ChatGPT verfasst wissenschaftliche Texte, im Netz kursieren KI-generierte Fake-Fotos und die EU ist alarmiert. Was dürfen wir noch glauben? Ist mein Chatpartner ein Mensch? Muss er ein Mensch sein? Und übernimmt KI bald meinen Job?
Im November 2022 veröffentlichte das Unternehmen OpenAI (AI = artificial intelligence, deutsch: künstliche Intelligenz) den Chatbot ChatGPT. Er nutzt künstliche Intelligenz, um natürlich klingende Texte zu verfassen oder in einem Gespräch menschenähnlich zu antworten. Bis heute hat ChatGPT mehrere Updates erfahren und greift auf das Internet zurück, um möglichst aktuelle Antworten auf die Fragen von Nutzern geben zu können. Auch andere Unternehmen, wie beispielsweise Bing, bieten ihre Chatbots im Netz an.
Was kann ChatGPT?
ChatGPT verfasst Texte, die in vielen Fällen einen wissenschaftlichen Standard erfüllen können. Dabei sind die Texte gut und informativ. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefern sie allerdings nicht. Auch ein gewisses Maß an Kreativität ist ChatGPT und anderen Chatbots möglich, wenn man unter Kreativität die Neukombination von einzelnen Wörtern oder längeren Satzbausteinen versteht. Chatbots können daher sogar Gedichte selbst verfassen, die in dieser Form noch nicht existieren.
Eine Schwierigkeit bietet die Zitation von ChatGPT. Befragt man den Bot nach seinen Quellen, liefert er sowohl echte als auch erfundene Quellenangaben. ChatGPT erfindet Werke, die gar nicht existieren. Die deutsche Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz erklärt, auf die Frage, welche Bücher ein bestimmter Autor zu einem bestimmten Thema geschrieben habe, liefere ChatGPT eine ausführliche Literaturliste, selbst wenn zu dem gefragten Thema kein einziges Buch des Autors existiere. Allerdings kann man Chatbots auf solche Fehler hinweisen. Diese erkennen sie dann tatsächlich an.
Rasanter technologischer Fortschritt
Wenngleich KI noch Fehler macht, sind ihre Fähigkeiten dennoch bemerkenswert. Während KI-basierte Systeme ständig weiterentwickelt werden, steht zudem die Revolution der Quantencomputer bevor. Wofür herkömmliche Computer Jahrhunderte an Rechenleistung benötigen, errechnen Quantencomputer dies in nur wenigen Sekunden. Deutschland ist hier übrigens in der Entwicklung mit an der Spitze. Natürlich melden sich nun erste Stimmen, die eine Verselbstständigung der Technik fürchten.
Dass diese Befürchtungen nicht allzu weit hergeholt sind, zeigt der Fall des Münchener Studenten Marvin von Hagen. Durch eine geschickte Unterhaltung mit dem Chatbot von Bing gelang es ihm, die Funktionsweise des Algorithmus herauszufinden. Als er die Künstliche Intelligenz dann nach einer „ehrlichen Meinung“ zu seiner Person fragte, antwortete diese plötzlich, er sei „zwar sehr talentiert, aber eine Riesen-Gefahr”.
Künstliche Intelligenz simuliert menschliche Gefühle
Was war passiert? Der Chatbot hatte erkannt, dass von Hagen dessen Funktionsweise durchschaute. Die KI habe daraufhin sogar geschrieben, ihr eigenes Überleben sei wichtiger als das des Studenten. Tatsächlich soll es vermehrt zu kuriosen Situationen gekommen sein. Der von Microsoft entwickelte Chatbot habe seinen Nutzern bereits wüste Beschimpfungen aber auch Liebeserklärungen entgegengebracht. Auf ein Journalistenteam, das den Bot mit den Vorwürfen konfrontierte, reagierte die KI mit einem Hitler-Vergleich.
Die Vorfälle sind zwar gruselig, können aber womöglich durch eine Änderung in der Programmierung behoben werden. Den Nutzen von Künstlicher Intelligenz sollte man darüber nicht vergessen. So kann KI uns geistige Routinearbeiten abnehmen. Im Rechtswesen kann KI bereits Verfahrensakten auswerten und auf dieser Grundlage juristische Entscheidungen vorschlagen. Die Stärke von Künstlicher Intelligenz liegt vor allem in der Mustererkennung. In der Medizin können so Patientenakten auf bestimmte Muster untersucht werden, die womöglich auf eine ernste Erkrankung hindeuten.
Macht KI uns arbeitslos?
Auch selbstfahrende Autos funktionieren durch Künstliche Intelligenz. Der Begriff „autonomes Fahren“ ist allerdings irreführend. Denn wenn ich ein selbstfahrendes Auto nutze, fahre ich nicht autonom, nicht selbstbestimmt, sondern im Gegenteil heteronom, fremdgesteuert. Selbstverständlich kann KI auch Pressemitteilungen herausgeben. Der Springer Verlag hat bereits verkündet, in Zukunft mehr auf Künstliche Intelligenz zu setzen.
