Karneval gibt es nur im Rheinland? Weit gefehlt! In Norddeutschland feiern die Ostfriesen Karneval im Watt – und mehrere tausend Besucher kommen jedes Jahr, um mitzufeiern.
Für den Karneval verwöhnten Rheinländer kann es nur eine Art von Karneval geben: den Straßenkarneval. Bunt kostümiert steht man Anfang des Jahres mit einem Kölsch in der Hand am Straßenrand und grölt den vorbeiziehenden Gruppen ein lautes „Kamelle“ entgegen. Ist man laut genug, kann man allerhand Süßes von der Straße aufsammeln. Doch nicht nur wir Rheinländer feiern Karneval. Der Karneval in Rio und Venedig ist genauso berühmt, wie der unsrige. Alle haben ihre Gemeinsamkeiten: Die Menschen kostümieren sich, es wird musiziert und man feiert in den Straßen. Aber es gibt auch noch eine ganz andere, sehr besondere Art Karneval zu feiern, die sogar noch mehr Spaß macht, wenn man direkt beteiligt ist.
Kamelle und Kölsch werden gegen Schlick und Prielwasser getauscht
Weit oben im Norden Deutschlands, im beschaulichen Ostfriesland, ruft jedes Jahr die Touristik GmbH Krummhörn-Greetsiel zum Karneval im Watt auf. Schauplatz des „närrischen“ Treibens ist der Uplewarder Trockenstrand, rund 20 Kilometer nordwestlich von Emden. Dort, am Rande des Weltnaturerbes Wattenmeer, finden im Schlick die närrischen Wattspiele statt. Am 21. Juli geht´s wieder rund im Watt. Dann rufen die Nordlichter zu der 29. Schlickrennen-„Wältmeisterschaft“, wie der Karneval im Watt auch genannt wird. Erstmals gibt es in diesem Jahr auch einen eigenen „wältexklusiven“-Fanshop, indem man alles findet, was das Fan-Herz begehrt. Im letzten Jahr meldeten sich rund 14 Mannschaften aus ganz Deutschland für das verrückte Spektakel an.
Im Gegensatz zum rheinischen Karneval ist die ostfriesische Version ein echter Wettkampf. Kamelle und Kölsch werden an der Nordseeküste gegen Schlick und Prielwasser getauscht. In kuriosen Disziplinen messen sich die Mannschaften, die bunt kostümiert gegeneinander antreten. Kommt man vom rheinischen Straßenkarneval normalerweise in sauberen Kostümen wieder zurück nach Hause, so ist dies beim Watt-Karneval nicht der Fall. Es geht beim Wettbewerb nicht nur darum, schnellste Mannschaft zu sein, sondern auch besonders darum ganz viel Spaß zu haben und bereit zu sein, sich mit dem gesunden Nordseeschlick dreckig zu machen. Die Teilnehmer des Rennens kann man schon nach dem ersten Durchlauf kaum wieder erkennen – von oben bis unten sind sie eingesaut mit Nordseeschlick.
Schlickschlittenrennen erinnert an eine alte Tradition
Am 21. Juli werden neben dem traditionellen Schlickschlittenrennen ein Aal-Sprint-Staffellauf und Wattfußball auf dem Programm stehen. Schnell, spannend, brutal und ziemlich schmutzig ist der „Wattfußball“. Den Ball bei den örtlichen Verhältnissen unter Kontrolle zu halten, geschweige denn, überhaupt zu sehen, verlangt einiges von den Sportlern ab. Als wären die Disziplinen und deren Austragungsort nicht schon kurios genug, sind es die Kostüme der „Wattlethen“ erst recht. Roboter, halbnackte Männer in Borat-Badehosen mit aufgemalten Clownsgesichtern, sowie mehrere „Bob der Baumeister“ standen beispielsweise im letzten Jahr im schlammigen Watt und warteten sehnsüchtig auf das Startkommando: „Ab ins Watt!“.
Die erste Disziplin ist sogleich die Hauptdisziplin des ostfriesischen Karnevals: das Schlickschlittenrennen. Bei allem Spaß steckt hinter der Veranstaltung ein ernster Hintergrund. Die Schlickschlittenmeisterschaft soll nämlich an eine alte ostfriesische Tradition von Fischern erinnern, die damals auf Schlickschlitten zu ihren Stellnetzen ins Watt fuhren, um die Fang-Reusen mit dem frisch gefangenen Fisch zu leeren. Heutzutage sind die hölzernen Schlitten überflüssig geworden. Zudem kommen alle Erlöse des Veranstaltungstages der Niedersächsischen Krebsgesellschaft zugute. Das Schlickschlittenrennen selber ist in drei Unterdisziplinen unterteilt: Sprint, Reusenlauf und Staffellauf. Letztere ist dabei am Spannendsten.
Drei Teammitglieder einer Mannschaft müssen insgesamt 450 Meter mit dem Schlitten zurücklegen. Bei der 75 Meter-Marke der Strecke wird gewendet und das „Sportgerät“ dem Teamkollegen übergeben. In der Theorie klingt es einfach, doch in der Praxis offenbart es sich anders. Im Schlick das Gleichgewicht zu finden und es zu halten, ist gar nicht so einfach. Einige schaffen es, andere schaffen es nicht, natürlich sehr zur Freude des Publikums. Viele Athleten versuchen mit kleinen Tricks besonders schnell ans Ziel zu kommen, allerdings machen die Regularien dem ein oder anderen „Wattlethen“ einen Strich durch die Rechnung. Die Rennleitung achtet penibel darauf, dass der Schlitten gefahren und nicht geschoben wird, außerdem muss immer ein Knie auf dem Schlitten sein, vergleichbar mit dem Bobby-Car-Fahren.
Partystimmung direkt am Watt
Auch in diesem Jahr erwarten die Veranstalter wieder tausende Zuschauer auf den Deichen und eine grandiose Stimmung. Kaum hatte im letzten Jahr das Rennen begonnen, verloren die Roboter schon ihre ersten Kostümteile, den Borats wurde das Clownsgesicht mit Schlick „abgewaschen“ – die Kostüme lösten sich langsam aber sicher in ihre Einzelteile auf. Den rund 3.000 Zuschauern aus ganz Deutschland gefiel es. Sie lachten, machten Fotos und wippten zur Musik eines DJs mit. Richtige Partystimmung direkt am Watt! Nach spannenden Wettkämpfen gewann im letzten Jahr der örtliche Bürgermeister mit seinem Team aus dem Rathaus. Als Sieger muss er zusammen mit seiner Mannschaft Ende Juli in Brunsbüttel bei der „Wattolümpiade“ antreten.
Auswärtige Teams sind beim ostfriesischen Karneval meist chancenlos. Aus ganz Deutschland, sowie den benachbarten Niederlanden reisen jedes Jahr Mannschaften an. Die, die die Nordsee nicht direkt vor der Türe haben, können natürlich nicht unter optimalen Bedingungen trainieren. Vor zwei Jahren nahm ein Bonner Team an dem Karneval im Watt teil, machten aber ihrem Namen „Rennschnecken“ alle Ehre – sie wurden Letzte. Watt‘n Spaß für Wattlethen und Zuschauer! Die Stimmung ist mindestens genauso ausgelassen und fröhlich, wie beim „echten“ Karneval im Rheinland.
Schreibe einen Kommentar