Die Bibel hält viele spannende Geschichten bereit. Erzählungen von Liebe und Tod, Hoffnung und Verzweiflung. „Josua“ und „Richter“, zwei Geschichtsbücher aus dem Alten Testament sind voll von solchen Berichten. Ereignisse mit bis heute politischer Durchschlagekraft reihen sich an Geschichten, die eher an Stephen Kings Horror-Romane als an die Heilige Schrift erinnern. Unser Autor Benedikt Bögle hat den Inhalt der beiden ersten Geschichtsbücher der Bibel zusammengefasst.
Es wirkt wie das große Happy End: Nach einer 40 Jahre langen Wanderung durch die Wüste zwischen Ägypten und Palästina hat das Volk Israel sein Ziel erreicht. Das gelobte Land liegt vor ihnen. Vom Gipfel des Berges Nebo erstreckt sich die lange Ebene vor ihnen, das Land, in dem „Milch und Honig“ fließen. Der Anführer des Volkes, Mose, darf das Land selbst nicht betreten, als Strafe Gottes für seinen Ungehorsam und seinen Unglauben. Er stirbt, das Ziel seiner Wanderung vor Augen, auf dem Berg.
Also braucht Israel einen Nachfolger. Josua, der Diener des Mose übernimmt die Rolle seines ehemaligen Herrn. Eine Aufgabe, die ihm sicherlich nicht leicht fällt – mit Gott an seiner Seite aber sollte er es schaffen. Gott spricht zu Josua: „Sei nur mutig und stark.“ Das also ist die politische Agenda des Volksführers Josua. Und der Plan geht auf. Das Buch „Josua“, benannt nach seinem Helden, schildert im Alten Testament die Kämpfe, mit denen Israel das Land Palästina erobert. Die Auftaktschlacht ist der Kampf um die Stadt Jericho, dem Schlüssel, um das ganze Land in Besitz zu nehmen.
Das Volk Israel belagert Jericho. Nicht so, wie man es vermuten möchte, mit Türmen und Soldaten. Wer an die von J.R.R. Tolkien ersonnenen Schlachten um Helms Klamm oder Minas Tirith denkt, wird enttäuscht. Alle Soldaten umkreisen einmal die Stadt Jericho, sechs Tage lang. Das entscheidende: Die Priester blasen dabei in Posaunen. Am siebten Tag stürzt die Stadtmauer ein, das Volk erobert Jericho. Hört sich unwahrscheinlich an. Tatsächlich haben Wissenschaftler immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen historischen Bericht handeln könnte. Möglicherweise hatte der Schall der Posaunen die Kraft, die Mauer mürbe zu machen. Sechs Tage lang hielten die Steine Stand, am siebten Tag jedoch fielen sie in sich zusammen. Egal ob physikalisch möglich oder nicht – darum geht es der Bibel nicht.
„Josua“ ist das erste von mehreren Büchern, die als „Geschichtsbücher“ bezeichnet werden. Der Grund: Sie erzählen die Geschichte Israels mit ihrem Gott, von den ersten Eroberungen in Palästina über die Zeit der Könige bis hin zum Exil in Babylon und der hellenistischen Terror-Herrschaft. Dabei aber geht es nicht um historische Berichte. Die Bibel will kein Lehrbuch der Geschichte sein. Es geht immer um mehr: Biblische Autoren wollen von Gott erzählen, von den guten und auch schlechten Erfahrungen der Menschen mit ihrem Gott, von Helden und Verbrechern. Historische Korrektheit, die Richtigkeit bestimmter Details spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Die eigentliche Wahrheit, von der die Autoren berichten wollen, lautet: Gott ist bei den Menschen.
Jericho war nur ein erster unter vielen Erfolgen – Stück für Stück wird das ganze Land erobert und an die Stämme Israels verteilt. Bis heute ist die Region Palästina umstritten, der Staat Israel ebenso wie die Palästinenser beanspruchen ihn für sich. Gott schenkt das Land seinem Volk, damit ist es gerechtfertigt, die ursprünglichen Besitzer zu vertreiben.
