„Fake News“ und „Lügenpresse“ – in diesen Schlagworten kulminierte jüngst die fundamentale Anfrage an die Objektivität von Journalisten und Medien. Sie sind Anlass zu kritischer Selbstreflexion in dem Berufstand, auch in ethischer Hinsicht. Kann es aber auch eine dezidiert christliche Medienethik geben? Und wie objektiv können und sollen christliche Journalisten dann überhaupt sein? Schlaglichter auf die Rolle der Journalisten und ihrer Ethik.
Freiheitliche Demokratien, die diesen Namen verdienen, gewähren verfassungsmäßige Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. Darauf gegründet galt der Journalismus lange Zeit als ein gesellschaftlicher Schlüsselberuf, oft wird er auch als vermeintliche „vierte Gewalt“ bezeichnet. Ihm wird traditionell auch die sogenannte Gatekeeper-Funktion zugeschrieben: Nach dem bekannten US-amerikanischen Journalisten und Medienkritiker Walter Lippmann (1889-1974) entscheiden Journalisten als „Torhüter“, welche Meldung zu welchem Ereignis es wert ist, publiziert zu werden, und was der Öffentlichkeit hingegen nicht mitgeteilt werden soll.
Philosophische Medienethik …
Wer ist aber dann der Schiedsrichter? Und nach welchen Regeln pfeift er die Torhüter zurück? Zum einen geht es dabei um Relevanz. Zum anderen aber auch um Ethik: Medienethik, näherhin die journalistische Ethik, sucht Antworten auf diese Fragen. Sie fragt danach, was Journalisten sollen oder nicht sollen.
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, lautet ein geflügeltes Wort des Soziologen Niklas Luhmann. Demnach spielt es für unsere Gesellschaft eine große Rolle, wie dieses Wissen aufbereitet und präsentiert wird. Eine vitale Demokratie benötigt einen Demos, also Staatsbürger, die ihre Entscheidung auf einer fundierten Informationsgrundlage treffen. Diese liefert für einen Großteil der Menschen (noch immer) vornehmlich der professionelle Journalismus. In der Medienethik geht es daher auch darum, wie Massenmedien und Journalisten ihrer Rolle und Funktion in Demokratie und Gesellschaft gerecht werden. Es geht dabei um Verantwortung – ein Schlüsselbegriff der Medienethik. Verantwortliches Handeln ist auf fünf Ebenen relevant:
Die rechtliche Ebene: Das ethische Minimum gibt der Staat vor, dabei ist die Gesetzgebung für Rundfunk und Presse vor allem Sache der Bundesländer. Um einer stärkeren Regulierung und Fremdkontrolle vorzubeugen, haben die Journalisten- und Verlegerverbände 1956 den Deutschen Presserat als Organ der Selbstkontrolle gegründet. Auf Basis des Pressekodex als „Regelwerk für die tägliche Arbeit des Journalisten“ erteilt er ethisch fragwürdigen Veröffentlichungen eine Rüge, allerdings nur, wenn sich jemand mit einer Beschwerde an ihn richtet und ohne rechtlichen Zwang gegenüber den beklagten Medien ausüben zu können.
Das Publikum: Medienerezipienten sollten ihren Medienkonsum bewusst gestalten und journalistische Medien sorgfältig auswählen. Die Grundvoraussetzung hierfür ist Medienkompetenz.
Die Medienunternehmen: Verlage, Rundfunkanstalten und Medienkonzerne haben wirtschaftsethisch gesehen die Aufgabe, Gewinninteressen und publizistische Sozialverantwortung auszutarieren. Dabei geht es auch darum, die Interessen der Anzeigenkunden nicht zulasten der journalistischen Unabhängigkeit zu bedienen.
Die PR-Fachleute: Akteure der Public Relations versuchen ihre Auftrag- und Arbeitgeber möglichst positiv in der Öffentlichkeit darzustellen. Trotzdem sind sie aus ethischen Gründen gehalten, die Rolle der Journalisten als unabhängige Berichterstatter zu respektieren und wahrhaftig zu informieren.
Die Journalisten: Sie sind die Hauptakteure der Medienethik, von ihnen wird erwartet, dass sie sich in ihrem Alltagsgeschäft an Qualitäts- und Ethikmaßstäben orientieren. Ist doch die Güte der Information durch journalistische Medien essenziell für das Vertrauen in den Journalismus sowie für die Motivation der Bürger zur Beteiligung an der Demokratie und letztlich für das Bild, das sie sich von Welt und Gesellschaft machen. Die persönliche Verantwortung der Journalisten gewinnt daher angesichts der aktuellen Umwälzungen und Vertrauenskrisen wieder an Bedeutung und damit die in Deutschland wesentlich von dem katholischen Medienethiker Hermann Boventer geprägte Reflexion über die „Journalistenmoral“.
