Wissen hat im 21. Jahrhundert einen bedeutenden Stellenwert. Viele der großen Fragen um die menschliche Existenz scheinen gelöst und der Mensch fühlt sich aufgeklärter denn je. Doch was bringt uns Wissen, wenn am Ende ohnehin Gefühle über unser Verhalten entscheiden?
Wissen ist laut Definition eine Erkenntnistheorie, welche als wahr und gerechtfertigt gilt. Wir können uns Wissen aneignen, es verwenden, theoretisch so wie praktisch. Geht man heutzutage von dem Standpunkt des Wissens in der Gesellschaft aus, so bezieht man diesen hautsächlich auf das in einem Bildungssystem stattfindende Erlernen von fachbezogenen Inhalten, welche man begreifen muss und für deren Auffassung und Wiedergabe man benotet wird. Aber so viel zur oberflächlichen Betrachtung.
Natürlich kann uns das allgemeine Bildungswissen, welches man zu bestimmten Fachbereichen erlernen kann, uns – abseits vom Schulsystem – auch helfen, Dinge zu verstehen und einen gewissen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, doch viel elementarer ist doch das ganz offensichtliche Wissen, die Gedanken, die wir in uns tragen und unsere Wahrnehmung, welche vom Wissen erheblich gesteuert wird.
Von der Annahme ausgehend, dass Glauben, bzw. Denken im Sinne von „denken, dass etwas wahr ist“, einen gleichen Charakter wie Wissen hat, lässt sich beurteilen, dass alles was wir wahr zu wissen glauben, unser Wissen, unser ganzes Weltbild formt. Bei genauer Betrachtung, fällt einem nämlich auf, dass „denken“, bzw. „glauben“, etwas Angenommenes, jedoch nicht Erwiesenes ist, im Vergleich zu „wissen“, etwas das für wahr gehalten wird, nur minimale Unterschiede voneinander aufweisen.
Hier gilt auch: Nichts ist wirklich bewiesen.
Objektiv betrachtet, können wir also quasi nichts ganz genau wissen, wenn wir von dem Konstruktivismus ausgehen, nachdem die Wahrheit immer subjektiv ist und die ultimative Wirklichkeit nicht existiert, sondern nur die Auffassung der persönlichen, subjektiven Realität. Auf der anderen Seite ist es so auch nicht von der Hand zu weisen, dass es für unsere persönliche Wahrheit ausreicht, von einem Glauben oder Denken so überzeugt zu sein, dass man es für sich selbst als wahr und unumstritten sieht und es so zu einem Wissen wird, als welches man es anerkennt (siehe Definition von Wissen).
Denken, dass etwas wahr ist, ist theoretisch also das gleiche, wie wissen, dass es so ist, bis zu dem Moment, in dem das Denken widerlegt werden kann. Ein Beispiel dafür wären ältere wissenschaftliche Erkenntnisse, welche zu den Zeiten ihrer Erforschung als wahres und bewiesenes Wissen gegolten haben, später jedoch widerlegt worden sind. Wissen ist hiermit zumindest teilweise konstruktiv, wandelbar und hängt von dem Betrachter ab. Demnach kann sogar Einbildung für den Menschen die Position des Wissens einnehmen. Ein weiteres Beispiel zur Verdeutlichung des Sachverhaltes, wäre die Hypnose. Die Funktionalität und Wirksamkeit der Hypnose ist allgemein bewiesen und doch funktioniert die Hypnose nicht ohne einen ausschlaggebenden Faktor: den Glauben.
Der Glaube als zwingende Voraussetzung
Das Hypnotisieren von Menschen basiert nämlich auf der Voraussetzung, dass der zu hypnotisierende Mensch GLAUBT, die Hypnose würde funktionieren und die Wirkung der Hypnose einzig und allein auf diesem Faktor des „Glaubens, dass es funktioniert“ beruht.
In dem Moment in dem der Mensch glaubt zu wissen, dass es funktioniert, weiß er es hier im Beispiel auch automatisch, da der Glauben eine körperliche Reaktion hervorruft. Die Tatsache, dass man glaubt, zu wissen, dass die Hypnose funktioniert, führt dazu, dass das Wissen, von welchem man erst nur geglaubt hat, es zu besitzen, wahr wird. Dies nennt man eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Glauben und Wissen sind also zwei Komponenten, die in ihrer subjektiven Bedeutung – und von dieser Bedeutung gehen wir aus – durchaus gleich sein können.
