Vor einem Jahr explodierten 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut. Die Menschen im Libanon leiden bis heute unter der Zerstörung, aber auch unter Corona und einer starken Wirtschaftskrise. Das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt die Christen vor Ort. Ein Bericht von Benedikt Bögle.
Am 4. August vergangenen Jahres erschütterte eine gewaltige Explosion den Hafen und die ganze Stadt Beirut. 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat waren in Brand geraten und schließlich explodiert. Ganze Stadtviertel wurden durch die Explosion zerstört. Mehr als 200 Menschen starben. 6.500 Menschen wurden verletzt. Durch die Explosion barsten Fenster und Türen. Häuser stürzten ein, Menschen verloren ihr Zuhause. Die Explosion im August des vergangenen Jahres traf den Libanon in einer ohnehin schwierigen Situation: Auch ohne die großflächige Zerstörung ihrer Hauptstadt litten die Libanesen unter Covid-19 und einer wirtschaftlich angespannten Situation im Libanon.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unter Armutsgrenze
Direkt nach der Explosion hatten zahlreiche Hilfsprojekte die Menschen im Libanon unterstützt – unter ihnen auch das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“: Wenige Tage nach der Katastrophe standen Mittel für Lebensmittel bereit. Ein Jahr später leiden die Menschen noch immer. Das Gehalt vieler Menschen reicht zum Überleben nicht aus. Viele Libanesen sind bereits ausgewandert oder planen es zumindest. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt im Libanon unterhalb der Armutsgrenze.
Wirtschaftskrise beutelt Libanon
Schwester Eva Abou Nassar leitet die Schule „Collége de la Sainte Famille Francaise“, rund 20 Kilometer außerhalb von Beirut. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat die Schule rund 28 Lehrer verloren, die den Libanon verlassen wollten. Die Kaufkraft im Land ist dramatisch gesunken: „Während vor der Krise ein Anfangsgehalt von 1525 Millionen libanesischen Pfund ungefähr 1.000 Dollar entsprach, sind es nach dem Einbruch des libanesischen Pfunds heute noch 75 bis 80 US-Dollar“, berichtet Schwester Eva Abou Nassar. „Ein erfahrener Lehrer verdient das Doppelte, aber das ist viel zu wenig. Vor der Krise entsprach ein US-Dollar 1.500 Libanesischen Pfund, heute bekommt man dafür auf dem Schwarzmarkt 18.900 Pfund.“
Grundnahrungsmittel unbezahlbar
Damit geht eine allgemeine Teuerung einher. Selbst Grundnahrungsmittel, wie Kindermilch, sind unbezahlbar geworden. Wer für sein Auto ein Ersatzteil braucht, muss dafür zwei bis vier Monatsgehälter ausgeben. Viele Familien würden am frühen Morgen, in der Dunkelheit, in Mülltonnen nach Essen suchen, berichtet Schwester Eva Abou Nassar. Doch nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch ist die Lage mehr als angespannt: „Die Menschen sind es satt, dass das politische Establishment den Kuchen unter sich aufteilt und sich nicht um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmert“, meint der Anwalt Wajih Raad.
Doch es blüht auch Hoffnung in Beirut. Der Anwalt Wajih Raad etwa sagt: „Es wird einige Jahre dauern, aber wir werden es schaffen.“ So sieht es auch Pater Raymond Abdo. Er ist Provinzial der Unbeschuhten Karmeliten im Libanon. „Papst Franziskus gibt uns die Hoffnung, dass wir dieser Krise trotzen können. Er ruft die Weltkirche auf, uns nicht fallen zu lassen. Der Papst wird die Kirche im Libanon nicht aufgeben. Warum sollten wir uns vor anderen fürchten, wenn wir an Jesus Christus glauben?“
5,4 Millionen Euro für Libanon
Auch das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ hat den Libanon nicht aufgegeben. Rund 2,7 Millionen Euro hat das Hilfswerk im vergangenen Jahr für den Wiederaufbau ausgegeben. Damit konnten zerstörte kirchliche Gebäude repariert werden. Mehr als 2,2 Millionen Euro gingen an die Nothilfe im Libanon – für die Beschaffung von Lebensmitteln und den Lebensunterhalt von Ordensleuten. Insgesamt hat „Kirche in Not“ damit rund 5,4 Millionen Euro in den Libanon investiert.
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