Martina und Thomas Frason haben sich inzwischen an das frühe Aufstehen gewöhnt. Sie verkaufen zusammen mir ihrem Team auf dem Apostelnmarkt in Köln ihre eigenen Produkte. Ein Besuch auf einem Wochenmarkt.
„Die Zwiebeln, Pilze und Kräuterseitlinge, anbraten, die Crème fraîche mit Rucola und Knoblauch würzen, dann die Seitlinge in Streifen schneiden und auf die getoastete Scheibe Schwarzbrot legen, zum Schluss noch die Zwiebelringe oben drauf. Ganz einfach und super lecker“. Martina Frason steht hinter dem Tresen, ihre dunkelbraunen Haare hat sie zu einem Zopf zusammengefasst und der Kälte trotzt sie mit schwarzen, fingerlosen Handschuhen und eine wärmenden Fleecejacke. Mit einem herzlichen und aufrichtigen Lächeln steht sie ihrer Kundin gegenüber und berichtet von ihrem letzten Besuch bei Freunden in einer Gaststätte, bei dem sie auf das Rezept gestoßen ist.
Nun verpackt sie die Champignons, Kräuterseitlinge hat sie heute nicht. „So jetzt machen wir aber weiter“, sie reißt eine der grünen Plastiktüten von einem Bündel ab, „was darf’s denn noch sein, Feldsalat?“ Martina, 49, kennt ihre Kunden, schließlich steht sie schon seit klein auf hinter dem Tresen. Ihre Eltern haben den Familienbetrieb 1931 gegründet, doch zunächst konzentrierten sich Katharina Peters und ihr Mann auf die Hühnerzucht. „Als in den 50er-Jahren die Käfighühner eingeführt wurden, brauchten sie eine Alternative, also haben sie angefangen Obst und Gemüse anzubauen“, erzählt Thomas Frason, Martinas Mann.
„Ja Feldsalat, 200 Gramm bitte.“ Hildegard hat ihre langen, hellgrauen, fast weißen Haare kunstvoll hochgesteckt, in ihren Händen hält sie eine randlose, silberne Brille. Ihre graue Lederhandtasche hat sie auf dem Tresen abgestellt, ihr rechtes Knie stemmt sie leicht dagegen. Durch die rotgeschminkten Lippen blitzen weiße Zähne hervor, die fast den gleichen Farbton wie ihre Haare treffen.
„So insgesamt sind’s dann 24,80 Euro“, rechnet Martina zusammen und packt die Einkäufe der 64-Jährigen in ihre Einkaufstasche. Hildegard trägt einen grauen, dicken Wintermantel und als sie aus ihrem orangefarbenen Portemonnaie, einen 10- und 20 Euro Schein herausholt, schwingt sie sich den grauen Schal mit Pelzsaum schwungvoll um den Hals. Die Rentnerin kommt seit 25 Jahren auf den Apostelnmarkt in der Nähe des Neumarkts in Köln. „Bis nächsten Freitag dann Frau Frason, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“, ruft sie Martina im Umdrehen zu. Sie kommt zu Fuß hierher.
„Es ist toll, dass hier am Stand der Gärtnerei Peters eigene Produkte verkauft werden, vor allem aber, dass schon Wert auf ökologischen Anbau gelegt wurde, weit vor der Biobewegung.“ Der allfreitagliche Einkauf auf dem Wochenmarkt bei Peters ist fester Bestandteil in Hildegards Terminkalender. „So eine tolle Mannschaft wie hier und die gute Qualität sind nicht selbstverständlich, ohne den Einkauf würde mir echt was fehlen.“
Seit halb sechs sind Martina und Thomas mit ihren Kollegen heute schon hier, der Wecker klingelte um viertel vor fünf.
