Das Lernen ist deutlich einfacher, wenn man weiß, welcher Lerntyp man ist. Hier gibt es einige Tipps vom Lerncoach, wie ihr Euer Lernen ganz einfach effektiver machen könnt.
Leider wird häufig „Lernen lernen“ mit Methodenlernen gleichgesetzt, während in der Regel eine mangelhafte Selbstregulation das Hauptproblem ist. Das heißt: Selbst die besten Methoden um Vokabeln zu lernen bringen nichts, wenn der Schüler nicht einmal das Buch aufschlägt. In der Schule und in der akademischen Ausbildung geht es in erster Linie darum, sich Verständniswissen anzueignen. Viele Lernmethoden sind allerdings primär auf das Erlernen von Einprägungswissen ausgelegt. Verständniswissen ist dabei auf die Lösung von Transferaufgaben ausgelegt, Einprägungswissen ist starr und eher zur Reproduktion geeignet. Zunächst einmal kann man den optimalen Lernprozess in drei Phasen einteilen:
Vor dem Lernen: Fixieren der Lese- bzw. Lernabsichten, Auswahl der passenden Lernmethode, Selbstmotivierung, Bereitlegen der Materialien und Unterlagen, Abschirmung gegen Störungen. Während des Lernens: Anpassung der Lesegeschwindigkeit an die Forderungen, Fokussierung auf Lerninhalt. Nach dem Lernen: Selbstüberprüfung, Selbstbewertung, Selbstlob und Selbstbelohnung für Fortschritte, evtl. Entscheidungen für neue Zielsetzungen. Wie man sieht, beinhaltet das Lernen sehr viel mehr als nur die bloße Kenntnis von Lernmethoden, wichtiger ist die Selbstregulation und –reflexion. Das bedeutet, dass gutes Lernen nicht nur den Umgang mit dem Lernstoff beinhaltet, sondern auch den Umgang mit sich selbst.
Strategie schlägt Wissen
Das Auswahlkriterium für die passende Lernmethode kann nicht einzig am Lernenden selber festgemacht werden. Im Fokus muss der Lerninhalt stehen. So kommt man beim Einprägen von „sinnarmem bzw. deklarativem Wissen“ (Daten, Namen, grammatikalische Endungen) um das Wiederholen nicht herum. Hinzu kommen Eselsbrücken und andere mechanische, sogenannte mnemotechnischen Methoden. Für Verständniswissen sind kreative Elaborationsstrategien von zentraler Bedeutung, um den Lernstoff
mit Vorwissen zu verknüpfen. Zum Beispiel könnte man selber noch einen kleinen Text zum Thema verfassen, Analogien finden oder sich über Alltagsbeispiele Gedanken machen. Bei prozeduralem Wissen (z.B. Fahrradfahren, Tanzen, Schwimmen) gilt die alte Weisheit: Üben, üben, üben. Um zu verstehen, wie die Aneignung prozeduralen Wissens psychologisch funktioniert, ist das Modell der drei Bewusstseinsebenen von Thorsten Havener hilfreich.
Nach diesem Modell lässt sich der „Geist“ in drei Ebenen unterteilen: Bewusstsein, Unterbewusstsein und Unbewusstes. Das Bewusstsein ist die Grundlage dafür, dass du diesen Text lesen und verstehen kannst. Es ist zuständig für das Denken im eigentlichen Sinne, also logisches Denken, Analysieren und Probleme lösen. Unterhalb des Bewusstseins ist das Unterbewusstsein angesiedelt. Dort befinden sich alle Informationen, die nicht dem Bewusstsein zugeordnet werden. Neben Emotionen sind das auch verschiedenste Handlungen, die nicht mehr bewusst von uns durchgeführt werden müssen (z.B. Autofahren, Gehen, Fahrradfahren). Das bedeutet, dass Informationen nach einer Vielzahl von Wiederholungen das Bewusstsein passieren und schließlich nur noch unterbewusst vorliegen. So schreibe ich grade den Text auf meiner Tastatur in Windeseile, ohne hinschauen zu müssen, aber müsste ich den einzelnen Tasten Buchstaben zuordnen, würde ich wohl kläglich scheitern. Das Unbewusste wird auch „Verstand des Körpers“ genannt. Der Herzschlag, die Atmung, unsere glatte Muskulatur – und damit die auch die Verdauung – wie auch unser Immunsystem werden dadurch gesteuert.
