Das Erfüllen der Frauenquote war bei der Vergabe der Ministerposten wohl von höchster Priorität. Naja, dafür gibt es sicher bald jede Menge Kitas in Afghanistan. Und könnte man nicht auch auf diese doofen Drohnen verzichten? Vielleicht wird bei der Bundeswehr ja bald sogar autogenes Training angeboten und die Waffen abgeschafft, wer weiß das schon. Wo kommen wir denn dahin? Als nächstes regiert noch eine Frau unser Land… ach nee, das gibt’s ja schon. Schlimm genug. Zu gerne würde man viele Männer einmal kräftig wach rütteln und sie im 21. Jahrhundert willkommen heißen. Ja, auch Frauen können Ministerien leiten, die eigentlich „typisch männlich“ sind. Ja, mittlerweile gibt es sogar weibliche Soldatinnen und – man stelle sich vor – selbst Soldatinnen in Führungspositionen. Über 18.000 Soldatinnen gibt es derzeit bei der Bundeswehr – und auch wenn das für die Männer hierzulande scheinbar kaum vorstellbar ist: Sie werden dort akzeptiert.
Von der Leyen hat großen Respekt vor dem Amt
Zugegeben, von der Leyens Ministeriumswechsel kommt überraschend. Und scheinbar auch für sie selbst. Es sei eine große Herausforderung und sie habe „sehr großen Respekt vor dem Amt“, verkündet sie gegenüber den Medien. Doch ist der Respekt wohlmöglich ein wenig zu groß? Schließlich hatte von der Leyen nie etwas mit Deutschlands Verteidigung oder der Bundeswehr zu tun. Natürlich können Politiker auch an großen Herausforderungen wachsen – oftmals ist jedoch das Gegenteil der Fall. Sollte Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium erfolgreich sein, steht ihrer möglichen Kandidatur für das Kanzleramt bei den nächsten Wahlen wohl nichts mehr im Wege. Sollte von der Leyen aber scheitern, könnte das ihrer politischen Karriere einen deutlichen Dämpfer verpassen.
Im Interview mit dem „Handelsblatt“ sagte von der Leyen, dass sie hoffe, „viel von Zuhause erledigen zu können“. Ganz besonders wolle sie sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen – ein persönliches Anliegen der siebenfachen Mutter. Befehle vom Frühstückstisch einer zehnköpfigen Familie also? Ist das die Zukunft des deutschen Verteidigungsministeriums? So mancher Offizier könnte über diese Aussage wohl nur noch den Kopf schütteln. In Afghanistan riskieren deutsche Soldaten täglich ihr Leben und die Verteidigungsministerin überlegt sich den nächsten strategisch klügsten Schritt erst nach dem zweiten Marmeladenbrötchen? Angesichts ihres weihnachtlichen Besuches bei den Soldaten in Afghanistan könnte man außerdem den Eindruck gewinnen, dass es der neuen Verteidigungsministerin aber vor allem darum geht, Deutschland zu zeigen, wie sehr sie sich um die Soldaten in Masar-i-Scharif kümmert. 40 Journalisten begleiteten von der Leyen kurz vor Weihnachten nach Afghanistan – das ist bislang Rekord. So viele Journalisten waren noch nie mit einem Regierungsmitglied im Einsatz.
Die Soldaten freuen sich über mediale Aufmerksamkeit
Für die Soldaten war das der zweite Ministerbesuch innerhalb von zehn Tagen. Nur eine Woche zuvor war der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere zur Weihnachtsvisite in Masar-i-Scharif. Bilder zeigen von der Leyen lachend im Gespräch mit den Soldaten. Die Fotos haben eine klare Message: Ich verstehe mich gut mit den Soldaten und ich sorge mich um sie. Einerseits freuen sich die Soldaten am Hindukusch über die mediale Aufmerksamkeit, andererseits bedeuten die Besuche aus Berlin auch immer tagelange Vorbereitung, die mit viel Stress verbunden ist. Ob von der Leyen die Häufigkeit ihrer Afghanistan-Besuche aufrecht erhalten kann wird sich zeigen. Karl-Theodor zu Guttenberg war in seiner Amtszeit von 16 Monaten neunmal am Hindukusch, Thomas de Maiziere in 33 Monaten 14-mal.
