Orientierung, praktische Erfahrungen sammeln, neue Menschen kennenlernen und Herausforderungen begegnen – das erhoffen sich junge Menschen, wenn sie sich nach der Schule für einen Freiwilligendienst entscheiden. So hat es auch Chantal Gilbrich gemacht. Sie hat ein FSJ Politik beim Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen (ekn) absolviert. Rund 200 neue Freiwillige starten in ganz Niedersachsen und Bremen in ihr FSJ Kultur und Politik. Was genau sich hinter einem FSJ Politik verbirgt, erfahrt Ihr hier.
Zwölf Monate sollen schon wieder vorbei sein? Ich kann es noch immer nicht glauben. Während ich meinen Schreibtisch in der Redaktion aufräume, wird mir bewusst, dass mein FSJ bald hinter mir liegt. Dabei kommt es mir so vor, als hätte ich erst gestern hier angefangen. Ich weiß noch genau, wie ich vor über einem Jahr zum ersten Mal an der Tür des ekn geklingelt habe. Ich war unglaublich aufgeregt, weil ich mir so sehr gewünscht habe, beim Evangelischen Kirchenfunk ein FSJ machen zu können.
Ich hatte den Wunsch, nach zwölf Jahren Schule und vor Studienbeginn etwas Praktisches zu machen. Ich wollte meine ersten Berufserfahrungen sammeln, mich persönlich durch das FSJ weiterentwickeln und einen weiteren Schritt Richtung Traumberuf – dem Journalismus – gehen. Noch am gleichen Tag erhielt ich die Zusage für den FSJ-Platz. Es war der Beginn eines spannenden Freiwilligendienstes.
Der erste Schritt: Bewerbung um einen FSJ-Politik-Platz
Ob politische Stiftungen, Landtagsfraktionen, KZ-Gedenkstätten, Medieneinsatzstellen oder auch (Jugend-)Bildungsstätten – die Bereiche der Einsatzstellen im FSJ Politik fallen ganz unterschiedlich aus. Ein FSJ Politik beginnt immer zum ersten September eines jeden Jahres. Bewerben kann man sich über das Online-Portal des jeweiligen FSJ-Trägers. In Niedersachsen ist das die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, kurz die LKJ. Das FSJ Politik gibt es in ähnlicher Form allerdings auch in Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg sowie in Berlin.
Als Bewerber füllt man eine mehrseitige Online-Bewerbung mit Fragen zur Motivation für ein FSJ Politik sowie Fragen zur eigenen Person aus. Das Bewerbungsverfahren läuft jedes Jahr vom 1. Januar bis zum 31. März. Danach erhält jeder Bewerber eine Übersicht über die Einsatzstellen und kann bis zu sechs Wünsche angeben. Der FSJ-Träger teilt die Bewerber dann den Einsatzstellen zu. Ab Ende April/Anfang Mai werden die Bewerber – genau wie in der Berufswelt – zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Voraussetzungen gibt es für das FSJ Politik erst einmal keine – Neugierde, Interesse und ehrenamtliches Engagement werden allerdings von jedem Arbeitgeber gerne gesehen!
Meine Einsatzstelle, den Evangelischen Kirchenfunk, kennen die meisten Niedersachsen wahrscheinlich unter der „Antenne Niedersachsen“- bzw. der „ffn-Kirchenredaktion“. Jeden Abend gegen halb sieben werden unsere tagesaktuellen Beiträge zu Themen wie der Ukraine-Krise, der Kopftuch-Debatte oder aber auch zum Kirchentag im Radio gesendet. Jeden zweiten Sonntag senden wir außerdem vierstündige monothematische Sendungen. Neben dem Hörfunk ist der ekn auch im Bereich Video sehr aktiv. Die Redaktion erstellt Videos für Formate wie evangelisch.de, chrismon, Religionen im Gespräch u.a. Im Bereich „Bürgerfunk“ organisiert das Team Radio-Seminare für Gruppen aus dem kirchlichen Kontext ganz unterschiedlicher Altersgruppen.
Der bunte Arbeitsalltag im FSJ Politik
So vielfältig wie die Einsatzstelle waren auch meine Aufgaben im Freiwilligen Sozialen Jahr. Hauptsächlich habe ich im Bereich „Bürgerfunk“ mitgearbeitet, also Radio-Projekte geplant und organisiert. In diesem Zusammenhang habe ich auch zwei Seminare komplett eigenständig von der Idee bis zur Umsetzung organisieren dürfen. Eines davon war ein Radio-Workshop mit meinen Mit-FSJlerInnen während des Abschlussseminares und ein anderes ein Radio-Inklusions-Projekt während einer Freizeit mit Kindern der Mit-Uns-Gemeinde Braunschweig.
Außerdem durfte ich auch selber Beiträge für ffn und Antenne erstellen, so war ich beispielsweise in der Paramentenwerkstatt des Klosters St. Marienberg in Helmstedt und habe ein Interview mit der Vorsteherin des Klosters über die neuesten Trends der Talare geführt oder ich war im Therapiezentrum für autistische Kinder, wo ich die dortige FSJlerin über ihren Freiwilligendienst interviewt habe. Die Multimedia-Redaktion habe ich zudem bei einigen Drehs begleiten und dort assistieren dürfen. Ich habe außerdem meinen Kameraführerschein gemacht und so den Umgang mit einer Videokamera, dem Schnittprogramm FinalCut und das Schreiben von Drehbüchern gelernt. Während zwei Drehs durfte ich auch einmal selber als Kamerafrau arbeiten.
