Sokrates, Newton, Kant, Edison, Rousseau – alles große Denker und doch vollkommen verschieden. Aber eine Gemeinsamkeit sticht heraus: Diese fünf (und wahrscheinlich tausend andere) nutzten die körperliche Aktivität, um ihren Geistesapparat zu aktivieren. Rousseau sprach gar davon, dass immer zunächst sein Körper in Schwingung gebracht werden muss, damit sein Geist in Schwung kommt. Nicht umsonst ist der Vordenker der Aufklärung auch als passionierter Wanderer bekannt geworden.
Kant wiederum hatte vielleicht den zu seiner Zeit striktesten Tagesablauf. Jeden Mittag um punkt 16 Uhr machte Immanuel Kant, der große Philosoph, einen ausgiebigen Spaziergang durch seine Heimatstadt Königsberg. Immer die gleiche Zeit und immer der gleiche Weg. Die Bürger von Königsberg konnten ihre Uhren nach dem Vorbeikommen des Philosophen stellen. Wichtig war es für Kant, auf diesem Weg nicht aufgehalten zu werden, er wollte auch nicht angesprochen werden und sich in ein Gespräch verstricken – das hätte seinen Zeitplan durcheinander gebracht.
Den Turbo einschalten
Nun waren diesen Denkern nicht die neurobiologischen und psychologischen Ursachen bekannt, aber dennoch erkannten sie für sich selbst, dass sie durch die körperliche Aktivität ihre kortikale Leistung gerade am Nachmittag extrem steigern konnten. Eine Untersuchung von 1994 bewies, dass bei einfacher Bewegung, wie einem leichten Spaziergang, die Durchblutung im untersuchten linken Kortex um 15 Prozent gesteigert wird. Falls man sogar noch ein bisschen weitergeht und die körperliche Belastung bei der Aktivität bis zur Hälfte des Maximums erhöht, lässt sich ein Anstieg um gar 25 Prozent feststellen. Das betrifft vor allem die graue Masse in der linken Hirnsphäre, die für die Feinarbeit während des motorischen Vorgangs zuständig ist. Wichtig zu wissen: Die linke Gehirnhälfte dominiert sprachlich, ist deutlich schneller als die rechte, besitzt einen unmittelbaren Zugriff auf unser persönliches Lexikon im Kopf und bringt bei erhöhter Aktivität gute Laune mit sich. Allerdings kommen diese Steigerungen ausschließlich bei dynamischen Bewegungen zustande. Daraus werden wir später noch einige sinnvolle Hinweise ableiten können.
Der Mensch round about
Neurobiologisch betrachtet sind wir Menschen Augen- und Bewegungstiere. Mit unseren All-Round-Werkzeugen, den Händen, können wir genauso gut das Matheheft mit voller Kraft gegen die Tafel werfen, wie es mit feinsten Schriftzeichen füllen. Und selbst wenn ein Akademiker vollkommen verkopft wirkt, ist sein Gehirn eigentlich von Grund auf ganzheitlich ausgerichtet. Deshalb ist die Gehirnbildung maßgeblich vom umfangreichen Gebrauch abhängig und dazu zählt nicht nur das Lesen, sondern auch sportliche bzw. körperliche Bildung.
Mach dich locker
Falls man also zum Beispiel die zu lernenden Vokabeln mit korrespondierender Gestik, Mimik und Bewegung verknüpft (was sehr aktiv in den Lernprozess verwoben sein sollte), werden diese Vokabeln nicht nur länger im Gedächtnis haften bleiben, sondern auch der Umgang mit ihnen deutlich vereinfacht werden. Denn du hast bereits kreativ mit dem Wort gespielt und weite Bereiche deines Gehirns mit der Vokabel verknüpft. Natürlich funktioniert diese Technik nicht bei jeder akademischen Herausforderung. Aber auch hier kann man etwas aus dem bisher gesagten ableiten. Ganz einfach: Pack den Füller aus! Es lebe die Schreibschrift! Die motorische Arbeit beim handschriftlichen Schreiben übersteigt die Tätigkeit des Tastendrückens am Computer bei weitem. Das heißt konkret für dich: Bleib Old-School und schreib in Unterricht bzw. Seminar handschriftlich auf Papier mit! Digitalisieren kann man das Geschriebene immer noch, aber mit dem handschriftlichen Mitschreiben hast du dir einen Teil des späteren Lernens vor der Klausur schon gespart. Zudem wirst du während des Lernens nicht von netten Angeboten des Internets abgelenkt.
