Oft hören wir die Aussage, dass etwas unmännlich sei oder nicht zu einem richtigen Mann passt. Doch was macht einen richtigen Mann denn aus? Was bedeutet Männlichkeit wirklich? Auf jeden Fall ist es nicht abzustreiten, dass viele Männer möglichst männlich sein und wirken wollen. Höchste Zeit, diesem Begriff näher auf den Grund zu gehen.
Klischeedenken pur
Muskeln so weit das Auge reicht, um einiges größer als die Frau, mutig und stark sein – ist das pure Männlichkeit? Schauen wir in die Werbebranche, werden wir von Darstellung der Männlichkeit in dieser Form gerade zu überflutet. Ob ganz langsames Einseifen in der Dusche, oder leicht bekleidetes Joggen, um die neue Wassermarke zu promoten: Männlichkeit wird gerade durch diese Äußerlichkeiten immer und überall zur Schau gestellt. Ab und zu wird dann noch eine Werbung ausgestrahlt, in der der Mann galant für die Frau die Entscheidung trifft, oder ihr aus der Patsche hilft. Diese Entschlusskraft als ein Symbol für Männlichkeit wird nicht gerade selten gewählt und sticht immer wieder ins Auge.
Vom Ernährer zum Nobody?
Heißt Mann-Sein also wirklich nur überdurchschnittlich viel Testosteron und einen gut definierten Sixpack samt Oberarmmuskeln vorweisen zu können? Ich hoffe nicht und wahrscheinlich wäre das auch viel zu einfach und oberflächlich gedacht. Der Begriff der Männlichkeit ist heutzutage im Gegensatz zu früher allerdings viel schwerer zu erklären. Jahrtausende lang ging der Mann arbeiten, sorgte für Frau und Kinder und sorgte finanziell fürdiese. Klassische Definition eines Mannes war es also, der Ernährer der Familie zu sein. Dieses Bild aber existiert nicht mehr. In der Umbruchszeit der vergangenen Jahrzehnte definierten sich die Frauen neu. Sie sind emanzipierter geworden, haben für ihre Rechte und ihre Freiheit gekämpft und stehen nun an einem ganz neuen Punkt. Es ist das Bild einer selbstbewussten Frau entstanden, die weiß was sie will und wie sie es bekommt, arbeitet und finanziell unabhängig ist, gleichzeitig aber auch die Kinder groß ziehen kann.
Wo aber sind die Männer bei diesem Prozess geblieben? In ihre alte Rolle von früher passen sie auf jeden Fall nicht mehr, da Frauen ihnen diese Position streitig gemacht haben. Den Platz der Frau übernehmen und die Kinder bekommen ist alleine biologisch betrachtet schon nicht möglich. Arbeiten und Geld verdienen wie früher genügt aber auch nicht mehr, da Frauen dies nun auch mit übernehmen. Den ganzen Tag zu arbeiten, Geld nach Hause zu bringen und dafür zu sorgen, dass etwas Warmes auf dem Tisch steht, reicht also nicht mehr aus.
Wozu werden Männer überhaupt noch gebraucht?
„Wir Männer wissen doch heutzutage gar nicht mehr, welche Rolle wir übernehmen sollen und daran sind die Frauen Schuld. Wir wissen gar nicht mehr, was ihr von uns wollt oder welche Kriterien wir erfüllen sollen. Da müsst ihr euch nicht wundern, wenn viele von uns am Rad drehen und einfach keine klassischen Partnerschaften mehr eingehen. Würden Frauen uns nicht zur Fortpflanzung und zum Spaß benötigen, bräuchten uns doch viele Frauen gar nicht mehr“, wurde mir vor Kurzem von einem Bekannten vorgeworfen. Nachdem ich die Aussage in dem Moment natürlich vehement verneinte, muss ich zugeben, dass sie mich im Nachhinein beschäftigt hat.
Ist an dieser These vielleicht doch etwas dran? Wissen Männer gar nicht mehr, was von ihnen erwartet wird? Welche Erwartungen stellen Frauen denn nun heutzutage wirklich an den Mann? Welche Charaktereigenschaften machen ihn männlich? Welche Rolle spielt der Mann heutzutage überhaupt und was definiert seine Männlichkeit? – Aus konservativer Sicht ließen sich all diese Punkte ganz einfach beantworten, während das heute ganz anders aussieht.