Der Freiwilligendienst wird von 25 Bildungstagen begleitet. Sie dienen dem Austausch unter den Freiwilligen, der Reflexion der Arbeit in der Einsatzstelle und der politischen Bildung. Der Träger des FSJ Politik organisiert diese Seminare, in denen die politische Bildung der Freiwilligen im Vordergrund steht. In Planspielen lernen die FSJler den politischen Entscheidungsprozess von der Idee bis zum Beschluss einer politischen Angelegenheit kennen. Außerdem gibt es Debatten, in denen die Freiwilligen über aktuelle politische Themen diskutieren können. Ein Besuch im Landtag, Bundestag sowie in den EU-Organen in Brüssel lässt die Jugendlichen einmal hinter die Kulissen der Politik schauen.
Herausforderung: Eigenständiges Projekt im FSJ Politik
Jede(r) Freiwillige im FSJ Politik darf und soll ein eigenes FSJ-Projekt organisieren. Mein FSJ-Projekt war eine Antidiskriminierungssendung. Das war ein Pilotprojekt, um die Zusammenarbeit zwischen dem ekn und den niedersächsischen Bürgerfunksendern zu verstärken. Ich selber habe vier Beiträge dafür erstellt. Zum einen habe ich mit der Gleichstellungsbeauftragten der Landeskirche Hannover, Hella Mahler, über die niedersächsische Wanderausstellung „Angekommen! Der lange Weg der Frauen ins Pfarramt“ gesprochen, ich war in der Antidiskriminierungsstelle in Hannover zu Gast und der Friedensbeauftragte Lutz Krügener und sein Kollege Maik Bischoff haben mit mir über das Projekt „Schritte gegen Tritte“ gesprochen.
Außerdem war ich in der BBS 6, wo ich mit einigen Lehrern über das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gesprochen habe. Jede Religionsredaktion der niedersächsischen Bürgerfunksender hat zudem einen eigenen lokal gebundenen Beitrag produziert. Gesendet wurde die Sendung letzten Endes in der Woche um den 21. März rum. Das ist nämlich der Internationale Tag gegen Diskriminierung. Ich denke, wir haben mit diesem Projekt alle auch politisch ein Zeichen für mehr Toleranz und Offenheit in der Gesellschaft gesetzt.
Ich habe mich oft gefragt, was eigentlich das Highlight meines FSJs war – und ich muss zugeben, dass ich die Frage nicht ganz eindeutig beantworten kann. Im Prinzip war nämlich das gesamte Jahr ein absolutes Highlight für mich. Toll angefangen hat das Jahr schon mit einem Volontärskurs an der Hörfunkschule Frankfurt. Besonders gefallen haben mir aber auch die vielen Radioseminare, die wir in ganz Niedersachsen und Bremen organisiert haben. Unsere Bürgerfunk-Projekte in Hannover, so z.B. das Radio-Projekt mit den Häftlingen der JVA Hannover, unserer Jailhouseredaktion, waren zudem eine unglaublich tolle Erfahrung für mich! Genauso wie unsere Radio-Inklusionsprojekte mit den Pflegeassistentinnen des Annastifts oder der Kinderfreizeit der Mit-Uns-Gemeinde Braunschweig. Und auch der Kameraführerschein hat mir richtig viel Spaß gemacht!
So schnell vergeht ein Jahr…
Mit meinem Abschlussprojekt, der Kinderfreizeit in Dörverden, und einer wunderschönen Abschiedsfeier endet mein Jahr. Ich nehme meine Tasche, schaue noch einmal zurück in mein ehemaliges Büro und verabschiede mich von meinen beiden Kollegen, die um diese Zeit noch in der Redaktion sind. Meinen Schlüssel muss ich jetzt wieder abgeben. Mit Tränen in den Augen gehe ich zum vorerst letzten Mal die Treppe herunter…
Rückblickend kann ich sagen, dass das FSJ eine richtig tolle Zeit war, in der ich nicht nur gelernt habe mit den Medien „Radio“ und „Video“ umzugehen oder Seminare zu organisieren und zu leiten, sondern auch eine Zeit, in der ich mich ganz viel ausprobieren konnte und mich auch persönlich weiterentwickelt habe. Im Laufe des Jahres durfte ich an ganz vielen tollen Seminaren, Projekten und Drehtagen teilnehmen und ich werde mich noch oft und gerne an dieses Jahr zurückerinnern. Gerade Schulabgängern kann ich ein solches Jahr nur ans Herz legen.
Im Freiwilligen Sozialen Jahr erlernt man ganz andere Kompetenzen als man das in der Schule oder später in der Uni tut. Man bekommt einen unglaublich tiefen Einblick in das Arbeitsleben und hat – anders als das oft im Praktikum der Fall ist – eine/n feste/n BetreuerIn, der/die einen durch diese Zeit begleitet. Gleichzeitig bekommt man eine ganz genaue Vorstellung, welche Ziele einem für sein späteres Leben wichtig sind.
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