Es ist dunkel im Kölner E-Werk in der Schanzenstraße. Ein erwartungsvolles Stimmgewirr zieht sich durch die ausverkaufte Halle. Applaus – Axel „Aki“ Bosse betritt die dunkle Bühne. Er wirkt unscheinbar, bodenständig – der Typ von nebenan eben. Als er den Abend mit „drei Millionen“ einläutet, scheint das längst vergessen: Ein Lied über Aufbruch und Loslassen – und auch Beginn einer musikalischen Reise mit Bosse quer durch seine musikalische Laufbahn. Nach „Die Nacht“ bringt Bosse die Halle mit „Istanbul“, das auf seine türkische Frau und seine Begegnung zu einer für ihn fremden Kultur anspielt, zum Beben. Dazu trägt auch das Arsenal an über dreißig Instrumenten und einer Vielzahl von Musikern bei, die dem Etikett ‚Akustik’ alle Ehre verleihen. Die Klänge akustischer Gitarren, Celli, Bratschen, Kontrabässen, einer türkischen Saz, Posaunen und einem Piano sind längst nur ein Teil des imposanten Aufgebots und schaffen es durch ein exzellentes Arrangement, selbst die Zuschauer auf den Sitzplätzen das ganze Konzert über immer wieder von den Rängen zu reißen.
Altes dominiert
Spätestens nach „Metropole“, „Die Regie“, „Wartesaal“ und „Yipie“ dürfte dann den Meisten aufgefallen sein, dass Bosse darauf verzichtet, vor allem seine aktuellen Stücke zu spielen, konzentriert er sich doch zunächst vor allem auf Titel seines vorletzten Albums „Wartesaal“. Mit „Februarsterne“ erinnert er sogar so manchen noch an sein zweites Album aus 2006. Gerade neuere Fans, die erst durch den großen Erfolg des aktuellen Albums „Kraniche“, ehemals Platz vier in den deutschen Charts, angelockt worden sind und in erster Linie eine Aufführung der Moderne erwartet haben, dürften überrascht gewesen sein. Sympathien verliert Bosse dadurch aber dennoch keineswegs. Er ist keiner, der nahtlos Stück an Stück setzt – vielmehr nimmt er den Zuschauer mit seinen Anekdoten hinter den Stücken mit, lässt ihn seine Musik verstehen, ohne ihn dabei zu nerven oder gar den Fluss des Konzerts aufzuhalten. Nach über einer Stunde verabschiedet er sich schließlich mit „Tanz mit mir“ in die Pause.
Ein Wechselbad der Gefühle
Auch nach der Pause begeistert er von neuem mit „Müßiggang“, während er durch den Seiteneingang quer durchs Publikum zurück auf die Bühne schlendert. Während der erste Teil des Abends vor allem durch ruhigere Lieder überzeugte, schaffte es der zweite nicht weniger durch eine kraftvolle Mischung aus Altem und Neuem, Ruhigen und Lautem, Alternativem und Hymnen. Nach dem rhythmusbetonten „So oder So“ und dem rockigen „Alter Strand“, mit denen er die Temperatur im ohnehin schon warmen E-Werk nochmals anhebt, jagt er dem Publikum mit „Sophie“ und „Familienfest“ eine Gänsehaut über den Rücken. Einer der charismatischen Höhepunkte des Konzerts sind hingegen „Wende der Zeit“ und „Vier Leben“, die durch ihr gewaltiges Temperament die Münder der Zuschauer offen stehen lassen, bevor Bosse dann zur wahren Hymne aus seinem Repertoire ansetzt: „Schönste Zeit“ war seit seinem Erscheinen von den Radiosendern hoch und runter gespielt worden – dem Song müde ist an diesem Abend trotzdem niemand, als das Publikum im melancholischen Choral einstimmt. Als er mit einer überdurchschnittlich schnellen Verabschiedung dann die Bühne verlässt, ist schnell klar, dass er unter lautem Applaus bald wieder auf die Bühne zurückkehren wird, um mit „Kraniche“ und „Nach Haus“ die Zugabe zu spielen. Und so endet es, wo es begonnen hat, das eigentlich klaviergetragene „Kraniche“ wird zunächst minimalistisch mit einer Geige umgesetzt, „Nach Haus“ gibt den melancholischen Rest, dessen letzte Töne schließlich im tosenden Applaus des Publikums untergehen.
Fazit: Leise Landung?
Bosse schafft es wie kein Zweiter, seine Zuschauer Achterbahn fahren zu lassen. Es ist eine Achterbahn der Gefühle – zwischen wohliger Wärme und den Gänsehautmomenten zeigt das Konzert vor allem eine Seele, die das Publikum trägt, es animiert, aufzustehen, mitzuklatschen, um es dann wieder mit einem ruhigen Stück fallen zu lassen. Eine solche Ambivalenz kann nur einem ganz großen Musiker und Entertainer gelingen – dass Bosse ein solch Großer ist, hat er an diesem Abend mehr als unter Beweis gestellt. Und man kauft sie ihm ab, seine Texte, die von großem Optimismus und der Sehnsucht handeln. So ist Bosses „Leise Landung“ gewiss eines der deutschsprachigen Konzerthighlights des Jahres. Aber leise? – Ganz gewiss nicht!
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