Literatur, Film, Musik, Theater – sie alle reißen sich um dieses Thema. Auch im privaten Freundeskreis ist sie wohl Gesprächsgegenstand Nr. 1: Die Liebe. Umso erstaunlicher ist es jedoch, wie wenig wir dennoch über sie wissen. In diesem und dem nächsten Artikel wollen wir uns einmal der Liebe aus einer ganz anderen Richtung annähern als Film und Fernsehen, nämlich aus einer wissenschaftlichen. Wer jetzt aber denkt, das sei ein öder Wissenschaftsartikel, voller lebensfremder Laborstudien, der irrt. Denn die Forschungsarbeit, auf die hier Bezug genommen wird, lässt interessante und alltagsnahe Einblicke gewinnen in die Partnerwahl und Partnersuche, weshalb sie so oft misslingt, und was an einem potentiellen Partner wichtig ist.
Warum suchen wir überhaupt nach einem Partner?
Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich zum Einstieg einen der bedeutendsten „Liebesforscher“ der Antike erwähnen: Platon. Dieser hat nicht nur den Begriff der „platonischen Liebe“ geprägt, in seinem Werk „Symposion“ (zu Deutsch: „Trinkgelage“), unterhalten sich die Gäste besagter Saufveranstaltung ebenfalls über das Thema aller Themen. Sein Schüler, Aristophanes, nähert sich dabei der Frage, weshalb die Menschen überhaupt nach so etwas wie einem „perfekten Partner“, einer „besseren Hälfte“, suchen. Er erzählt einen Mythos, der sich in vormenschlicher Zeit auf der Erde abgespielt haben soll: Die Vorfahren der heutigen Menschen, genannt „Kugelmenschen“, seien Wesen mit je zwei paar Armen, Beinen und zwei Köpfen gewesen. Auch die Geschlechtsteile hätten sie in doppelter Ausführung besessen, wenn auch nicht unbedingt zweimal die gleichen (wie praktisch!). Da sich diese mythologischen Wesen aber dank ihrer acht Gliedmaßen sehr schnell fortbewegen konnten und versuchten sich den Weg zum Himmel zu bahnen, stellten sie für die antiken Götter eine Gefahr dar. Diese beschlossen kurzerhand die Kugelmenschen zu schwächen, indem sie sie in zwei Hälften teilten. Nun ist jeder der heutigen zweibeinigen Menschen auf der Suche nach seiner verlorengegangenen Hälfte mit dem passenden Satz Geschlechtsteilen.
Der Beitrag der Evolutionsforschung
Aristophanes’ Geschichte hat zwar durchaus Unterhaltungswert, ist aber leider nach aktuellen Standards nicht besonders wissenschaftlich. Den großen Fragen der Partnerwahl und Partnerschaft widmen sich heutzutage hauptsächlich Evolutions- und Sozialpsychologen.
Eines der größten Mysterien der Evolutionsforschung ist die Frage, wie es der Mensch – oder besser gesagt unsere vormenschlichen Vorfahren – geschafft haben ein Gehirn zu entwickeln, das so viel größer ist und uns zu so viel mehr anspruchsvollen Kognitionen befähigt als das anderer Primaten. Neben vielen anderen Faktoren ist es unstrittig, dass auch unsere Art und Weise Paarbeziehungen einzugehen einen großen Beitrag geleistet hat. Ein großes Gehirn benötigt bekanntlich einen großen Kopf, und der ist angesichts der Enge des Geburtskanals eher hinderlich. Die Evolution umging diese Einschränkung, indem sie das Gehirn mit unfertigen Anlagen ausgestattet hat, die erst nach der Geburt und über die Lebensspanne hinweg reifen. Aus diesem Grund kommen menschliche Babys in einem erstaunlich unterentwickelten Zustand zur Welt, sind hilflos, und benötigen eine enorme Zeit um zur Geschlechtsreife heranzuwachsen. Auch noch nach dem Abstillen bleiben wir, anders als unsere nächsten Verwandten, die großen Affen, abhängig von elterlicher Versorgung. In dieser langen Zeitspanne hat das Gehirn Zeit zu reifen und seine volle Funktionsfähigkeit zu entfalten. Das erfordert natürlich gute elterliche Zusammenarbeit und die unterstützende Anwesenheit des Vaters! Es verwundert daher nicht, dass sich die monogame Paarbeziehung in der Menschenwelt durchgesetzt hat. Sie macht den Menschen unter den Affen einzigartig. Keiner der anderen großen Affen lebt monogam, Schimpansen beispielsweise leben in großen Kommunen beisammen.
