Früher bekämpft, heute erblüht: Die katholische Kirche in Korea ist einzigartig in ihrer Entstehung, schattenreich in ihrer Geschichte und heute kraftvoll in ihrer Eigenschaft als wichtige geistig-moralische Institution in der hochmodernen südkoreanischen Konsum- und Leistungsgesellschaft.
Es ist eine Oase der Ruhe und des Gebets im Herzen einer pulsierenden Megametropole: Mitten in einem quirligen Einkaufs- und Streetfood-Viertel in der koreanischen Hauptstadt Seoul ragt, auf einem Hügel gelegen, der Kirchturm der Myeongdong Kirche aus dem Hochhäusermeer. Sie ist die Kathedrale des Erzbistums Seoul, erbaut im 19. Jahrhundert in neugotischem Stil. 11 Prozent der Südkoreaner sind Katholiken, die heute ihren Glauben frei leben können. Das war nicht immer der Fall.
Die ersten Märtyrer Koreas
Szenenwechsel: Im Südwesten, nahe des Hanflusses, befindet sich Jeoldusan, das Nationalheiligtum der koreanischen Märtyrer. Diese Wallfahrts- und Gedenkstätte erinnert an die Massaker während der Christenverfolgung unter der Regenschaft des Prinzen Daewongun in den 1860er und -70er Jahren. Hunderte Christen wurden damals auf dem Berg, auf dem heute das Heiligtum steht, massakriert und in den Fluss geworfen. Im dortigen Museum lässt sich die Geschichte des Katholizismus in Korea detailliert nachverfolgen.
Eine Besonderheit ist, dass die katholische Kirche nicht durch Missionierung von außen in Korea Fuß gefasst hat, sondern von Einheimischen ihren Ausgang nahm, und zwar von konfuzianischen Gelehrten, die in den 177ern von Jesuiten nach Korea mitgebrachte katholische Schriften aus China studierten, und sich aus Überzeugung den christlichen Glauben aneigneten.
Insbesondere wegen ihrer Ablehnung der Ahnenverehrung sowie aufgrund ihrer Distanz zur streng hierarchischen konfuzianischen Gesellschaftsordnung, auf der die damalige Kaiserdynastie beruhte, begannen jedoch ab 1786 mehr als 100 Jahre der brutalen Verfolgung der Kirche Koreas. Viele der damaligen zahlreichen Opfer wurden inzwischen als Märtyrer heiliggesprochen.
Nach dieser langen Periode der Verfolgung kam es unter der japanischen Besatzung in den 1920er Jahren erneut zu Gewalt gegen Christen. Heute herrscht in Südkorea, in krassem Gegensatz zum totalitären, entchristlichen Nordkorea, Gott sei Dank Religionsfreiheit. Die katholische Kirche genießt hohes Ansehen in der Gesellschaft und ist ein wichtiger Pfeiler des südkoreanischen Sozialsystems.
Kirche schafft Heimat in Korea
Wie überall in der katholischen Weltkirche fühlt man sich auch in der Myeongdong Kathedrale geistig beheimatet, wenn man die Heilige Messe in einer ganz fremden Sprache mitfeiert, doch durch die Vertrautheit mit dem Ritus der Liturgie weiß, worum es gerade jeweils geht. Der Katholizismus blüht in Korea: Staunenswert ist etwa, wie viele koreanische Katholiken hier sonntags in die Kirche strömen, sodass sich vor den Kirchentoren lange, aber wohlgeordnete Schlangen bilden.
Vermissen wird man hingegen Kniebänke – in Korea ist die Verbeugung nicht nur im höflichen Umgang miteinander, sondern auch als Verehrungsgeste gegenüber Gott und dem eucharistischen Christus geläufiger. Während hierzulande die Handhabung inzwischen wesentlich lockerer geworden ist, findet man in der Kathedrale außerdem coronabedingt noch immer keine gefüllten Weihwasserbecken und erblickt Ambo und Altar hinter einer schützenden Glasscheibe. Hier zeigt sich die koreanische Kultur der Vorsicht und der Rücksicht.
Der Papst blickt zuversichtlich auf Koreas Katholizismus
Papst Franziskus baut auf die geistig-moralische Kraft der Kirche für die Zukunft Südkoreas: Bei seiner ersten Asienreise im Jahr 2014 hat er in der Heiligen Messe an Maria Himmelfahrt die koreanischen Christen dazu aufgerufen, dem in der hochentwickelten, aber auch stark durch Leistung und Konsum geprägten Gesellschaft grassierenden Materialismus abzuschwören: „Mögen die Christen dieser Nation eine großherzige Kraft für die geistige Erneuerung in allen Gesellschaftsschichten sein. Mögen sie die Verlockung eines Materialismus, der echte geistige und kulturelle Werte erstickt, und den Geist des uneingeschränkten Wettbewerbs, der Egoismus und Unfrieden erzeugt, bekämpfen.“ Die katholische Kirche Koreas ist jedenfalls offensichtlich anziehend und selbstbewusst genug, um aufzuzeigen, dass der Mensch weit mehr ist und braucht als diese Welt hergibt.
AB
Vielen Dank für den tollen Artikel!
Mich- selbst als Koreaner, und auch Katholiken hat dieser Artikel gut getan.
VG!