Auf den ersten Blick scheint Magdeburg eine ostdeutsche Stadt vergangener Zeiten zu sein. Plattenbauten reihen sich aneinander. Man könnte meinen, der Dom sei der einzige sehenswerte Schatz der Stadt. Doch erst bei genauerem Hinsehen entdeckt man die Schönheiten Magdeburgs: Den Elbauenpark, das Hundertwasserhaus und viele weitere Sehenswürdigkeiten zeichnen die Hauptstadt Sachsen-Anhalts aus.
Ein kleines Paradies inmitten der Großstadt: die Grüne Zitadelle
Schaut man sich die Stadt von oben an, so sticht wohl ein Gebäude ganz besonders heraus: die Grüne Zitadelle. Das Bauwerk des Künstlers Hundertwasser gleicht einer eigenen kleinen Stadt: Neben den 55 Wohnungen haben dort auch ein Kindergarten, ein Café, ein Friseur, eine Papeterie, ein Buchladen, ein Theater und vieles mehr Platz. Die rosafarbene Fassade soll sowohl bei Sonne als auch bei Regen und Mondschein leuchten. Die dichte Bepflanzung des Hauses tut ihr Übriges: 95 Prozent des Daches sind bepflanzt. Im Frühling und Sommer blühen hier Bäume, Pflanzen und Unkraut nebeneinander her – und im mittleren Bereich des Daches gibt es sogar einen Kinderspielplatz.
Doch nicht nur die Verbundenheit zur Natur zeichnet den Künstler aus, sondern auch sein Faible für Vielfalt. Keine Linie des Gebäudes ist gerade; keine Wohnung gleicht der anderen. Jede Säule, jeder Türknauf ist unterschiedlich gestaltet. Selbst die Treppen und Böden sind nicht ebenerdig. Sie sollen Waldwege nachahmen und den Menschen dazu auffordern, sich auf jeden seiner Schritte zu konzentrieren. Optisch gleicht die Zitadelle einem kleinen Schloss – Magdeburg ist Kaiserstadt – auf den Türmchen thronen goldene Kugeln. Sie sollen an das Paradies erinnern und sind den Türmen orthodoxer und islamischer Kirchen nachgeahmt. Ein Paradies mitten im Trubel der Großstadt.
Wissenschaft zum Anfassen: Ein Rundgang durch den Jahrtausendturm
Magdeburgs grüne Seite zeigt sich allerdings auch an anderen Stellen, so zum Beispiel im Elbauenpark. Neben einem Wildtierparkgehege, einer Sommerrodelbahn, einem Schmetterlingshaus und der Seebühne befindet sich hier auch der Jahrtausendturm. Das 20 Meter hohe Gebäude wird nicht umsonst „der schlauste Turm der Welt“ genannt. Sechs Etagen führen durch über 6.000 Jahre Wissenschafts- und Technikgeschichte. Der Besucher wird durch Erfindungen der Frühgeschichte und Antike, des Mittelalters und der (frühen) Neuzeit geführt.
Eindrücklich ist hier vor allem das Focaultsche Pendel, das den bekanntesten Beweis für die Drehung der Erde um ihre eigene Achse liefert. Durch eine altägyptische Grabkammer kann man den „Gang der Erleuchtung“ durchlaufen, so wie sich die alten Ägypter damals das Leben nach dem Tod vorgestellt haben. Ihre Hieroglyphen werden an einer weiteren Station als Stempel ausgestellt. Als Museumsbesucher kann man sich so einzelne Wörter oder auch den eigenen Namen in der Schrift der Hieroglyphen stempeln. Der Nachbau eines Tempels führt in die Zeit der griechischen Antike. Hier hat man nicht nur die Möglichkeit, den Satz des Pythagoras zu erproben, sondern es werden auch viele griechische Philosophen mit ihren gewonnenen Erkenntnissen an dieser Stelle vorgeführt. Ein nachgestelltes Wohnhaus lädt in das antike Rom ein. Wer die vielen Stufen bis zur sechsten Etage erklimmt, der kann den einmaligen Blick über ganz Magdeburg genießen.