Der Rest der Geschichte wird im Buch der „Richter“ erzählt. Israel lebt in einem friedlichen Land, es könnte so schön sein. Ist es aber nicht. Das Problem: „Die Israeliten taten, was dem Herrn missfiel“ (Ri 2,11). Obwohl es den Menschen gut geht, handeln die Menschen gegen Gottes Willen. Also geht es ihnen schlecht, sie besinnen sich wieder auf Gott und befolgen seine Gebote. Das führt zu einem Aufschwung, Glück und Frieden halten Einzug – allerdings nicht lange, bald schon wendet sich das Volk wieder von seinem Herrn ab. Kennen wir das nicht auch aus unserem Leben? Geht es uns gut, ist Gott schnell vergessen.
In diesem Kreislauf spielen die „Richter“ eine wesentliche Rolle. Sie sind nicht Richter, wie wir das im heutigen Sinne verstehen würden. Sie stehen keiner Gerichtskammer vor und fällen auf der Grundlage bestimmter Gesetze Urteile. Vielmehr sind sie Führungspersonen für Israel, die einen machen ihre Aufgabe besser, die anderen schlechter. Erstaunlich: Mit Debora wird auch eine Frau zur Richterin – mehr als 2.000 Jahre, bevor Angela Merkel Deutschlands erste Bundeskanzlerin werden konnte. Eine der erstaunlichsten Richter-Figuren ist Simson. Durchaus gewalttätig veranlagt, ist er mit einer enormen Kraft ausgestattet. Die Quelle dieser Stärke: Seine langen Haare. Sollten sie abgeschnitten werden, droht ihm der Tod. Das letztlich geschieht: Seine Feinde schneiden seine Haare ab, den drohenden Tod vor Augen lässt der noch immer starke Simson ein ganzes Haus einstürzen. So sterben nicht nur er, sondern seine Feinde gleich mit ihm. Das Blut fließt in Strömen.
Auch für Freunde moderner Kriminalliteratur hält das Buch der Richter etwas bereit. Heute kommen viele Romane nur mit Blut in rauen Mengen aus. Immer mehr Menschen müssen sterben, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Am Ende des Richter-Buches wartet denn ein solche Geschichte: Der Horror aus Gibea. Ein Mann ist mit seiner Frau unterwegs, in Gibea – Teil des Stammes Benjamin – macht er halt und will dort übernachten. Nachts kommen die Männer der Stadt, sie wollen den Reisenden vergewaltigen. Der Mann überlässt ihnen seine Nebenfrau, die Stadtbewohner vergewaltigen sie und lassen sie beinahe tot vor der Haustüre liegen. Als der Mann das am Morgen sieht, hilft er ihr nicht. Er verarztet nicht ihre Wunden. Nein, er schneidet sie in Stücke und schickt diese Teile seiner Nebenfrau an alle Stämme Israels – sie sollen gemeinsam mit ihm die Vergewaltigung rächen. Die Soldaten der Stämme kommen, sie können den Stamm Benjamin, aus dem die Vergewaltiger stammen, besiegen und fast ausrotten. Das wiederum stellt sie vor ein Problem: Israel besteht aus zwölf Stämmen. So war es immer, und so soll es auch bleiben. Benjamin also darf nicht aussterben. Deshalb zerstören sie eine nahegelegene Stadt und rauben die dortigen Frauen, um das Überleben Benjamins zu sichern. Hört sich unglaublich an? Ja. Aber so steht die Geschichte im Buch der Richter, sie endet mit dem nüchternen Satz: „In jenen Tagen gab es noch keinen König in Israel; jeder tat, was ihm gefiel.“ (Ri 21,25)
Das ist eigentlich das faszinierende am Buch Josua und am Buch der Richter: Egal, wie schlecht die Menschen sind, Gott hält an seinem Bund mit ihnen fest. Er lässt sie trotz aller Schlechtigkeit nicht fallen. Er gibt sie und seine Hoffnung an sein Volk nicht auf. Dort, wo es nichts Gutes mehr zu geben scheint, glaubt Gott weiter daran, dass es etwas Gutes in seinem Volk gibt. Eigentlich ein schöner Gedanke trotz all dem Leid und Tod.
Ambrosia
josua war hoffentlich ein rein fiktiver Charakter, ansonsten wäre er ein Schlächter wie Nogaret.
Mit God on our Side werden heute noch Bluttaten gerechtfertigt, in allen abrahamitischen Religionen – in letzter Zeit wieder besonders im Islam.
Das ist das Erbe von Auserwähltheit.