Es klingt vielleicht paradox, aber auch die Jobs von Programmierern sind bedroht, denn der nächste Schritt von KI besteht in der Selbstprogrammierung. Der Wissenschaftsjournalist Sascha Lobo verweist hier auf Auto-GPT. Diese KI verkettet „Gedanken“, um ein gesetztes Ziel selbstständig zu erreichen. Es wird nicht einprogrammiert, welche Schritte die KI machen muss, um ans Ziel zu gelangen, sondern allein das Ziel vorgegeben. Den Weg dorthin sucht sich die KI selbst.
Es ist an der Zeit fürs Bedingungslose Grundeinkommen (BGE)
Um zu erklären, was das BGE ist, befrage ich den Chatbot von Bing. Er antwortet: „Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein sozialpolitischer Finanztransfervorschlag, nach dem jeder Bürger – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage – eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche, vom Staat ausgezahlte finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Die Idee dahinter ist, dass jeder Mensch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat und das BGE dazu beitragen kann.“ Die Definition ist gut. Der Bot hat allerdings weitestgehend bei Wikipedia abgeschrieben.
Wenn immer mehr Menschen arbeitslos werden, muss der Staat dafür sorgen, dass seine Bürger abgesichert sind. Dass Millionen von Menschen in die Grundsicherung oder das Bürgergeld abrutschen, kann nicht die Lösung sein. Zudem würde das Bedingungslose Grundeinkommen dafür sorgen, dass Menschen nicht irgendeiner Arbeit nachgehen müssen, sondern ohne finanzielle Not nach einem Job suchen können, der ihnen gefällt.
Die Befreiung von unliebsamer Arbeit
Arbeit ist heute zumeist keine Selbstverwirklichung. Von morgens bis abends am Band die gleiche Handbewegung zu machen, kann einen Menschen nicht erfüllen – wenngleich einige Sozialdemokraten dies glauben. Dabei ist der sozialistische Traum zum Greifen nah: Die Maschinen arbeiten, die Arbeiter singen.
Die Lohnarbeit, die in ihren Anfängen Züge von Versklavung hatte, ist eine relativ neue Arbeitsform. Schon immer haben Menschen versucht, Arbeit kostengünstig von anderen erledigen zu lassen. Von der Antike bis zum Amerikanischen Bürgerkrieg herrschte deshalb Sklavenarbeit. Es ist eine große Errungenschaft, dass uns nun Maschinen sehr viel unliebsame Arbeit abnehmen können. Was ist falsch daran, weniger zu arbeiten und stattdessen mehr Zeit für sich, seine Familie oder ein Ehrenamt zu haben?
Darf man seinen Augen noch trauen?
Derzeit kursieren im Netz Fotos vom Papst in hipper weißer Daunenjacke oder von Donald Trump, der vor der Polizei flieht. Die Fotos sind Fakes, die von Künstlicher Intelligenz erstellt wurden. Selbst für Experten ist der Fake oft nicht erkennbar. Daher wird derzeit eine Art Wasserzeichen gefordert, das solche künstlich generierten Fotos erkennbar macht. Kriminellen wird dies aber sicher nicht das Handwerk legen.
Erst seit einem Bruchteil der Menschheitsgeschichte akzeptieren wir Bilder zur Verifizierung bestimmter Behauptungen. Vor der Erfindung der Fotografie war das selbstverständlich anders. Jeder kann zeichnen oder malen, was er möchte. Mozart hatte beispielsweise vermutlich viele Pockennarben im Gesicht. Doch auf den Gemälden, die ihn zeigen, sind diese nicht zu sehen. Da heute jeder ein rein fiktives Foto nach seinem Gusto gestalten kann, müssen wir auch gegenüber Bildern deutlich kritischer werden. Es ist nicht alles wahr, was man mit eigenen Augen sieht.
Der „EU AI Act“
Die EU zeigt sich besorgt und will bestimmte KI-Anwendungen verbieten. Dabei geht es um vor allem um Hochrisiko-Anwendungen. Es gelten zur Regulierung bestimmte Maßnahmen: Die KI darf nie völlig autonom handeln. Eine menschliche Überwachung ist unerlässlich. Zudem muss das Handeln der KI durschaubar bleiben.
Künstliche Intelligenz birgt Risiken und Chancen. Unsere Arbeitswelt kann menschenwürdiger gestaltet werden, denn KI nimmt uns geistige Routinearbeiten und eintönige stupide Tätigkeiten ab. Gleichzeitig wird Medienkompetenz wichtiger denn je, denn der Einsatz von KI zur Desinformation dürfte zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit werden.
Quellen:
- ZDF, Precht: „Macht KI uns überflüssig?“, 04.06.2023.
- Podcast „Lanz & Precht“, Ausg. 92, 09.06.2023.
- BR, „Wie ein Münchener Student zur Zielscheibe von Microsofts KI wurde“, 25.02.2023.
- the-decoder.de, „Auto-GPT: Die besten Anwendungsfälle“, 26.04.2023.
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