Moderne Kunst und gregorianischer Gesang: Kloster Unser Lieben Frauen
Mein Rundgang führt weiter in das älteste Gebäude der Stadt. Wo einst die Mönche ihre Stundengebete feierten, präsentieren sich heute zahlreiche Werke der modernen Kunst den Museumsbesuchern. Von außen hat das Kloster „Unser Lieben Frauen“ nichts von seinem Charme verloren. Erbaut wurde es im 11. Jahrhundert und lässt sich damit in das Zeitalter der Romanik einordnen. Der Kreuzgang zeugt noch von dieser Zeit. Er hat eine rundliche Form und erinnert damit an ein Brunnenhaus. Ein Brunnen hat hier allerdings nie gestanden. Wichtig war der Ort aber trotzdem. Hier wurden den Mönchen nämlich ihre Tonsuren geschnitten. Dieses war ein feierlicher Akt, drückte er doch die vollkommene Hinwendung zu Gott sowie den Übergang der Mönche in den Klerus aus.
Nachdem die Augustiner-Chorherren hier ihr Zuhause gefunden hatten, funktionierte man das Kloster nach dem Dreißigjährigen Krieg als Schule um. Seit den Siebzigerjahren ist es ein Museum für moderne Kunst. Die Kellertreppe führt hinab in den historischen Saal. Ein mittelalterliches Gewölbe schmückt den Raum, in dem religiöse Relikte vergangener Zeiten ausgestellt sind,so beispielsweise Skulpturenköpfe der Apostel oder Gemälde, die die Kreuzigung Jesu zeigen. Das bunt gestaltete Foyer führt den Besucher zurück in die Neuzeit. Der Künstler Christoph Cuezin hat dem Museum seine Farben gegeben: In den Farben blau, grün und gelb erstrahlen die Wände. Hans Berger hat das Museum in den 60er-Jahren im Bauhaus-Stil entworfen. Allein hierbei handelt es sich um ein eigenes Kunstwerk.
Otto von Guericke: Namensgeber der Stadt Magdeburg
Er war nicht nur Erfinder der Magdeburger Halbkugeln, sondern er ist auch – neben Otto, dem Großen – Namensgeber der Stadt Magdeburg. Die Rede ist von Otto von Guericke. In der ehemaligen Lukas-Klause, die einst Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung war, wird seit über zwanzig Jahren das Leben und Werk des Physikers ausgestellt. 19 Stufen führen innerhalb der kleinen burgähnlichen Anlage in das 17. Jahrhundert: Hier wurde Guerickes Arbeitszimmer nachempfunden. Dunkle Möbel zieren das Büro. Mit den vielen Büchern erinnert es an eine kleine Bibliothek. Doch die zahlreichen Erfindungen, die er hier einst seinen Freunden vorführte, verweisen auf seine physikalischen Meisterwerke: eine Amiliarsphäre, mit deren Hilfe man die Sterne ablesen konnte; ein Teleskop, mit dem man schon zur damaligen Zeit die Möglichkeit hatte, bis zum Jupiter zu schauen oder auch die Handfeuerspritze.
Eine Etage darüber können seine Erfindungen ausprobiert werden. Zu den größten Schätzen seiner Meisterwerke gehören sicherlich: die Wasser-Luft-Pumpe, das Wettermännchen, das Barometer und das Magdeburger Thermometer. Die bis heute aber populärste Erfindung sind wohl die Magdeburger Halbkugeln. Noch nicht einmal 16 Pferde können die Kugel auseinanderreißen. Als allerdings Guericke selber den Hahn öffnet und Luft in den entleerten Hohlraum lässt, fallen die Kugeln von selbst auseinander. Die originalen Magdeburger Halbkugeln befinden sich heutzutage zwar in München und Braunschweig. Sie sind allerdings auch noch heute das Wahrzeichen Magdeburgs.
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