„Welcome to L.A.“, begrüßt mich der Busfahrer mit einem Zahnpastagrinsen und es dauert nicht lange, da sehe ich aus dem Fenster das „Hollywood Sign“. Doch ist in der Stadt der Engel, Los Angeles, wirklich alles so wie es scheint? Mein dortiger Aufenthalt ist ein Erlebnis der Gegensätze.
Wie überlebt man im Haifischbecken?
Kurz nach meiner Ankunft setze ich mich in ein Straßencafé in Hollywood und erlebe eine vollkommen andere Welt. Um mich herum tippen Menschen mit Bart und Sonnenbrille auf ihren Tastaturen, während sie an ihren veganen Latte Macchiatos nippen. Worte wie „script“, „casting“ und „role“ geistern durch den Raum. Hier sitzen die freischaffenden Künstler mit ihren Ideen und Träumen. Beim Hinausgehen sehe ich eine Postkarte mit Werbung für ein Buch: „Wie man im Haifischbecken Hollywood nicht untergeht“. Auch in meinem Hostel wohnen nicht nur Reisende: Einige Leute, die ich treffe, sind schon länger vor Ort und versuchen, in der Filmindustrie Fuß zu fassen.
An einem Nachmittag besuche ich die Bibliothek der „L.A. Writer’s Association“. Der kleine Raum ist gefüllt mit Drehbüchern von bekannten Serien, wie etwa „How I met your mother“, die die Mitglieder der Vereinigung geschrieben haben. Ich frage mich, wie viel Platz all die Skripte derjenigen Autoren einnehmen, die in LA nicht vom Schreiben leben können. Was macht den Unterschied: Talent, Kontakte, Glück, Zufall, Willkür?
Who is Who und ein Autogramm von Kate Winslet
Hollywood selbst wird hauptsächlich von Touristen und Obdachlosen bevölkert. Die Berühmtheiten sieht man vornehmlich auf dem Boden – Kolonnen von bekannten bis unbekannten Namen in den Sternen des Walk of Fame und die Fuß- und Handabdrücke vor dem Dolby Theatre. Es ist immer eine große Zeremonie , wenn ein neuer Stern vergeben wird. Ich habe Glück: Während meines sechstägigen Aufenthalts ist Kate Winslet an der Reihe. Es gibt einige Reden und ein langes Fotoshooting für alle Paparazzi, die ständig aus unterschiedlichen Richtungen: „Give me a smile Kate“ schreien. Zwischen den Stativen der Kameras und durch die Absperrung erhasche ich den ein oder anderen Blick. Als sich die Schauspielerin gerade zum Gehen wendet, wird das Geschrei nach Autogrammen lauter. Auch ich entziehe mich nicht dieser Hysterie und ergattere beim dritten Versuch eine Unterschrift der Titanik-Darstellerin.
Danach werden alle Berühmtheiten wieder in ihre Villen gefahren und die Touristen folgen Ihnen in knallbunten Bussen. Sightseeing hat hier wenig mit der Geschichte und den Besonderheiten der Stadt zu tun, sondern mehr mit der Frage „Wer sieht wen zuerst?“. An Bauwerken bestaunt man Clubs und Restaurants, in denen irgendein Star einen Skandal verursacht hat, sowie die Geschäfte auf dem Rodeo Drive. Letztere machen an diesem Standort ein Minusgeschäft. Dafür steigen aber die Verkaufszahlen in allen anderen amerikanischen Filialen einer Marke, wenn eine Berühmtheit in einer Boutique auf dieser Straße gesichtet wird.
Das scheinbar sorgenfreie Leben in den Luxusresidenzen, den Shoppingmalls und den Freizeitparks an den Stränden steht im harten Kontrast zu den offensichtlichen aber oft ignorierten Sorgen der Arbeitslosen und Straßenkünstler.
Es ist nicht alles grün was glänzt
Auf der Oberfläche herrscht also eitel Sonnenschein „because it never rains in Southern California“. In der Stadt, in der es wirklich fast niemals regnet, sehen die Rasen der Villen trotzdem aus wie nach einem englischen Frühlingsguss. Überall sonst ist ein wüstenartiger Staub mein Begleiter, vor allem auf meiner Wanderung zum berühmten Griffith Observatorium, von dem ich einen weiten Blick über die Stadt habe. Es liegt ein leichter Schleier zwischen den Wolkenkratzern, der kein feuchter Nebel sein kann: Los Angeles ist eine der am stärksten vom Smog betroffenen Städte in den USA.
Die Gesundheit und auch ein gewisses Umweltbewusstsein sind hier jedoch ein großes Thema. Statt mit Hamburger und Cola laufen die Menschen hier mit Salat und grünem Smoothie über die Straße. Es gibt regelrechte Hypes um angeblich ganz besonders gesunde Gemüsesorten.
Für den Verkauf von Plastiktüten brauchen Geschäfte eine spezielle Genehmigung. Neben den riesigen Öko-Vegan-Supermärkten und -Cafés gibt es jedoch keine Bushaltestellen oder Fahrradständer sondern gigantische Parkhäuser, in denen die spritsparenden Kleinwagen und Elektroautos klar in der Unterzahl sind.
Mit dem Auto steht man auch noch die meiste Zeit im Stau, wie ich auf meiner Fahrt aus der Stadt heraus und den Pacific Coast Highway entlang mit einer Amerikanerin erleben konnte. Los Angeles ist spannend, doch eine „Stadt der Engel“ ist es nicht.
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