… und christliche Medienethik
Die Magna Charta ihrer katholischen Spielart ist das Dokument Communio et progressio (1971) der Päpstlichen Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation. Seither werden die modernen Massenmedien von der katholischen Kirche nicht mehr in erster Linie als bloße Instrumente zur Verbreitung der kirchlichen Lehre angesehen. Es werden nun vielmehr deren Eigenwert sowie der Beruf des Journalisten geachtet.
Spezifischer Ausgangspunkt des christlichen Orientierungsrahmens ist die Kommunikation der drei Personen des dreifaltigen Gottes. Die Kommunikation zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist wird als Urbild gemeinschaftsstiftender Kommunikation zwischen den Menschen verstanden. Damit ist Kommunikation ein Ausdruck von Gemeinschaft unter den Menschen und nicht einfach nur Mitteilung von Informationen.
Christliche Medienethik nimmt ihren Ansatz bei der menschlichen Person als Vernunft- und Freiheitwesen. Der Mensch als Person ist für sein Handeln verantwortlich. Das gilt auch für journalistisches Handeln. Im christlich-theologischen Deutungshorizont entspricht solch personales Handeln in Verantwortung der Gottesebenbildlichkeit und Würde des Menschen.
Das bedeutet aber nicht, dass christliche Medienethik eine Sondermoral vertritt. Verantwortung und Freiheit, Wahrhaftigkeit und Transparenz, Unabhängigkeit, Sorgfalt sowie Quellen- und Persönlichkeitsschutz gehören zum Konsens in Bezug auf ethische Grundwerte sowohl in der philosophischen Medienethik als auch in der christlichen Medienethik. Journalisten der klassischen wie der digitalen Medien sollten sie beachten, um kein Vertrauen zu verspielen.
Christliche Journalisten haben darüber hinaus die Aufgabe, für Öffentlichkeit und Verständigung in Kirche und Gesellschaft zu sorgen: „Die journalistische Tätigkeit der Katholiken, sei es durch Tageszeitungen, Magazine oder andere Zeitschriften, kann ein wichtiger Faktor in der Bildung öffentlicher Meinung sein und mit Erfolg dazu beitragen, daß im Austausch der Gedanken die Welt die Kirche und die Kirche ihrerseits die Welt verstehen lernt“ (Communio et progressio, 137). Loyalität und Verbundenheit zur Kirche sowie unabhängige und kritische Berichterstattung, besonders auch über innerkirchliche Missstände, schließen sich dabei nicht aus.
Sich nicht gemein machen mit der Sache der Kirche?
Das scheint zunächst dem gängigen Berufsbild des Journalisten als möglichst objektivem Beobachter zu widersprechen. Begründet wird dieses Verständnis zumeist mit dem Ausspruch des Journalisten Hanns Joachim Friedrichs (1927-1995), Journalisten dürften „sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“. Nach dieser Maxime hätte auch ein Journalist, der für Demokratie und Menschenrechte ist, seinen Beruf verfehlt. Cordt Schnibben, der Transporteur dieses Zitats, hat über Twitter inzwischen auch klargestellt, dass Friedrichs damit nie gesagt hat, dass Journalisten keine Haltung haben dürfen.
Nach dem Diktum Luhmanns sind Journalisten immer auch Weltbildstifter und haben selbst ein Weltbild. Vollständige Objektivität gibt es nicht. Medienrealität ist immer auch konstruierte Realität. Daraus folgt aber kein Freifahrtschein für journalistische Willkür. Natürlich gibt es Zahlen, Daten und Fakten. Ein Journalisten ist ihnen besonders verpflichtet und er meidet jede Form von „alternativen Fakten“. Allerdings sind Fakten ohne Wertung, Zusammenhang und Einordnung deutungs- und damit bedeutungslos. Wichtig ist bei der Wertung, den eigenen Standpunkt transparent zu machen. Ein christlicher Journalist braucht dann kein haltungsloser Journalist sein, wenn sein Glaube ihm Kompass und Maßstab ist und er zugleich fachkundig arbeitet sowie die Normen seiner journalistischen Professionsethik ernst nimmt.
Quellen und weiterführende Literatur:
Funiok, Rüdiger: Medienethik: Verantwortung in der Mediengesellschaft, Kohlhammer, Stuttgart 2 Auflage 2011.
Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 4. Auflage 2009.
Meier, Klaus: Journalistik, UVK, Konstanz und München 4. Auflage 2018.
Schäfers, Lars/Sautermeister, Jochen: Konstruktiver Journalismus. Theologisch-medienethische Annäherungen an ein neues Berichterstattungsmuster (Kirche und Gesellschaft Nr. 452), Bachem, Köln 2018.
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