Bestimmt haben wir während unserer Schulzeit alle schon mindestens einmal von den Wahlrechtsgrundsätzen der Bundesrepublik Deutschland gehört, die in Art. 38 des Grundgesetzes festgelegt sind. Diese gelten jedoch unmittelbar für die Wahlen zum Bundestag. Gemäß Art. 28 GG gelten sie aber auch für die Wahlen in den Ländern, Kreisen und Gemeinden. Um bei einer Wahl den demokratischen Ansprüchen unseres Landes gerecht werden zu können, müssen die Wahlen den in den beiden Artikeln festgelegten Grundsätzen genügen. Sie müssen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein. Doch einer dieser Grundsätze scheint durch eine Änderung im Kommunalwahlgesetz von Rheinland-Pfalz nun besonders gefährdet: Die Freiheit der Wahl.
Schon im April 2013 wurde im Landtag von Rheinland-Pfalz auf den Vorschlag der Rot-Grünen-Landesregierung beschlossen, § 29 im Landesgesetz über die Wahlen zu den kommunalen Vertretungsorgangen zu ändern – gegen die Stimmen der Opposition. Folglich sollten die Stimmzettel nun den im Wortlaut abzudruckenden Text des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ enthalten. Des Weiteren sollte auch die Angabe des Geschlechteranteils in den jeweiligen Räten und das Geschlecht des Bewerbers abgedruckt werden. Damit verfolgte Rot-Grün das Ziel, den Frauenanteil von 16,8 Prozent in den Kommunalparlamenten zu steigern.
Die Freiheit der Wahl
Das demokratische Prinzip des Grundgesetzes sieht allerdings vor, dass freie Wahlen jeden auch nur mittelbaren Zwang oder Druck auf die Entscheidungsfreiheit des Wählers von außen ausschließen müssen. Somit würde man den Wähler beeinflussen, wenn zum Beispiel Wähler genötigt werden, ihr Kreuz an einer gewissen Stelle zu machen. So weit gehen die Regierungsfraktionen von Rheinland-Pfalz zwar nicht, aber immerhin sprechen sie bei ihrer Entscheidung von einer „appellativen Regelung.“ Aber selbst ein Appell kann als Aufforderung oder zumindest als Wunsch verstanden werden, um schließlich eben doch bewusst Einfluss nehmen zu wollen.
Schon früh sprach dazu die CDU als einzige Oppositionspartei in Rheinland-Pfalz ihre Bedenken aus. Bedenken, die wohl schließlich auch Rot-Grün zu schaffen machten. Denn durch einen bisher einmaligen Schritt, schrieb die Rot-Grüne-Landesregierung Rechtsgeschichte: Sie selbst war es, die ihr Gesetz dem Verfassungsgerichtshof (VGH) in Koblenz vorlegte, um es in einem Normkontrollverfahren prüfen zu lassen. Ein Schritt also, der in der Regel von demjenigen getätigt wird, der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes hat und zu Fall bringen möchte. Doch dafür hätten die Regierungsfraktionen ohne weiteres die Mehrheit, schließlich handelt es sich um ihr eigenes Gesetz. Dass man stattdessen sein eigenes Handeln durch den VGH bestätigt wissen möchte, ist untypisch und fragwürdig.
Eine verfassungswidrige Beeinflussung der Wahl
Vergangenen Freitag hat der VGH Koblenz in einem Eilverfahren entschieden und es kam, wie es kommen musste: Zu einer Niederlage von Rot-Grün. Auf den Stimmzetteln dürfen keine Angaben über den aktuellen Frauenanteil in den Kommunalparlamenten gemacht werden. Und auch der Zusatz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, darf nicht auf die Stimmzettel gedruckt werden, da auch dieser das Ziel verfolgte den Frauenanteil anzuheben und somit den Wähler zu lenken. Der geänderte § 29 im Landesgesetz darf also nicht vollzogen werden, weil er den Grundsatz der Freiheit der Wahl verletze.
Diese Entscheidung traf der VGH unter Vorbehalt, denn eine abschließende Prüfung im Hauptsacheverfahren steht noch aus. Schließlich drängte die Zeit, da die Stimmzettel nun noch gedruckt werden müssen, damit wie geplant am 25. Mai die Kommunalwahl auch in Rheinland-Pfalz stattfinden kann.
Die Volkssouveränität wäre gefährdet
Dass im Hauptsacheverfahren jedoch anders entschieden wird, ist wohl nicht denkbar. Denn wenn nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes eine Beeinflussung im Rahmen des Wahlkampfes unzulässig sein kann, dann muss dies besonders für den entscheidenden Moment der Stimmabgabe in der Wahlkabine gelten. Auch hier darf kein Druck ausgeübt werden. Daran hat sich wohl auch der VGH orientiert.
In Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ So steht es auch in der Landesverfassung, an der sich der Prüfungsmaßstab des VGH orientierte. Den Bürgerinnen und Bürgern muss also die Möglichkeit gegeben werden, ohne jedwede unzulässige Beeinflussung zu entscheiden, wem er seine Macht überträgt. Denn genau darauf beruht die deutsche Verfassung. Demzufolge drängt es sich nahezu auf, dass die von der Rot-Grün beschlossene Änderung verfassungswidrig ist. Besonders in solchen Fällen sollte also nicht noch die wertvolle Arbeitszeit des Verfassungsgerichtshofes in Anspruch genommen werden müssen. Ansonsten fehlt dem VGH wohlmöglich noch die Zeit, in angemessener Verfahrensdauer über die Verfassungsbeschwerden der einzelnen Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden.
Wäre ein Hinweis auf die Frauenquote nicht doch sinnvoll?
Nein. Wäre er nicht. Sicher: Mehr als nur 16,8 Prozent Frauen in den Kommunalparlamenten wären durchaus wünschenswert. Aber gehen wir – wie in diesem Fall wohl scheinbar auch die Landesregierung – nicht davon aus, dass wenn ein solcher Zusatz nötig wäre, Frauen immer noch nicht gleichberechtigt sind? Folglich wäre zu befürchten, dass Frauen ohne diesen Vermerk gar nicht erst gewählt würden. Dies kann dann aber auch als eine Beleidigung seitens der Landesregierung an jede kompetente Frau verstanden werden, die sich kommunalpolitisch engagiert.
Scheinbar traut man uns Bürgerinnen und Bürgern nicht zu, selbstständig zu entscheiden, an wen wir unsere Macht übertragen. Doch besonders bei einer Wahl sollte das Geschlecht zweitrangig sein, denn sollten wir nicht der Person unser Vertrauen schenken, deren politischen Ansätze wir als sinnvoll erachten? Egal ob weiblich oder männlich? Die Landesregierung scheint es jedoch zu befürworten, lieber den weiblichen Kandidatinnen ihre Stimme zu geben. Dabei vergisst sie, dass eine Frauenquote um jeden Preis auch wieder in Richtung Ungleichbehandlung führt. Nämlich in die, Männer zu benachteiligen. Etwas Positives hatte die ganze Debatte dann aber doch: Noch nie wurde im Vorfeld von Kommunalwahlen so viel über die Frauen auf den Wahllisten geredet, wie dieses Mal.
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