Was wir vom Pfau lernen können
Von „Survival of the fittest“ hat bestimmt schon jeder mal gehört. Dass Darwin aber zwei Arten der Selektion unterschieden hat, ist vielleicht weniger bekannt. Zum einen gibt es die klassische Selektion durch „Überleben“, weshalb die einzelnen Spezies verschiedene Merkmale entwickelt haben, die das Überleben erleichtern, wie beispielsweise Waffen, um sich gegen Angreifer zu schützen. Die zweite Form der Selektion jedoch ist die sogenannte „Sexuelle Selektion“. Hierbei geht es nicht um das Überleben des Stärksten, sondern um die Weitergabe von Genen an die Nachwelt. Hierfür sind Merkmale vorteilhaft, die für einen potentiellen Partner attraktiv sind. In den meisten Spezies wählt das Weibchen das Männchen, was zu einer stärkeren Konkurrenz zwischen den Männchen untereinander führt. Ergebnisse dieses Selektionsdrucks sind beispielsweise das eindrucksvolle Geweih des Hirschs oder das prachtvolle Gefieder des Pfaus. Während das Hirschgeweih, als Waffe gebraucht, dabei noch einigermaßen als für das Überleben sinnvoll erscheint, so wirkt das Rad des Pfaus eher hinderlich, wird der Pfau doch dadurch schneller von Räubern und Beutetieren gesehen. Während Darwin seinerzeit noch an dieser Ungereimtheit verzweifelte, ist das Rätsel um den Pfau mittlerweile gelöst: Der Grund für das prachtvolle Gefieder ist schlicht: Die Weibchen stehen drauf. Und die Weibchen stehen darauf, weil der Pfau dadurch ausstrahlt, so stark, robust und clever zu sein, dass er trotz seines Handicaps überlebt. Dieses Prinzip, passenderweise „Handicap-Prinzip“ genannt, konnte bislang in Untersuchungen bestätigt werden, denn tatsächlich produzieren Pfauen mit prachtvollerem Gefieder gesünderen Nachwuchs. Dies führt zu einem ersten Praxistipp, insbesondere an die Männerwelt da draußen: Es ist also gar nicht so schlecht seine Schwächen zuzugeben! Im Gegenteil, Schwächen machen nicht nur menschlich und authentisch, sondern zeugen auch von einer inneren Stärke, zumindest, wenn man sie offen darlegt, wie der Pfau es tut. Vielleicht probieren Sie ja mal aus, beim nächsten Date etwas zuzugeben, das sie nicht können. Ihr Partner freut sich dann eventuell sogar Ihnen bei der Sache behilflich sein zu können oder fühlt sich mit Ihnen verbunden, da er die selbe Schwäche hat. Als positiven Nebeneffekt wird Vertrauen und eine ehrliche Grundatmosphäre geschaffen; ich denke mal es könnte schlechter laufen ;).
Tipp: Schwächen zuzugeben schafft Authentizität und Vertrauen und zeugt von Ehrlichkeit und innerer Stärke!
Nach welchen Kriterien wählen wir einen Partner?
Selbstverständlich ist die Wahl des Partners „Geschmackssache“ und somit abhängig von individuellen Eigenheiten, dennoch ergaben umfangreiche kulturübergreifende Studien im Wesentlichen immer wieder drei Hauptkriterien, die bei der Partnerwahl eine herausragende Rolle spielen: körperliche Attraktivität, Status und Persönlichkeit, wobei die Persönlichkeitseigenschaften Wärme, Vertrauenswürdigkeit und Intelligenz am häufigsten genannt wurden. Im Wesentlichen erscheinen diese drei Kriterien vermutlich naheliegend, auch wenn der ein oder andere vielleicht vom Stellenwert des Status überrascht sein mag. Der Status, so wie er in den Studien erfasst wurde, wird in diesem Fall als Zuschreibung der Fähigkeit definiert, wohlhabend zu sein oder sozial respektiert zu werden. In einfacheren Worten: Der evolutionsgeprägte Mensch sucht nach einem Partner, der ihm und seinem Nachwuchs finanzielle Mittel oder soziale Unterstützung bieten kann.
