Nicht zuletzt durch das neue und umstrittene Leistungsrecht der schwarz-gelben Bundesregierung, das am 1. August in Kraft trat, zeigt sich die Brisanz medien- und kulturpolitischer Themen und Kontroversen. Im Folgenden soll anhand ihrer Wahlprogramme ein Panorama der Positionen und Ziele der Parteien hinsichtlich des Kultur- und Medienverständnisses im Allgemeinen, sowie des Urheberrechtes im Besonderen gezeichnet werden. Es zeigt sich, dass es trotz des oft unkonkreten und pathetischen Stils der Wahlprogramme gerade beim Urheberrecht um ganz konkrete Alltagsfragen für Medienkonsumenten und -produzenten geht: Wie frei und sorglos darf ich Medien nutzen oder wie geschützt und verwertbar sind meine medialen Schöpfungen?
CDU/CSU: Für einen starken Kulturerbe- und Urheberrechtsschutz
Die Unionsparteien verstehen Deutschland als Kulturnation, deren kulturelles Erbe bewahrt werden soll. In wohl keinem anderen Politikfeld profilieren sich CDU/CSU derart konservativ, wenn sie in jeweils eigenen Unterkapiteln für die Bewahrung und den Schutz der deutschen Sprache, des deutschen Bauerbes, der Druckerzeugnisse, des Buches, sowie des nationalen Filmerbes eintreten. Auch hinsichtlich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geht es den Christdemokraten und Christsozialen primär darum, die „Vielfalt der Kultur in den Ländern und Regionen unseres Landes“ zu vermitteln und beispielsweise mittels der Goethe-Institute für die deutsche Sprache zu werben.
Beim Thema Urheberrecht legen CDU/CSU den Schwerpunkt deutlich auf die Ansprüche des Urhebers, was sich auch darin zeigt, dass zuerst an das Verständnis der Nutzer für die Rechte der Urheber appelliert und erst später im Text die Notwendigkeit der Interessenabwägung zwischen Urhebern, Verwertern und Verbrauchern genannt wird. Die insgesamt konservative medienpolitische Ausrichtung wurde im Regierungsprogramm auch mit Offenheit für Neues verbunden, wofür exemplarisch ein den Computerspielen gewidmetes Unterkapitel steht.
SPD: Der Kulturschaffende im Mittelpunkt
Gleich zu Beginn betont sie es: „Die SPD ist die Partei der Arbeit – auch der künstlerischen und kreativen Arbeit“. Die Vorhaben zur Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen für Kulturschaffende werden daher zuerst programmatisch dargelegt und erst danach präsentieren die Sozialdemokraten ihr Kulturverständnis, welches eher knapp entfaltet und vor allem auf die Aspekte der Teilhabe und der kulturellen und weltanschaulichen Vielfalt des „Einwanderungslandes Deutschland” ausgerichtet ist.
Teilhabe ist auch ein medienpolitischer Leitwert der SPD, die den „Zugang zum Internet als demokratisches Bürgerrecht” fordert. Das Urheberrecht soll modernisiert werden, indem die Rechte der Urheber mit neuen digitalen Nutzungspraktiken in Einklang gebracht werden, wobei gleich zweimal vor einer Infragestellung der „unverbrüchlichen Verbindung zwischen Urheber und Werk” gewarnt wird und die SPD dadurch auch schwerpunktmäßig auf der Seite der Urheber zu stehen scheint. Dabei lehnt sie das schwarz-gelbe Leistungsrecht ab und fordert eine effizientere Gestaltung der „Verhandlungs- und Konfliktlösungsmechanismen” im Urhebervertragsrecht, sowie wirksame „Kontroll- und Sanktionsinstrumente” bei gleichzeitiger Wahrung der Informationsfreiheit.
FDP: Kultur für alle auch als Staatsziel ins Grundgesetz
Die Freidemokraten legen ebenfalls Wert auf kulturelle und mediale Teilhabe und fallen insbesondere durch ihre Forderung auf, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern zu wollen. Als es in Vergangenheit jeweils um die Verankerung der Staatsziele Umwelt- und Tierschutz ging, war die FDP immer dagegen. Der Bürger steht bei ihr „als Gestalter, Förderer und Empfänger von Kunst und Kultur” im Mittelpunkt, weshalb kulturelle Initiativen privater Vereinigungen und Unternehmen vorrangig genannt werden, ohne dass öffentliche Kulturförderung dabei abgelehnt wird.
