Rund 90 Prozent der Frauen in Deutschland sind mit ihrem Körper unzufrieden, zeigen Studien. Kaum verwunderlich, wenn man täglich überall mit Bildern von perfekten Körpern konfrontiert wird. Aber woher kommt eigentlich unsere genaue Vorstellung vom „perfektem Körper“?
Unser Körper stand wohl noch nie so sehr im Fokus wie jetzt. In Zeiten, in denen Selbstoptimierung ein ständiger Begleiter unseres Alltags ist, wird man in sämtlichen Medien täglich mit makellosen Körpern konfrontiert, noch dazu mit Mitteln und Wegen, wie der eigene Körper auch so makellos werden kann. Frauenzeitschriften wie die „Inside“ bilden prominente Frauen am Strand ab, mit abwertenden Bildunterschriften wie „Schenkel-Schande“ und „Wabbel-Wellen“. Werbung für zahlreiche Diät- und Sportprogramme und Anti-Cellulite Peelings suggeriert uns tagtäglich, dass wir schlanker, jünger, fitter aussehen sollten.
Es handelt es sich um immer dieselben Figurtypen, die uns als erstrebenswert angepriesen werden. Für ein Männerparfum wird ein junger, durchtrainierter Mann als Model ausgewählt, für Körperlotionen große, schlanke Frauen mit makellos straffer Haut. Auch in Film und Fernsehen sieht man meistens schlanke Frauen und durchtrainierte Männer, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Und wenn jemand diesem körperlichen Ideal nicht entspricht, dann nicht ohne dass dies explizit thematisiert und nicht selten ins Lächerliche gezogen wird.
Instagram erhöht den Druck
Vor allem online wird der Druck immer größer: In der App Instagram werden sogenannte „Influencer“, die vor allem Inhalte zu Fitness, Mode, Beauty und Lifestyle posten, wie Stars gefeiert. Mit Werbung für Schönheits- und Fitnessprodukte, möglichst perfekten Bildern und unzähligen Followern erzielen sie oft eine wahnsinnig hohe Reichweite. Aber nicht nur viele „größere“ Accounts vermitteln so ein verzerrtes Bild von der Realität. Die App bietet jedem User eine Plattform zur Selbstinszenierung und die Möglichkeit, sich so vorteilhaft wie möglich zu präsentieren.
Doch was macht es mit uns, wenn wir scheinbar überall die immer gleichen Körpertypen gezeigt bekommen? Wir fangen an, mit diesen Körpern bestimmte Dinge zu assoziieren. Dinge wie Schönheit, Fleiß, Erfolg und Gesundheit. Dadurch wird alles andere automatisch als anders, „abnormal“, und oft als negativ wahrgenommen. So entsteht unweigerlich eine ungesunde und scheinbar allgemein gültige Normierung von Körpertypen. Auf einmal scheint die Tatsache, ob eine junge Frau einen flachen Bauch oder eine sogenannte „thigh gap“ hat (die berühmte Lücke zwischen den Oberschenkeln) oder nicht, mehr über sie auszusagen als alles andere. Vielen fällt es zunehmend schwer, die Distanz zur fiktiven Schein-Welt zu wahren.
Körperformen werden zu Trends
Natürlich wandeln sich die Vorstellungen davon, was ‚schön‘ ist, immer mal wieder. Bestimmt wird dies aber trotzdem immer wieder von dem, was wir täglich sehen und durch die Medien reproduziert wird. Bestimmte Körpertypen werden in unserer modernen, digitalen Welt ständig zur Schau gestellt, während andere selten oder vorwiegend in einem negativen Licht gezeigt werden. Je öfter wir bestimmte Körpertypen sehen, desto „normaler“ erscheinen sie uns, desto mehr werden sie zur Norm. Letztendlich funktioniert es ähnlich wie bei Modetrends. Während vor ein paar Jahren noch ausschließlich eine durch und durch schlanke Figur wirklich als schön bei Frauen galt, streben in Zeiten von den Kardashians und Fitness-Wahn auf einmal viele junge Frauen nach einem großen Hintern und mehr Muskeln.
„Body Positivity“: Jeder darf sich schön fühlen
Mittlerweile hat sich dazu eine Gegenbewegung geformt, die sich an Frauen und Männer richtet. Die „Body Positivity“ -Bewegung, die vor allem auf Instagram stark vertreten ist, möchte sich dem einseitigen Körperkult entgegen stellen und ruft dazu auf, alle Körpertypen- und Formen zu zeigen und zu akzeptieren, wie sie sind. Anhänger dieser Bewegung mit den unterschiedlichsten Körpern zeigen sich dazu in sozialen Medien auf unbearbeiteten Fotos und Videos, ganz ohne schmeichelhaftes Posieren. Viele posten auch gestellte Vorher-Nachher-Fotos, die zeigen wie ein Körper innerhalb von Sekunden, allein durch eine andere Pose, komplett anders aussehen kann, und dass nicht alles was man online sieht „echt“ ist. Sie wollen damit dem perfektionistischen Schönheitstrend in den Medien entgegentreten.
Entspannterer Umgang mit dem Körper
Die Begriffe „Body Positivity“ und „Body-Shaming“ sind seit einiger Zeit in aller Munde. Langsam scheint die allgemeine Botschaft durchzudringen: Viele haben die Nase voll vom Schönheitsdiktat und dem ständigen Druck, „perfekt“ auszusehen. Schwierig ist jedoch, dass vor allem auf Instagram schnell der Eindruck entsteht, dass der Fokus noch immer eher auf dem Körper liegt, als auf dem Menschen hinter den Bildern.
Dadurch, dass viele ihre angeblichen Makel explizit als solche thematisieren und immer wieder herausstellen, dass sie „trotz dessen“ schön sein können, bekräftigen sie im Endeffekt ebenso die Einteilung von Körpern in „Norm“ und „anders“. Dass dies getan wird, um sich überhaupt erst Aufmerksamkeit zu verschaffen und das Auftreten jeglicher Art von Körpern in den Medien zu etwas Normalem und Alltäglichem zu machen, ist gerade in einer Foto-App verständlich und sicherlich auch notwendig. Auf lange Sicht wäre es jedoch angenehmer und vermutlich wirksamer, wenn in sozialen Medien mit dem Körper irgendwann auf eine selbstverständlichere Weise umgegangen würde. Wenn der Körper als solches generell nicht mehr so sehr in den Fokus gerückt und ständig thematisiert würde, sei es mit negativer oder positiver Konnotation. Dies könnte womöglich einen entspannteren Umgang mit dem Phänomen Körper an sich ermöglichen. Leider ist das jedoch leichter gesagt als getan, in Zeiten, in denen der Körper nach wie vor eine der wichtigsten Währungen zu sein scheint.
wunderhaft
Der Soziologe, Frederic Jameson, hat sich in einem bemerkenswerten Artikel mit dem Titel The “Deep State” Then and Now im Juli dieses Jahres, wenn auch etwas umfangreicher und weiterführender, auch mit diesem Umstand befasst.
Edward Curtin schreibt am Ende seines Essays:
Hier zur kompletten Übersetzung: http://wunderhaft.blogspot.com/2017/07/der-tiefe-staat-damals-und-heute.html