In einem seiner bekanntesten Lieder findet sich die schöne Refrainzeile „Mit 66 ist noch lange nicht Schluss!“. Udo Jürgen Bockelmann, so sein bürgerlicher Name, ging nicht bis 66, sondern bis zuletzt auf Tournee. Am Sonntag erlitt er bei einem Spaziergang in seiner Schweizer Wahlheimat einen Zusammenbruch, der für ihn tödlich endete. Udo Jürgens wurde 80 Jahre alt.
Rastlos bis zuletzt
Kurz vor seinem diesjährigen Geburtstag wurde er gefragt, was denn mit 80 Jahren anders als mit 66 sei. Jürgens antwortete: „Die Zahl 80 eignet sich nicht für ein Lied. Mit 66 Jahren ist der Mensch in einer Situation, wo er noch alles machen kann. Er kann sich trennen, sich scheiden lassen. Wenn ein 80-Jähriger sich scheiden lässt, fragt man sich: Spinnt der Alte? Jetzt muss ich meinem Alter gerecht werden.“
Der 1934 in Kärnten geborene Jürgens blieb eine Ausnahme – bis zuletzt. Noch im Februar brachte er sein neues, 42. Album heraus. „Mitten im Leben“ erreichte prompt Platz 3 der Albencharts. Er begeisterte die ganze Familie, Jung wie Alt mit seinen Konzerten. Legendär waren seine Zugaben im Bademantel. Dem Frauenschwarm lagen noch im reiferen Alter die Herzen seiner weiblichen Fans zu Füßen. Im Rückblick bekannte er: „Ich habe viel zu oberflächlich geliebt. Treu bin ich nicht gewesen.“
Der Entertainer
Vor seinem Flügel sitzend bot er seinem Publikum echte Unterhaltung, die ohne Showeffekte auskam, sondern durch kluge Texte und eingängige Melodien überzeugte. Mit seinen tiefsinnigen Liedern hielt er der Gesellschaft einen Spiegel vor. Er machte auf die drohende Umweltzerstörung aufmerksam („Fünf Minuten vor zwölf“), prangerte die Doppelmoral des „ehrenwerten Hauses“ an, besang das Leben von Gastarbeitern in „Griechischer Wein“ und entfloh der Tristheit und dem Trott des Alltags in Träumereien („Ich war noch niemals in New York“). Viele seiner über 1.000 Lieder sind mittlerweile echtes Traditionsgut geworden.
Doch Jürgens war mehr als nur der Chansonnier, Sänger und Pianist. 2007 wurde sein Musical „Ich war noch niemals in New York“ uraufgeführt. Bis 2013 gab es mehr als 3.000 Aufführungen vor über 3,5 Millionen Zuschauern. Doch nicht nur das. Udo Jürgens schrieb 2004 den autobiografischen Roman „Der Mann mit dem Fagott“, der auch als Zweiteiler für das Fernsehen verfilmt wurde.
Seinen Durchbruch erlangte Jürgens, als er 1966 beim Eurovision Song Contest (ESC) für Österreich an den Start ging und 48 Jahre vor Conchita Wurst mit seinem Beitrag „Merci Cherie“ für die Alpenrepublik zum Sieg verhalft. In dem Lied geht es um das Ende einer Liebe und darum, dass es doch auch nach dem ganzen Liebeskummer weitergehen muss. „Schau nach vorn, nicht zurück, zwingen kann man kein Glück“, heißt es da. Mit seinen Liedern ist Udo zum kritischen Begleiter einer ganzen Ära geworden. Das großartige Künstlerleben des Udo Jürgens ist am 21.12.2014 zu Ende gegangen. Was bleibt, sind seine Lieder. Merci für die Stunden.
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