Have a break
Beim Lernprozess ist das aktive Lernen mindestens genauso wichtig, wie das aktive Pausieren. Klingt nach einer guten Nachricht, oder? Nach spätestens 90, aber besser nach allen 45 Minuten, solltest du mindestens fünf Minuten pausieren. Denn nur so wirst du den ganzen Tag in höchster Konzentration deinen Arbeiten nachgehen können. Aber du kannst es dir denken: Während der Pausen durch Facebook surfen ist so sinnvoll wie ein drittes Nasenloch. Ich hatte es anfangs schon angesprochen – besser wären dynamische Tätigkeiten für Zwischendurch. Ich persönlich jongliere sehr gerne in diesen fünf Minuten. Aber genauso gut kann man auch einige Male das Sonnengebet durcharbeiten, tanzen, balancieren oder fünf mal die Bücher aus dem Fenster werfen und sie wieder zurück an den Arbeitsplatz bringen (Vorsicht, die letzte Übung ist nur etwas für fortgeschrittene Lerner!). Allgemein kann man alles machen, was eine gewisse Erwärmung, also eine Durchblutungssteigerung mit sich bringt, die Gelenke aktiviert und keine Schmerzen verursacht.
Augen auf im Lernverkehr
Wer diesen Tipp beherzigt, wird nicht mehr in seinem Bürostuhl urplötzlich aus einem tiefen Schlaf erwachen müssen und die gegebene Zeit optimal nutzen können. Beim Lernen ist Wachheit, Aufmerksamkeit, Konzentration und eine adäquate „Anwärmung“ von entscheidender Größe. Aufgeweckt über dem Text zu sitzen, ist so entscheidend wie der Eröffnungszug beim Schach. Nur eine mentale und körperliche Präsenz öffnet dem Leser das Tor zum tiefgreifenden Verständnis des Lerninhalts. Der Psychologe Marvin Zuckermann nennt dabei sechs Stufen menschlicher Aktivität: Diese reichen von Depressivität, in der die Aktivität minimal ist, bis hin zur Panik, bei der das Denken stereotypisch, paranoid und ungeordnet ist. Der Theorie nach können wir nur in der dritten Stufe von positiven Gefühlen und Anregung wirklich lernen. Beim Lernen sind Extreme zu vermeiden. Dazu muss man Über-Erregung dämpfen und Ruhigstellung verhindern.
Mit Herz und Hand
Gar nicht oft genug sind die Gefühle beim Lernen zu erwähnen. Schon Fontane sagte: „Wer arbeiten will, muß fröhlich sein.“ Wachheit und positive Gefühle lassen sich zwar auch durch Drogen erreichen, aber mit einer ausgiebigen körperlichen Aktivität wird man deutlich besser beraten sein.
Man kann aber nicht nur Sport während des Lernens machen, sondern auch Lernen während des Sports und somit extrem viel Zeit sparen. Jedes Mobiltelefon hat in der heutigen Zeit eine Rekorderfunktion (die allerdings niemand so recht zu nutzen weiß). Wenn du dir einmal die Mühe machst und deine Mitschriften bzw. Zusammenfassungen vertonst, kannst du diese immer und überall abrufen. Dieses passive Lernen kannst du nicht nur beim Joggen oder im Fitnessstudio anwenden, sondern auch während des Abwaschs oder nervigen Wartezeiten. Während andere sich von einfacher Musik belustigen lassen, kannst du dir völlig unbemerkt Stunden des Lernens spielerisch sparen.
Den Sport Sport sein lassen
Aber es geht auch anders… Falls du dich beim Fahrradfahren manches Mal mental unterfordert fühlst, kannst du zum Beispiel die Zahlen auf den Nummernschildern zunächst addieren und anschließend wieder subtrahieren. Mit dieser Technik lassen sich geradezu weltmeisterliche Kopfrechenkompetenzen erwerben. Und selbst wenn du während deines Trainings einfach mal abschalten möchtest, so steigerst du damit trotzdem deine Gedächtnisleistung und deine Lernfähigkeiten. Denn während ausdauerndem Sport bilden sich im Gehirn, genauer gesagt im Neokortex, neue Nervenzellen, welche nach dem Sport dann wie weißes Papier bereit sind mit Inhalt gefüllt zu werden.
Allerdings sterben diese Nervenzellen bei Nicht-Benutzung auch wieder ab und spätestens drei Wochen später wird die aufgebaute kortikale Ressource nicht mehr nutzbar sein. Der Psychologe Manfred Spitzer verglich diesen Vorgang recht technisch mit einem Computer. Beim Joggen wird die Hardware herangezüchtet und beim darauffolgenden Lernen wird diese mit Software gefüllt. Damit ist nun klar: Kopf und Körper gehen Hand in Hand. Konzentriert man sich nur auf eins, stößt man gegen eine Wand. Und weder gegen eine Wand zu laufen noch mit dem Kopf durch eine Wand zu wollen, wird dich weiterbringen. Also nimm das Tor, dass dir dieser Text eröffnet!
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