Kosten und Nutzen von Partnerschaften
Nun, manch einer, der vielleicht schon länger auf Partnersuche ist, wird sich jetzt vielleicht fragen: Wo finde ich diesen Menschen, der attraktiv, reich und herzensgut ist? Diese Person mag ja durchaus irgendwo existieren, aber die realistischere Antwort auf diese Frage lautet: nirgends. Und das ist auch nicht weiter schlimm. Im Gegenteil, wir sind eigentlich noch nicht einmal auf der Suche nach diesem „perfekten Partner“, dieser perfekten „10“ auf der Partnerwert-Skala, denn um diesen zu halten wären viel zu viele Ressourcen notwendig. Gemäß dem Hobbyökonomen in uns suchen wir nach einem akzeptablen Kompromiss zwischen Kosten und Nutzen. Bei dieser Abwägung gehen wir natürlich nur begrenzt objektiv vor. Eine wichtige Rolle spielen dabei noch unsere Erfahrungswerte aus früheren Beziehungen und das Vorhandensein von Alternativpartnern, sprich inwieweit man für das Erlangen partnerschaftlicher Freuden von diesem einen potentiellen Partner abhängig ist. Für diejenigen, die gern rational-mathematisch denken, habe ich das Ganze in einer Formel zusammengefasst:
Dabei ergibt sich der Wert des Partners aus der Summe seiner Einzelwerte auf den Dimensionen Attraktivität, Status und Persönlichkeit. So einfach ist das. Mit alltäglichen Worten sagt diese Formel aus, dass jemand, der bislang nur schlechte Beziehungserfahrungen gemacht hat oder wenig alternative Partner wahrnimmt, mit einer geringeren körperlichen Attraktivität des Partners, einem niedrigeren Status oder einer geringeren Anzahl attraktiver Persönlichkeitseigenschaften zufrieden ist.
Attraktivität
Wie bereits erwähnt, nimmt Attraktivität einen hohen Stellenwert unter den Kriterien der Partnerwahl ein. Das mag wohl den Einen überraschen, den Anderen enttäuschen und den wieder Anderen bestätigen. Daher sind hier einige Spezifizierungen angebracht. In einer Studie einer neuseeländischen Universität wurden junge, erwachsene Singles auf Partnersuche gebeten sich 10 Minuten mit einem weiteren Single des anderen Geschlechts zu unterhalten. Anschließend sollten sie angeben, wie interessiert sie an ihrem Gesprächspartner seien und ob sie gern weiter mit diesem in Kontakt blieben. Des Weiteren sollten sie auch das Interesse des Gegenübers an ihnen selbst einschätzen, sowie sich selbst und den Anderen anhand verschiedener Kriterien (Attraktivität, Status, Wärme und Vertrauenswürdigkeit) bewerten. Interessanterweise waren die Einschätzungen der Attraktivität des Partners am ausschlaggebendsten für das romantische Interesse am Partner. Gleichzeitig waren die Attraktivitätseinschätzungen auch die akkuratesten. Das ist nicht weiter verwunderlich, ist es doch beispielsweise schwierig in wenigen Minuten viel über die Persönlichkeit des Partners herauszufinden, und erklärt den Stellenwert von Attraktivität bei der Partnerwahl. Attraktivität ist ein guter erster Indikator dafür, ob das Gegenüber als potentieller Partner in Frage kommt, da sie der einzige Indikator ist, der überhaupt in wenigen Minuten akkurat eingeschätzt werden kann. Je weniger Informationen also vorliegen, desto wichtiger ist die Attraktivität. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in Untersuchungen zum Speed-Dating erzielt. Das Lesen dieser Studie war allerdings auch für mich ein wenig desillusionierend: Die Lehre von der Wichtigkeit „innerer Werte“, nur ein Trostpflaster für uns Normalsterbliche, ohne Modellfigur oder Monsterbizeps?
Glücklicherweise ist die Realität nicht ganz so eindimensional wie die Wissenschaft. Zum Einen gewinnt der Faktor Persönlichkeit im Laufe der Kennenlernphase immer weiter an Bedeutung und ist, insbesondere bei der Entscheidung ob sich ein Partner als „Beziehungsmaterial“ eignet, der Wichtigste von allen. Zum Anderen, das darf man nie vergessen, gibt es natürlich auch interindividuelle Unterschiede. Die Gewichtung der einzelnen Kriterien ist individuell unterschiedlich, und unterscheidet sich beispielsweise auch zwischen den Geschlechtern (dazu später mehr). Und zu guter Letzt stellt sich natürlich noch die Frage: Warum ist Attraktivität überhaupt wichtig? Darauf haben Wissenschaftler eine beruhigende Erklärung: Überhaupt nicht. Attraktivität an sich ist nicht das erstrebte Ziel bei der Partnersuche, vielmehr geht es darum „Unattraktivität“ zu vermeiden. Im Laufe unserer Evolutionsgeschichte haben wir Mechanismen entwickelt um gesunde Partner zu erkennen, die unserer Fortpflanzung dienlich sind. Merkmale, die uns unattraktiv erscheinen, werden als Heuristiken verwendet um Krankheit und Unfruchtbarkeit zu erkennen und zu vermeiden. Tatsächlich werden beispielsweise symmetrische Gesichter und Körper als attraktiver wahrgenommen. Asymmetrie, auf der anderen Seite, tritt bei vielen Spezies zusammen mit einer niedrigeren Überlebensrate auf, und kann evolutionshistorisch als Hinweis auf ein schlechteres Immunsystem gedeutet werden. Es gilt also bei der Partnerwahl ein gewisses durchschnittliches Attraktivitätskriterium nicht zu unterschreiten. Wir Normalsterblichen brauchen uns also keine Sorgen zu machen.
