Als Stürmer überzeugte er in den Topligen Europas, als Trainer bescherte er Deutschland das Sommermärchen 2006. Nun rückt er in den Aufsichtsrat von Hertha BSC. Jürgen Klinsmann meldet sich zurück im deutschen Profißußball.
1964 in Göppingen geboren, fing Klinsmann mit acht Jahren beim TB Gingen mit dem Fußball an. Kurze Zeit darauf erzielte er in einem Spiel mal 16 Tore, doch die weitere Karriere im Fußball bedeutete keine Selbstverständlichkeit: Zwar unterschrieb er mit 16 Jahren einen Vertrag bei den Stuttgarter Kickers mit der Option aufs Profitum zwei Jahre später, doch zunächst hatten seine Eltern einen anderen Plan. Oder besser: einen Plan B.
Nachdem sein Vater kurz zuvor eine Bäckerei in Stuttgart gekauft hatte, sah es der Plan seiner Eltern vor, dass Klinsmann dort erst einmal eine Ausbildung absolviert. 1982 erhielt er schließlich seinen Gesellenbrief, absolvierte anschließend noch seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr und konnte dann mit voller Energie seine Karriere im Profisport verfolgen. Ab der Saison 1982/1983 gehörte Klinsmann zum festen Kader der Profimannschaft der Stuttgarter Kickers in der zweiten Liga, bereits eine Spielzeit später erzielte er 19 Tore. Klinsmann überzeugte besonders durch seine Schnelligkeit und nahm sogar Extratraining unter Horst Allmann wahr, der damals als einer der besten Sprinttrainer Deutschlands galt. Und das mit Erfolg: Er konnte seinen Bestwert über 100 Meter von 11,7 auf 11,0 Sekunden verbessern.
Darauf wurde auch der VfB Stuttgart aufmerksam, der Klinsmann 1984 schließlich verpflichtete. Er fügte sich nahtlos ein und wurde direkt in seiner ersten Saison mit 15 Toren zweitbester Torschütze seiner Mannschaft. Für die Mannschaft verlief die Saison jedoch enttäuschend: Nachdem der VfB im Vorjahr noch Deutscher Meister geworden war, beendete er die Spielzeit 1984/1985 nur als Zehnter. Auch die weitere Zeit in Stuttgart sollte am Ende nicht mit einem Titel gekrönt werden: Zwar erreichte Klinsmann in sechs Jahren beim VfB zwei Finals, doch beide wurden verloren. 1985/1986 setzte es im Finale des DFB-Pokals ein deutliches 2:5 gegen den FC Bayern München, drei Jahre später unterlagen die Stuttgarter im Finale des UEFA-Cups dem SSC Neapel. Klinsmann schoss jedoch weiterhin munter seine Tore: In der Saison 1987/1988 wurde er mit 19 Treffern Torschützenkönig der Bundesliga, am Ende seiner Stuttgarter Zeit kam er auf 79 Tore in 156 Pflichtspielen.
Weltmeister in der neuen Heimat
Er empfahl sich damit für höhere Sphären und fand schließlich im Ausland Stück Heimat: Damals galt die italienische Serie A als beste Liga der Welt, und so wechselte Klinsmann schließlich 1989 zu Inter Mailand, das zu diesem Zeitpunkt mit Lothar Matthäus und Andreas Brehme bereits zwei weitere Deutsche im Kader hatte. In Mailand traf Klinsmann auf den Defensivkünstler Giovanni Trapattoni, und dennoch erzielte er in seiner Premierensaison immerhin 13 Tore. Auch abseits des Rasens kam Klinsmann gut zurecht: Relativ schnell lernte er Italienisch und kam auch so auch beim Publikum gut an. Und es war auch Italien, wo Klinsmann seine Profilaufbahn veredelte: Bei der Weltmeisterschaft 1990 kämpfte sich Klinsmann mit Deutschland ins Finale in Rom vor und schlug dort schließlich Argentinien mit 1:0. Das Tor erzielte sein Teamkollege Andreas Brehme, der kurz vor Schluss per Elfmeter traf. Klinsmanns Trophäenschrank war um die bedeutendste Errungenschaft des Weltfußballs angereichert, und da die Vitrine schon mal offen war, füllte er sie weiter an: Im folgenden Jahr gewann Klinsmann mit Inter Mailand gegen den AS Rom den UEFA-Cup. Sein Vertrag wurde bis 1994 verlängert, doch die nahe Zukunft verlief nicht so wie erhofft:
Nach einem enttäuschenden achten Platz in der Saison 1991/1992 war die Mannschaft zerstritten, dazu verlor Klinsmann seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft. Dort kämpfte er sich jedoch zurück und erreichte mit Deutschland sogar das Finale der Europameisterschaft 1992 in Schweden, musste sich am Ende jedoch überraschend mit 0:2 gegen Dänemark geschlagen geben. Jene Dänen, die sich sportlich eigentlich nicht einmal für die EM qualifiziert hatten, dann aber doch noch nachrückten, weil Jugoslawien nach UN-Sanktionen vom Turnier ausgeschlossen wurde, kamen teilweise aus dem Urlaub zur EM und begeisterten dann mit ihrer Lockerheit die Massen, bevor sie sich den Titel holten. „Jungs, geht raus und blamiert euch nicht. Macht euch stolz. Das reicht mir vollkommen“, hatte Trainer Richard Møller Nielsen seinen Spielern vor dem ersten Spiel gegen England mit auf den Weg gegeben, wie er später verriet, und auch Mittelfeldspieler John Jensen hatte ähnliche Erwartungen gehabt: „Die Stimmung war so, dass wir rüber nach Schweden fahren, drei Spiele machen und dabei unser Bestes versuchen wollten“, erinnerte er sich gegenüber Spiegel Online. Die Niederlage gegen diese Dänen durfte Klinsmann also schon als kleinen Dämpfer hinnehmen, und auch die Zeit bei Inter Mailand war vorbei:
Nach dem Turnier wechselte er zum AS Monaco, wo er immerhin drei Jahre blieb. In der ersten Saison erreichte Monaco direkt den zweiten Platz in der französischen Ligue 1 und durfte im folgenden Jahr sogar an der Champions League teilnehmen, nachdem Olympique Marseille der Meistertitel wegen eines Bestechungsskandals aberkannt worden war. Und Klinsmann tauschte die Rollen: Nachdem er im EM-Finale noch mit dem Favoriten Deutschland gegen den Außenseiter Dänemark gescheitert war, erreichte er mit dem AS das Halbfinale der Champions League, wo aber gegen späteren Sieger AC Mailand die Erfolgsgeschichte ein Ende fand. Ähnliches galt für Klinsmann Zeit in Frankreich, wo er zunehmend die Einstellung seiner Mitspieler kritisierte und schließlich die nächste Station im Ausland anpeilte.