Wiederholungsbedarf
Trainiert man eine Bewegung oft genug, dann sickert sie sogar bis ins Unbewusste hinein und wird somit zum Reflex. Das machen sich vor allem Sportler (z.B. Kampfkünstler) zunutze. Aber ganz egal was andere behaupten mögen, man sieht, dass kein gesunder Menschenverstand
ganz ohne Wiederholungen Einprägungswissen ins Langzeitgedächtnis abspeichern bzw. dem Unterbewusstsein oder sogar Unbewussten zugänglich machen kann. Ebenso kann selbst der schlechteste Autofahrer mit genügend Fahrstunden den Führerscheintest bestehen.
Allerdings kann bei einigen Tätigkeiten nach zu vielen Wiederholungen eine Sättigung auftreten, die einer Denk- bzw. Lernblockade gleichkommt. So ist es häufig nicht gerade förderlich, immer wieder in einer Endlosschleife das gleiche Stück auf einem Instrument zu üben, da man sich irgendwann nicht mehr verbessert, sondern nur noch schrittweise verschlechtert. Dabei spielt die Übermüdung neben der angesprochenen Sättigung eine vordergründige Rolle. Ein besonderer Aufgabentyp ist das Schreiben von Texten. Viele Schüler und Studenten haben vor allem beim Schreibprozess Probleme und quälen sich von einer Schreibblockade zur nächsten und selbst Redakteure sind davor nicht sicher. Schreibexperten empfehlen: Erst Ideen sammeln, dann Gedanken in rohen Sätzen niederschreiben, dann auf die gedankliche Entwicklung achten, dann den Schreibstil bewerten usw. – und dies alles, nach Art einer Spirale, wiederkehrend in mehreren Überarbeitungen.
Fröhliches Lernen überall
All diese Lernstrategien sind sehr universell und lassen sich bei der Aneignung auch großer Themenfelder anwenden. Zuletzt will ich noch auf die Stützstrategien eingehen. Sie betreffen nicht direkt die Prozesse im Kopf oder das eigentliche Lernen, sondern gehen mit dem Arbeitsverhalten und Arbeitsumfeld einher. Dazu zählen Methoden der Selbstmotivierung, sowie die gezielte Nutzung von Gesprächen und Lerngruppen, kurzfristige und langfristige Zeitplanung, ein gut organisierter Arbeitsplatz mit wenigen Ablenkungen, das Einplanen von Pausen, die Nutzung technischer Mittel, wie den Computer und dergleichen mehr. Grundsätzlich lernt und arbeitet das Gehirn viel leichter, wenn positive Gefühle mit im Spiel sind. So kann man die Telefonnummer der neuen Freundin schon nach wenigen Wiederholungen zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Man sollte dementsprechend beim Lernen immer auf eine angenehme Lernatmosphäre und positive Emotionen achten, denn gefühlsmäßig günstig belegtes Wissen wandert in den Hippocampus (zuständig für episodisches Gedächtnis, räumliche Vorstellung und Orientierung). Negativ belegtes dagegen wird im Mandelkern (limbisches System) verarbeitet und gespeichert. Damit wird der kreative Umgang mit dem Wissen unmöglich. Denn diese Hirnregion ist für schnelles eindimensionales Denken und Handeln zuständig (Angriff oder Fluch? Have Lunch or be lunch?). Außerdem wird jedes Mal, wenn wir die Information aufrufen, das negative Gefühl gleich mitaktiviert. Jetzt liegt es an euch, was ihr daraus macht. Habt Spaß am Lernen und beherzigt abschließend noch folgende drei Punkte: Trainiert die Strategien einzeln im aktuellen Kontext, in dem ihr sie braucht, anstatt sich gleich mit ganzen Strategieblöcken zu beschäftigen. Das Lernen sollte durch die Tipps nicht steif werden, sondern vor allem Spaß, Kreativität und Selbstreflexion mit sich bringen. Seid vom Nutzen des Lernens von Anfang an überzeugt und lasst die Motivation durch anfängliche Schwierigkeiten nicht gleich verfliegen!
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