Es ist das Wandern der Puristen: Rucksackreisen zu Fuß – Schlafen im Zelt und Kochen über dem Lagerfeuer. Der unmittelbare Kontakt zur unberührten Natur liegt voll im Trend. Unser Autor war zehn Tage mit einer Gruppe der Katholischen Pfadfinderschaft Europas unterwegs und musste auf so manches verzichten.
Frühlingsgefühle und Herbststimmung
Direkt nach dem Start bei Roccaraso zeigen sich die Abruzzen von ihrer schönen Seite. Bei herrlichem Wanderwetter führt die Route durch blühende Wiesen und rauschende Wälder. In den tieferen Lagen der Abruzzen ist der Frühling bereits eingekehrt. Das rotbraune Buchenlaub gibt dieser Stimmung eine besondere Note, da es eher an den Einzug des Herbstes erinnert. Ein später und strenger Frost hat das Laub der Buchen tief rot gefärbt. Wir sind beruhigt als wir erfahren, dass die Buchen erneut austreiben werden.
Die raue Seite der Abruzzen
Italien – das ist Sonne, Strand und Meer. Dachten wir bisher immer. Schon bald zeigen sich die Abruzzen von ihrer rauen Seite. Statt Sonne satt, gibt es Regen und Matsch. Dazu gesellen sich je nach Höhe Schnee, Frost und Graupel, Wind und Nebel. Mal triefen wir vor Nässe, mal bibbern wir vor Kälte. Der eine oder andere fragt sich, warum er eigentlich hier ist. Doch zum Glück zeigen sich die Italiener als sehr gastfreundlich. Als wir bei strömendem Regen in einem kleinen Ort ankommen, dürfen wir in einer alten Schule übernachten. Eine nasse Nacht im Zelt bleibt uns also erspart. Und es bleibt die Hoffnung auf Sonne.
Smartphone ade – Endlich Ruhe
Auf der Tour gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Das Smartphone bleibt aus. Was zählt, ist die Natur um einen herum und der persönliche Gegenüber. Nicht virtuell, sondern ganz real. Auch sonst wird auf so manche Bequemlichkeit aus der Zivilisation verzichtet: Isomatte, Schlafsack und Zelt bieten uns ein ausreichendes Nachtquartier, das Lagerfeuer ersetzt die Ceranfeldplatte und der kalte Gebirgsbach die warme Dusche daheim. Es ist nicht immer ganz einfach und manchmal sogar hart, aber man hilft sich gegenseitig und erlebt neben einem unverfälschten Naturerlebnis echte Gemeinschaft.
Aufstieg in einem Bachbett
Dass die Wanderwege der Abruzzen wild und einsam sind, hatten wir gehofft. Aber unserer Erwartungen werden sogar übertroffen. Auf den Wanderwegen begegnen wir in den ersten fünf Tagen keiner Menschenseele. Ob es an dem zum Teil abenteuerlichen Zustand der Wanderwege liegt? Auf jeden Fall müssen wir uns einmal durch einen Wald kämpfen. Ein Weg ist nicht oder nur kaum zu erkennen. Lediglich die Markierung, die wir hin und wieder sehen, sagt uns, dass wir noch richtig sind. Ein anderes Mal wagen wir einen Aufstieg auf einem Pfad, der nur auf der Karte, nicht aber in der Realität existiert. Ein Bachbett dient uns als Orientierung und als Ersatzweg. Als wir vor einer Felswand stehen, geht es nicht mehr weiter; wir müssen umdrehen und es fängt an zu regnen. Auch das gehört zu den Abruzzen.
Auf den Hund gekommen
In Italien gibt es viele streunende Hunde, das wussten wir. Aber dass es dort „Bergführerhunde“ gibt, war uns unbekannt. Für vier Tage werden wir von zwei zugelaufenen Hunden begleitet, die uns nicht mehr von der Seite weichen. Egal, ob es auf den 2.137 Meter hohen Gipfel des Monte Porrara oder durch die enge Orfentoschlucht geht, unsere treuen Begleiter weichen uns bei Wind und Wetter nicht von der Seite. Nachts wenn wir schlafen, wachen sie vor (oder sogar in) unserem Zelt. Als wir am fünften Tag wieder bei den Autos sind, heißt es Abschied nehmen.
Gipfelfieber
Am letzten Wandertag peilen wir den 2.737 Meter hohen Monte Aquaviva an. Einer der höchsten Gipfel in den Abruzzen. Am Tag zuvor waren wir durch Schneefelder zum Biwak Fusco aufgestiegen, das uns als Nachtquartier und als Basislager dient. Von dort brechen wir bei herrlichem Sonnenschein zur Bergspitze auf. Weitere Schneefelder und ein starker Wind erschweren den Aufstieg, aber oben werden wir mit Marzipanschokolade und einem gigantischen Ausblick belohnt. Die Sicht ist so gut, dass wir auch das Meer an der Ostküste sehen können – und den höchsten Gipfel der Abruzzen: Den Gran Sasso.
Rucksackreisen – Natur pur
Mal ist es herrlich – mal ist es anstrengend. Rucksackreisen ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich, die Herausforderung anzunehmen. Vor allem in einer Gruppe mit viel Teamspirit kann man so mache Schwierigkeit meistern. Die Einsamkeit und die Wildnis der Abruzzen bieten sich hervorragend für solch eine Tour an. Und wer sich dort zu alleine vorkommt oder vor Kälte mit den Zähnen klappert, kann immer noch in das nahe Rom zur Stadtbesichtigung ausweichen oder an einem der nicht weit entfernten Strände Sonne tanken.
Joe
Fantastisch! Als Fotograf beeindruckt mich auch das Frühlingsbild mit Herbsteinschlag! Ein selten gesehenes Naturschauspiel! Alleine dieser Anblick lohnt, in abgelegene Regionen zu wandern!
Danke für diesen tollen Reisebericht!