Vom Schwalbenkönig zum Publikumsliebling
Er wählte den harten Weg und ging 1994 zu Tottenham Hotspur. In englischen Medien hatte er den Ruf des Diver, also des Schwalbenkönigs, und musste sich zunächst der Missgunst der Fans entgegensetzen. Doch Klinsmann wusste damit umzugehen: Bereits in seinem ersten Spiel gegen Sheffield Wednesday traf er und feierte angemessen: Mit einem Diver. Seine Popularität in England wuchs rasant, sodass er bereits 1995 zu Englands Fußballer des Jahres gewählt wurde. Bei Tottenham rangiert er heute offiziell als Legende, und doch wechselte Klinsmann schon zur Saison 1995/1996 zurück nach Deutschland. Er landete beim FC Bayern, wo er zwei Spielzeiten bleiben sollte und an seine Torquote der Vorjahre anknüpfen konnte. 1996 gewann er den UEFA-Cup und stellte einen Rekord auf, der erst 15 Jahre später gebrochen werden sollte: Seine 15 Tore in zwölf Spielen des UEFA-Cups schlug erst 2011 der Kolumbianer Falcao in Diensten von Atlético Madrid. Und auch in München bekam er schnell einen unverhofften Spitznamen: Weil ihm bei der Ballannahme hin und wieder der Ball versprang, galt er als Flipper.
Die unrühmlichste Szene ereignete sich jedoch im Mai 1997, als er im Spiel gegen den SC Freiburg beim Stand von 0:0 nach 80 Minuten ausgewechselt wurden und seinem Trainer Giovanni Trapattoni auf Italienisch zurief, dieser möge doch seinen Stuhlgang verrichten, während er aufgewühlt in eine Werbetonne trat. Im Sommer 1997 wechselte er schließlich zu Sampdoria Genua, ging aber schon im Winter zurück zu Tottenham und beendete dort 1998 seine Karriere.
Neue Aufgabe beim „spannendsten Projekt Europas“
Nach seiner aktiven Laufbahn zog Klinsmann mit seiner Familie in die USA und gab dort unter dem Pseudonym Jay Göppingen im Jahr 2003 für einige Spiele sein Comeback beim Viertligisten Orange County Blue Star, bevor er 2004 zum Bundesklinsi wurde und 2006 als Trainer der deutschen Nationalmannschaft Platz drei bei der WM im eigenen Land holte. Nach dem Turnier fühlte er sich jedoch ausgebrannt und trat zurück, bevor er 2008 Trainer des FC Bayern wurde. Schon im April 2009 wurde er jedoch entlassen und durch Jupp Heynckes ersetzt.
Es folgten Stationen als sportlicher Berater des FC Toronto sowie Nationaltrainer der USA, bevor es längere Zeit still um Klinsmann wurde. Das hat sich nun jedoch geändert: Seit November 2019 ist er Mitglied des Aufsichtsrats von Hertha BSC und engagiert sich damit in jenem Klub, in dem sein Sohn Jonathan bis zum Sommer 2019 noch als Torwart im Kader gestanden hatte. „Ich freue mich, ab sofort Teil des spannendsten Fußballprojekts in Europa zu sein“, kommentierte er sein Engagement, das durch den Investor Lars Windhorst eingefädelt wurde. Dieser erwarb 49,9 Prozent der Aktien an der Prof-Abteilung des Klubs und erwarb somit vier der neun Aufsichtsratsplätze, die er nun unter anderem mit Klinsmann besetzt. Sein Lebensmittelpunkt wird in den USA bleiben, doch sportlich ist Klinsmann zurück in seinem Heimatland.
So war der eigentliche Plan, doch plötzlich ist Klinsmann direkt wieder mittendrin: Nachdem Hertha den bisherigen Trainer Ante Covic nach zwölf weniger erfolgreichen Spieltagen entlassen hat, soll er den Verein wieder nach oben führen. Er übernimmt die Berliner auf Platz 15 und wird bis zum Ende der Saison 2019/2020 an der Seitenlinie stehen. Seine Aufgabe als Feuerwehrmann geht er pragmatisch an: „Es geht im Moment nicht um den attraktivsten Fußball. Es geht darum, Punkte zu holen.“
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