Leichte Frage – Schwere Antwort
Loyalität, Verlässlichkeit, Stärke, Beschützerinstinkt, unkompliziert sein, Verantwortungsbewusstsein, Entscheidungswille, Kraft, Führungswille, waren die mir am häufigsten genannten Begriffe, auf die Frage, welche Attribute Männlichkeit eigentlich ausmacht. Charaktereigenschaften, die dann doch wieder zu dem klassischen, ursprünglichen Bild von Männlichkeit passen würde: Der Mann als Beschützer, der sich um die Frau kümmert und die Fäden in der Hand hält. Hört sich auf dem Papier schön an. Ich wage allerdings zu behaupten, dass diese Attribute bei so mancher Frau mittlerweile auf heftigen Widerstand stoßen würden. Müssen Frauen vielleicht eher lernen, Männlichkeit wieder zuzulassen?
Die Rolle des Mannes und folglich die Definition von Männlichkeit befindet sich gerade also ganz offensichtlich in der Selbstfindungsphase. Männer müssen sich neu finden, erfinden und wieder ihre Nische in der heutigen Gesellschaft finden. Vielleicht ist es aber auch einfach ein Side-Effekt des Umbruchs, dass genau diese Rolle nicht mehr eindeutig definiert, sondern für jeden unterschiedlich interpretiert werden kann.
Ist der Begriff der Männlichkeit eurer Meinung nach also überhaupt noch zu klären? Gibt es den klassischen Mann noch und was macht ihn aus? Schreibt es uns.
Chrissy
Das ist aber keine neue Entwicklung, das war vor 30 Jahren schon ein Thema, das mich beschäftigt hat. Ich vermisse aber damals wie heute die Frage nach der Weiblichkeit und die in sie gesetzten Erwartungen. Ich bleibe bei meiner damals gefällten Entscheidung, dass ich vorrangig Menschlichkeit erwarte. Was Männer und Frauen voneinander erwarten, ist sehr individuell.
Kiralla Kitara
Heute muss Alles neu erfunden werden, sowohl die Weiblichkeit wie die Männlichkeit, weil der Mensch im Unterschied zu den Tieren hinsichtlich seines Verhaltens genetisch nicht eng festgelegt ist und alle Traditionen kritisch hinterfragt werden und fakisch kaum noch gelten. Insoweit befindet sich die gesamte Wertwelt in Auflösung, und da kollektive oder gar gesellschaftliche Werte nicht mehr unhinterfragt gelten, muss jeder sehen, wie er zurechtkommt. Die Weiblichkeit ist durch die wissenschaftliche Genderforschung allerdings besser erforscht und wird selbstbewusster propagiert. Männer und noch mehr heanwachsende Jungen haben es da viel schwerer, irgendeine Rolle in der Gesellschaft ode gar Familie – so sie denn eine haben – zu finden. Man kann sich ja auch selbst total hinterfragen und sich selbst völlig negieren. Ich persönlich werde von Jugend auf von allen mehr oder weniger gründlich bis weitgehend kritisiert und ziehe es vor, mich selbst total in Frage zu stellen und mich jedweder Rolle, so es denn möglich ist, zu entziehen. Denn welche Rolle auch immer ich wähle, sie wird ja doch kritisch hinterfragt und eher nicht akzeptiert. Ich akzeptiere mich von daher auch selbst nicht und neige eher zur Selbskritik und Selbstinfravestellung. Aber wer nichts hat – weil er sich selbst ständig kritisch hinterfragt – was soll er dann noch negieren? Mit einer solchen Haltung macht man weder auf Männer noch auf Frauen Eindruck, schon gar keinen positiven. Aber wo soll man heute auf sich selbst bezogen einen positiven Wert hernehen, wen alle nur Kritik üben? Mit Goethes Mephisto zu reden: “So ist denn alles, was entsteht, wert, dass es zugrunde geht. Drum besser wärs, wenn nichtd entstünde… ” Doch der Schöpfer hat entgegen den mephistophelischen Ansichten und Absichten geschaffen – und wir Menschen habens “vergeigt” und stellen sowohl den Schöpfer wie auch uns selbst, ganz besondes die Männer, in Frage. Einen Ausweg kann man kaum erkennen. Wo sollte der auch sein, wenn alle Rollen, alles Sein oder Seyn im Sinne von Martin Heidegges “Sein und Zeit”- in Frage gestelt und bestenfalls kritisch gewürdigt werden. Aber auch einen unserer Zeit gemäßen Nihilismus – der von Friedrich Nietzsche ist ja wohl nicht mehr ganz taufrisch – kann ich nich erkenne. Prsönlich bleibt nur die offen artikuliete Verzweiflung – auch ein diskutables Lebenskonzept. Sich selbst offen aufzugeben, keinen Weg zu wissen und zu finden und alle und alles gleichwohl kritisieren – vielleicht ist es das, was wir heute brauchem, auch wenns nicht hilft?