Madrid hat nicht mehr genug Geld für den gewaltigen Putzapparat der Stadt. Bereits 2011 hat der Stadtrat das Budget für die Unternehmen der Instandhaltung und Säuberung um 18 Prozent gekürzt. Drei der vier von Madrid beauftragten Unternehmen reagieren diesen Monat auf die Einsparungen mit eigenen Maßnahmen und drohen damit, insgesamt 1.000 der 6.000 Beschäftigten zu entlassen. Schon im August wurde 350 Mitarbeitern gekündigt und Lohnkürzungen von bis zu 40 Prozent vorgenommen. Die angedrohte Massenentlassung hat die Arbeiter endgültig auf die Strasse getrieben.
Letzten Montag haben 8.000 Arbeiter gegen den Beschluss demonstriert. Von Atocha bis zum Platz Puerta del Sol erstreckte sich der Zug der Protestanten. Die Verzweiflung und Wut der Demonstrierenden entlud sich nicht nur in lauten Parolen. Die Straßen glichen einem Schlachtfeld: Müllcontainer fackelten lichterloh an den Straßenrändern, demolierte Autos und beschmutzte Fassaden umrahmten das Lichterspiel. Am Ende gab es fünf Festnahme von Vandalen.
Mülldeponie Madrid
Inzwischen ist es ein fast friedlicher Kampf geworden. Die Säuberungsarbeiten in Straßen werden noch zu 40 Prozent verrichtet, die der Grünzonen nur noch zu 25 Prozent. In vielen Teilen der Stadt werden die Container weiterhin geleert, aber die Abfälle jenseits der Behälter bleiben unangetastet. Viele Menschen ignorieren die überquellenden Mülleimer und werfen Küchenabfälle oder Bierflaschen einfach auf den Bürgersteig. Nach offiziellen Angaben sollen sich bereits 400 Tonnen Müll angehäuft haben.
Wie verdreckt muss Madrid werden, damit die Stadt reagiert? Einige Einwohner denken an das Jahr 1993 zurück, als der Streik der Müllabfuhr 32 Tage angedauert hat. „Madrid war eine reine Mülldeponie“, erinnert sich die 59-jährige Gloria. Zur Zeit sieht die Kommunalverwaltung kein Gesundheitsrisiko durch die Müllberge für die Bevölkerung. Solange kein sanitärer Notstand besteht, wird die Stadt wohl weiterhin keine Reaktion zeigen, obwohl schon jetzt mindestens 72 Stunden benötigt werden, um die Stadt wieder in ihren Normalzustand zu verwandeln.
Reaktionen der Madrilenen
Bei den Einwohnern trifft der Streik überwiegend auf Verständnis. „Irgendwie müssen die sich doch wehren, wenn fast 20 Prozent der gesamten Belegschaft entlassen werden soll“, sagt die 31-Jährige Ana. Sie weiß auch von einigen Menschen in ihrer Nachbarschaft, die sich von der Mülllandschaft gestört fühlen, vor allem durch den Gestank der Lebensmittelabfälle auf der Straße. Die unruhigste Fraktion bilden die im Tourismus beschäftigten Madrilenen. Für sie stehen Image und Reputation der Stadt auf dem Spiel. „Am Ende erreicht der Streik doch sowieso nicht die gewünschten Forderungen. Wenn kein Geld da ist, werden die Entlassungen vorgenommen werden müssen. Der schlechte Eindruck von der Stadt bei den Besuchern aber bleibt und bringt unserer Branche wohlmöglich noch nachträgliche Schäden ein", beschwert sich der Rezeptionist Juan.
Welche Chance haben die Müllmänner überhaupt sich gegen eine Massenentlassung zur Wehr zu setzen? Zwischen den Unternehmen und der Gewerkschaft gab es erste Verhandlungen. Die Unternehmen haben 12 Prozent weniger Entlassungen angeboten, für die Gewerkschaft war das nicht genug. Welche Optionen gibt es sonst noch? Die Arbeiter werden sich entscheiden müssen. Sie können ihre Kündigung hinnehmen, oder sich ihren Lohn erneut runterhandeln lassen. Der durchschnittliche Müllmann verdient 22.781 Euro im Jahr. Wie weit würden man ihr Gehalt dieses Mal kürzen? In den nächsten Tagen werden weitere Verhandlungen erwartet. Solange wird der unbefristete Streik weitergehen. Man kann nur hoffen, dass eine vermüllte Stadt nicht das einzige Ergebnis davon sein wird.
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