Merkel bringt ihre möglichen Nachfolger in Stellung
Thomas de Maiziere hatte im Wehrressort zuletzt keine glückliche Hand. Die Uneinigkeiten über die Drohne „Euro Hawk“ und andere schwierige Rüstungsprojekte gefährdeten sein gutes Image des „effizienten Machers“. Im ihm wohlvertrauten Innenministerium kann er nun einen Neustart schaffen. Merkel hat de Maiziere also geschickt aus der Schusslinie genommen, um auch ihm als ihrem möglichen Nachfolger eine Chance zu geben. Gleiches gilt für Ursula von der Leyen. Im Verteidigungsministerium muss sie nun die ihr fehlende Erfahrung in der ersten Reihe der Außenpolitik sammeln, um noch eine Stufe höher steigen zu können. Nur wenn sie als Verteidigungsministerin einen guten Job macht, kommt sie als Merkels Nachfolgerin in Frage.
Soldaten wünschen sich Respekt und Anerkennung
Sollte man Ursula von der Leyen also nicht zumindest eine Chance geben? Deutschland ist schließlich nicht das erste und einzige Land, dessen Verteidigungsministerium von einer Frau geleitet wird. Die Niederlande verfügen seit 2012 mit Jeanine Hennis-Plasschaert über eine weibliche Verteidigungsministerin und auch Michelle Alliot-Marie gewann von 2002 bis 2007 großen Respekt bei den französischen Streitkräften – und das ohne autogenes Training. Außerdem wünschen sich die Soldaten doch hauptsächlich eins von Deutschlands Verteidigungsministerium: Einen Verteidigungsminister (oder eben eine Verteidigungsministerin), der sich vor die eigenen Reihen stellt und den Soldaten vor allen Dingen Respekt entgegenbringt. Schließlich riskieren sie für Deutschland ihr Leben. Und was die Vermittlung von Respekt und Verständnis angeht, könnte man doch meinen, dass eine Frau für das Amt doch gar keine so schlechte Wahl ist. Man kann wohl mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass eine Ursula von der Leyen niemals sagen würde, dass der Wunsch der Soldaten nach Respekt und Anerkennung „ein wenig übertrieben“ sei – ganz im Gegenteil zu ihrem männlichen Vorgänger Thomas De Maiziere. Als ehemalige Familienministerin kennt sich von der Leyen außerdem mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus, was auch für die Soldaten ein wichtiges Thema ist.
Von der Leyen modernisiert die CDU
Außerdem modernisiert sie das Image der CDU enorm. Sie steht für die Frauen des 21. Jahrhunderts, die Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen. Die 55-Jährige muss sich in ihrem Privatleben um sieben Kinder und einem an Demenz erkrankten Vater kümmern und trotzdem befindet sie sich auf dem Weg zum Höhepunkt ihrer politischen Karriere. Ihre Entschlossenheit in der Durchsetzung ihrer Ziele hat vor allem zu einem Zuwachs an jungen Wählerinnen für die CDU geführt. Mit Angela Merkel und Ursula von der Leyen verfügt die CDU über zwei profilierte Frauen an der Spitze.
Die Sozialdemokraten hingegen wirken eher wie eine traditionelle Männerpartei: Zwar gibt es mit Andrea Nahles, Barbara Hendricks und Manuela Schwesig auch drei Frauen im SPD-Kabinett, jedoch verfügen diese längst nicht über einen so großen politischen Einfluss wie Merkel oder von der Leyen. Warum sollte von der Leyen also als Verteidigungsministerin keinen guten Job machen? Bislang hat sie doch noch alles durchgesetzt, wofür sie sich eingesetzt hat. Sie verblüffte die eigene Partei früh mit ihrem Neuansatz in der Familienpolitik und als Arbeitsministerin mit der Forderung nach einem Mindestlohn oder der Idee einer Zuschussrente. Und auch mit der Frauenquote setzte sie die eigenen Reihen unter Druck. Ursula von der Leyen ist durchsetzungsstark und ehrgeizig. Das Wort „Niederlage“ kam in ihrem Wortschatz bislang nicht vor. Und ist es nicht genau dieser Kampfgeist, den eine Verteidigungsministerin braucht?
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