Der Stand der Frasons steht an der Westseite des Marktes, gegenüber von einem Blumenstand. An diesem Freitagmorgen hat sich die Sonne durch die Wolkendecke gekämpft und zaubert den Auberginen noch schönere Glanzpunkte auf ihre Schale. Die Kirchturmglocke der St. Apostelkirche schlägt 11.00 Uhr als Thomas in sein mit Frischkäse bestrichenes Brötchen beißt. Aus einer Thermoflasche trinkt er einen Schluck Kaffee. „Der Liebe wegen“ arbeitet der 49-Jährige seit 1985 mit im Betrieb und kümmert sich um den Anbau der Produkte. Martina managed den Verkauf, zum einen im eigenen Hofladen und jeden Freitag auf dem Markt. „Einkaufen, wo’s wächst“ lautet das Motto des Familienbetriebes.
Felix ist freitags auch immer dabei, er studiert Sport- und Eventmanagement, aber freitags hat der 20-Jährige frei. Viele Kunden kennen auch seine mittlerweile 82-jährige Oma Katharina Peters, die auf einem Foto von 1956 „om Nippeser Markt“ zu sehen ist, welches einlaminiert auf einem Banner am Stand klebt. Die Kundschaft freut sich über eine junge Bedienung. Felix trägt eine bordeauxfarbene Sweatshirtjacke und eine graue Levis-Jeans. „Ich mach das nebenbei und kann mir so ein bisschen was dazu verdienen, außerdem arbeite ich lieber in der Familie, da hat man mehr Freiheit.“ „Ach quatsch, der Junge wird gezwungen!“, unterbricht sein Vater ihn, woraufhin Felix nur schief lächelt und sich mit der Hand durch die schwarzen Locken fährt. Martina bedient inzwischen den nächsten Kunden. Sie versucht positiv zu denken, „das Wetter ist super heute, Gott sei Dank!“ Bestimmt legt sie das Gemüse in die Waagschale. Am Abend sei sie geschafft, „aber das positive Feedback der Kunden motiviert mich“.
Aus dem 67 Meter hohen Kirchturm schlägt erneut die Glocke, es ist 12.30 Uhr. Jetzt ist es an dem Gemüsestand mit der rot-weiß gestreiften Plane etwas voller. Die Geräuschkulisse ist dennoch konstant, trotz der vielen Menschen, die jetzt die Sicht auf die Waren versperren. Es ist nicht hektisch, nur gelegentlich wird die Monotonie des Gemurmels durch „Was darf es sonst noch sein?“ und ein „Bis nächsten Freitag“ unterbrochen. Der Markt wirkt fast wie eine kleine Oase, abgeschnitten von der bewegten und lebendigen Kölner Innenstadt, niemand ist groß in Eile und die Menschen sind gelassen.
Paul, ein weiterer Mitarbeiter des Familienbetriebes, hält plötzlich eine Möhre hoch und stellt gut gelaunt fest: „Wir verkaufen sogar lustiges Gemüse!“ Die Möhre ist nicht ganz gerade gewachsen und hat mehrere Enden. „Mensch, wo ist der Fotoapparat Thomas, das muss ich mal fotografieren.“ Martina läuft vor den Stand und schießt ein Foto von Paul mit der schwarzen Mütze und dem grauem Stoppelbart, der die Möhre mit der rechten Hand hochhält. Nachdem Martina den Apparat wieder in ein Etui eingepackt hat, fällt ihr Blick auf einige Flyer die inmitten einer Schwarzwurzelkiste liegen: Auf dem Flyer sind „Die Schmonzetten“ abgelichtet, drei junge Frauen, die Werbung für ihr Konzert machen wollen. „Die drei singen amerikanische Hits aus den 20er und 40er Jahren, die Flyer hat mir die Pressesprecherin der Truppe gegeben und mich gebeten sie hier auszulegen“, erklärt die 49-Jährige, „so ist das hier, um ‚den kölschen Klüngel‘ kommt man eben nicht herum“ und geht mit einem Augenzwinkern wieder hinter den Tresen. „Hallo, was darf es für Sie sein?“
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