindest akut eine kleine Abhilfe schaffen. Dennoch soll es nicht bedeuten, dass man Probleme dauerhaft unter den Teppich kehren sollte. Es ist sehr wichtig, zu verstehen, woher die Verhaltensweisen der Mutter kommen und welche Ursachen zugrunde liegen. Frage dich: Wie ist das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter? Wie war ihre Kindheit? Vielleicht klingt es für dich ironisch, dass du dich mit einem Menschen beschäftigen sollst, der sich nicht mit dir beschäftigt, aber es wird dir helfen, Gründe und Ursachen zu finden. Erklärungen bedeuten nicht, dass wir es gutheißen, sie bedeuten aber, dass wir verstehen lernen.
Grenzen setzen
Im Umgang mit allen Menschen sind Grenzen besonders wichtig, ganz egal ob wir sie lieben oder nicht. Gerade bei unseren Eltern können wir sehr schwer Grenzen setzen, denn sie haben doch alles in ihrem Leben für uns getan. Wie können wir uns da einfach so von ihnen abgrenzen? Dass wir es tun bedeutet aber nicht, dass wir unsere Mutter nicht lieben (auch wenn sie es leider so interpretieren könnte). Narzisstische Menschen und insbesondere Eltern begreifen ihre Kinder als eine Verlängerung ihrer selbst und der eigenen Persönlichkeit und reagieren in den meisten Fällen nicht gut auf Grenzen. Um eine eigene Persönlichkeit und ein freies Leben zu entwickeln, dadurch stärkt man auf Dauer seine Autonomie und die Unabhängigkeit.
Anhängigkeiten lösen und Selbstentwicklung
Manchmal merken wir nicht einmal, dass wir abhängig sind, bevor wir uns damit beschäftigen. Grenzen zu setzen und unsere Beziehungen zu hinterfragenhilft uns sehr dabei, weil wir uns damit immer mehr Klarheit schaffen können. Unabhängigkeit ist wichtig für unser gesamtes Leben und Glück. Abhängigkeiten kann es in vielerlei Formen geben: im materiellen Sinne oder auch emotional. Meistens wird die emotionale Abhängigkeit stark unterschätzt, weil sie nicht so auffällig ist.
Emotionale Abhängigkeit ist für uns schädlich, weil wir hier Gefahr laufen, uns selbst in den Bedürfnissen anderer zu verlieren. Als Tochter einer narzisstischen Mutter hast du es wahrscheinlich gelernt, zu gefallen und alles dafür zu tun, geliebt und gelobt zu werden. Du musst jedoch erkennen, dass du nicht mehr abhängig bist von der Meinung oder vom Lob anderer. Und dein Selbstwert ist nicht davon abhängig, was du tust und wie dich andere bewerten.
In jedem Fall ist der Weg zu einem ausgewogenen Leben mit einem narzisstischen Elternteil oft steinig, aber wir können vieles dafür tun, dieses Leben zu gestalten. Wir müssen unsere Rolle erkennen und wahrnehmen, unsere Selbstwirksamkeit stärken um das Leben zu führen, das uns guttut. Es liegt in unserer Verantwortung und in unserer Macht, unsere Lebensumstände zu verändern und zu gestalten.
Schreibe einen Kommentar