Von der Union unterscheidet sich die FDP, indem sie, ähnlich wie die SPD, kulturelle Vielfalt und interkulturellen Austausch in den Vordergrund stellt und auffällig ist auch ihr Vorhaben, die Anzahl der öffentlich-rechtlichen Rundfunktanstalten deutlich reduzieren zu wollen. Von der SPD unterscheidet sie sich durch einen stärkeren Fokus auf Selbstständige und Unternehmen, die „einen besseren Zugang zu Fremdkapital” und Unterstützung bei der „Erschließung ausländischer Märkte” erhalten sollen. Die geforderte neue Verhältnisbestimmung zwischen Urheberrechtsschutz und freiem Informationszugang erscheint im Wahlprogramm der FDP als relativ ausgeglichen und wird kaum näher konkretisiert.
Grüne: Netzpolitik und Digitalisierung im Vordergrund
Ihr Kulturverständnis legen die Grünen in einem sehr umfangreichen Kapitel dar. Es geht ihnen ebenfalls vor allem um umfassende Teilhabe, eine vielfältige Kulturlandschaft, inklusive der Bewahrung des Kulturerbes. In der öffentlichen Kulturförderung wird die Beseitigung der finanziellen Kluft „zwischen den etablierten Häusern und der freien Szene” angezielt. Das medienpolitische Kapitel ihres Regierungsprogramms lassen die Grünen mit der Netzpolitik beginnen. Leitideen sind der Eintritt für mediale Teilhabe und Selbstbestimmung, die Nutzung der ökologischen Chancen des digitalen Wandels, etwa durch „vernetzte Mobilität oder Green IT” und die Forderung nach einem freien Netz durch gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Dies solle der Abwehr von Monopolisierungstendenzen des Internets, durch bestimmte Suchmaschinen und Soziale Netzwerke einerseits und staatliche Überwachungsmethoden andererseits, dienen.
Auch die Grünen wollen eine Änderung des Grundgesetzes, indem das Fernmeldegeheimnis in dessen Artikel zehn zu einem „umfassenden Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis” weiterentwickelt wird. Im Urheberrecht ist man als Grüner einerseits für eine Stärkung der „Verhandlungsposition von UrheberInnen” und deren angemessene Vergütung und andererseits für eine Urheberrechtsschranke für Remixe und Mashups und digitale Privatkopien. Das deutsche Mediensystem wollen die Grünen insofern verändern, als dass sie die Gründung einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder und mehr Staatsferne, Transparenz und Internetpräsenz bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordern.
Piraten: Radikale Netzpolitik und begrenzter Urheberrechtsschutz
Die Positionen der Piratenpartei sind ebenso wie jene der Grünen stark auf die Medien- und Netzpolitik ausgerichtet und lesen sich in weiten Teilen als Gegenentwurf zu den Prioritäten von CDU/CSU. Das Urheberrecht nimmt in der Reihenfolge der Themen den ersten Platz ein. Es sei nach Meinung der Piraten im Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern zu Lasten der Nutzer unausgeglichen. Um dieses Ungleichgewicht zu beheben, müsse das Urheberrecht dem digitalen Wandel angepasst, sowie Urheberrechtsschranken „deutlich ausgeweitet” und die Geltungsdauer von 70 auf höchstens zehn Jahre nach dem Tod des Urhebers abgesenkt werden.
Genau wie die Grünen fordern die Piraten eine Erleichterung von Privatkopien, sowie von Remixen und Mashups. „Kein Nutzer sollte sich nach dem legalen Erwerb eines Werkes Gedanken über das Urheberrecht machen müssen”, lautet der Spitzensatz der nutzerorientierten Position der Piraten. Die Urheber sollen widerum unter anderen durch Zweitverwertungsrechte und weniger Bevormundung durch das aktuelle Recht gestärkt werden. Am provokantesten wird wohl die Forderung nach Gemeinfreiheit aller Werke von Ämtern und Behörden sein, sodass diese vom Urheberrecht völlig ausgenommen werden, was dem Ziel eines transparenten Staates dienen solle. Ihr Kulturverständnis beschreiben die Piraten insgesamt als „polyzentrisch, vielfältig und interaktiv”, wobei der pluralistische Charakter der Kultur betont wird.
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