Der kleine, aber feine Unterschied
Ob sozialisierungsbedingt oder angeboren, ob wir wollen oder nicht, es gibt da diesen kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Genauer gesagt gibt es wohl noch viel mehr Unterschiede, in diesem Artikel möchte ich mich aber auf nur einen beschränken: Männer achten mehr auf Attraktivität, während Frauen dem Status größere Bedeutung beimessen. Warum ist das so? Der Evolutionsbiologe Robert Trivers hat eine umfassende Theorie entwickelt, die nicht nur diesen, sondern auch weitere Unterschiede erklären kann. Seine sogenannte „Parental Investment Theory“ (zu Deutsch: elterliche Investitionstheorie) besagt, dass dasjenige Geschlecht, welches mehr in die Aufzucht des Nachwuchses investiert, wählerischer ist, während das Geschlecht, das weniger investiert, stärker um die Gunst des wählerischen Geschlechts konkurriert. Im Tierreich ist das gut zu beobachten – ich erinnere nochmal an den Pfau – doch auch im Reich der Menschen findet sich dafür einige Evidenz. Zwar sind bei der Aufzucht menschlichen Nachwuchses beide Geschlechter nahezu gleich beteiligt, dennoch gibt es zwei Aufgaben, die der Mutter allein obliegen: Das Austragen des Kindes in der Gebärmutter und das Stillen. Des Weiteren können Frauen nur ein Baby nach dem Anderen austragen, während Männer theoretisch befähigt sind mehrere Kinder am Tag zu zeugen. Die Frau hat demnach viel zu verlieren, wenn sich der Mann als unfähig erweist sie zu unterstützen. Ein hoher Status zeugt von der Fähigkeit die finanzielle Versorgung und soziale Einbettung des Kindes zu gewährleisten, weshalb ihm Frauen insgesamt eine höhere Bedeutung zumessen. Männer auf der anderen Seite sind versucht ihren Samen sinnvoll einzusetzen, und suchen deshalb eher nach einem Merkmal, das Fruchtbarkeit und Gesundheit signalisiert: Attraktivität. Dass Frauen generell wählerischer bei der Partnerwahl sind, konnte ebenfalls in der bereits erwähnten neuseeländischen Studie nachgewiesen werden: Die Frauen in der Studie bewerteten die Männer strenger und gaben höhere Minimum-Standards bei der Partnerwahl an. Außerdem neigten sie dazu das romantische Interesse des Partners zu unterschätzen, während die Männer das der Frauen eher überschätzten. Im Allgemeinen bestätigt sich also die Theorie, nach der Frauen, da sie mehr in den Nachwuchs investieren, vorsichtiger und misstrauischer bei der Partnersuche vorgehen.
Abschließende Bemerkungen
Vermutlich wird sich jetzt wieder der Eine oder Andere bestätigt, beziehungsweise empört fühlen, denn natürlich lässt sich die Partnerwahl nicht auf evolutionsbasierte Geschlechtsunterschiede reduzieren. Allen Männern, die meinen, die Frau an sich sei wählerisch und allen Frauen, die jetzt denken, es käme den Männern nur auf das Aussehen an, sei gesagt: Viel größer noch als die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind die interindividuellen Unterschiede. Es gibt Männer, die Attraktivität stärker und weniger stark gewichten, genauso wie es Frauen gibt, die mehr oder weniger wählerisch sind. Es lohnt sich also immer noch, und das ist der abschließende Praxistipp, den Menschen hinter dem potentiellen Partner kennenzulernen.
Tipp: Jeder Mensch ist ein potentieller Partner, aber auch jeder potentielle Partner ist ein Mensch. Es lohnt sich diesen kennen zu lernen!
Wie es dann weitergeht, wenn man einen passenden Partner gefunden hat erfahrt ihr in meinem nächsten Artikel: Liebe ist mein Forschungsgebiet, Liebling: Wissenswertes zum Thema Partnerschaft.
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