Letztendlich lässt sich also sagen, dass alle Vorstellungen, die auch Einbildungen sein können, welche der Mensch für wahr hält, für ihn sein persönliches auch durch Erfahrung angeeignetes Wissen bilden. So ist der Mensch praktisch durch sein Wissen geformt. Wie er die Welt sieht und wahrnimmt, wie er denkt; seine Schemata und Prinzipien sind abhängig von seinem Wissen. Die Frage hier wäre also weniger „was bringt dem Menschen sein Wissen?“, sondern „was bringt es ihm nicht?“ Was wir glauben, formt unsere Gedanken, unser Weltbild, unser Handeln und schließlich auch unser Leben, ganz nach dem Prinzip „aus denken wird sprechen, wird handeln, wird sein“. Es geht hier nicht um Bildungswissen, sondern um Glaubenssätze, Einstellungen, die unzähligen, individuellen Reaktionen, als Resultat von einem äußeren Einfluss, den wir ausgehend von unserem Paradigma und unserer Erfahrung, dem persönlichem Wissen, bewerten und verwerten.
Emotionen steuern den Verstand
Menschen werden von Emotionen gesteuert und die kommen nicht unkontrolliert von irgendwo her. Wie wir, basierend auf unserem Wissen, also dem persönlichen Glauben, fühlen, bestimmt wer wir sind, eben weil der Mensch von Emotionen gesteuert wird. Der Mensch tut alles, damit der Belohnungsmechanismus im Kopf stimuliert wird. Studien haben bewiesen, dass diesen auszuschalten, Menschen teilweise in den Selbstmord getrieben hat: Sie empfanden keinen Sinn mehr im Leben. Das war ihre Realität.
Doch wir haben auch unseren Verstand, wobei die Neigung, diesen zu nutzen, zwar aus dem Bereich der Empfindungen und des Belohnungssystems herrührt, das Nutzen von ihm an sich uns jedoch potentiell Ergebnisse frei von Beeinflussung durch Empfindungen geben und uns gleichermaßen wie unsere Empfindungen steuern kann. Unsere Empfindungen können uns vielleicht so kontrollieren, dass wir uns gar nicht hingezogen fühlen, unseren Verstand zu verwenden, tun wir dies jedoch und nutzen ihn als Außenstehende, logisch „objektive“ Quelle, kann er als Werkzeug dienen, unsere Emotionen und so auch uns in jeder Hinsicht zu ändern.
Empfindungen können auch Ängste in uns auslösen
Haben wir beispielsweise Angst vor Spinnen und denken uns immer wieder: Dieses Tier ist gefährlich, ich muss Angst davor haben, diese Angst ist berechtigt und ich kann mein Empfinden in dieser Angstsituation nicht steuern, so haben wir Recht, denn durch dieses Denken, durch den Impuls der Empfindung über die Situation, erschaffen wir uns automatisch unsere Wahrheit, die sich für uns und durch uns selber bestätigt.
Das ist ein Kreislauf: Ich denke die Angst ist außerhalb meiner Kontrolle, dadurch empfinde ich so, weswegen ich bei der nächsten Angstsituation noch mehr Angst habe und meine Verunsicherung gestiegen und meine Handlungskapazitäten gesunken sind. Ich merke, dass ich mich nicht kontrollieren kann, so wie ich es mir vorher gepredigt habe, wodurch sich mein Glauben über meinen Zustand und meine Selbstkontrolle manifestiert und zu einer (meiner) Wahrheit wird.
Emotionen sind für den Menschen wichtiger als Wissen
Was ich nicht weiß ist, dass diese Wahrheit von mir erschaffen wurde und dieses Erschaffen liegt sehr wohl in meiner Kontrolle. Denn so wie unsere impulsiven Emotionen und Empfindungen unseren Glauben beeinflussen können und unser Glauben zu Wissen werden kann, welches im Verstand angesiedelt ist, so kann die Wirkungskette auch andersherum vollzogen werden. Denn über im Verstand angesiedelte Inhalte hat der Verstand im Auftrag des menschlichen Bewusstseins potentiell einen kontrollierten Einfluss. Gehe ich mit der Verstandesebene an die Sache heran und entferne mich von meiner Emotionalität, indem ich mein Verhalten analysiere und herausfinde, dass ich zur Selbstkontrolle fähig bin, dann werde ich mir diesen neuen Glauben einreden, bis er sich für mich und durch mich, wie bei der Angstsituation, selber bestätigt und für mich mein neues persönliches, wahres Wissen wird.
Wissen wir also, dass unser Wissen uns gar nichts bringt, da wir einzig emotionsgesteuert sind, so ist dies durchaus eine Wahrheit, die sich vermutlich auf Erlebnisebenen bestätigen wird. Wissen wir es jedoch besser, wissen wir es immer noch am besten. Diese Art zu denken, nennt man übrigens Metakognition. Ein Bewusstseinszustand, der nur durch den Einsatz von Verstand erlangt werden kann.
Natürlich macht uns ein Mangel an kognitiver Kapazität nicht direkt unglücklich, ein Mangel an befriedigten Trieben jedoch schon. Ich wäre zwar lieber ein zufriedener Narr als ein unzufriedener Kleist, aber ich bezweifle, dass diese Gegensätze gar so gegensätzlich sind und Kleist nicht dazu fähig gewesen wäre, seinen eigenen inneren Narren zu überwinden.
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