Bunte Straßen, Jasmin-Duft und meditative Gebetsrufe: Amman ist alles, aber nicht langweilig. Ein Einblick in das Leben der Hauptstadt Jordaniens.
Ein Meer aus sandsteinfarbigen Gebäuden erstreckt sich über den Hügeln Ammans. Warmes Schawarma in der Hand haltend, blicke ich vom Straßenrand hinab auf die aufgeregt-blinkenden Autos, die gleichmäßig die Hänge hinauf- und wieder hinunterfahren. Hupen akzentuieren das beständige Rauschen der fahrenden Autos. Aus Lautsprechern dröhnen monoton-aufgesagte Verkaufsangebote und arabische Musik hallt aus der Ferne den Hügel hinauf. Die Welt unter mir scheint mit Einbruch der Dämmerung immer stürmischer und lebendiger zu werden.
Und plötzlich verstummt die sonst so laute Stadt: Cafés und Restaurants schalten ihre Musik aus, keiner hupt mehr. Der Gebetsruf ertönt aus den grün-beleuchteten Moscheen und synchronisiert sich als Echo in der Stadt. “Allahu Akbar” – Gott ist groß: So beginnt jeder der fünf täglichen Gebetsrufe. Amman bleibt für ein paar Minuten stehen. Mein Schawarma ist fast aufgegessen. Ich schließe meine Augen und lausche dem meditativen Klang des Imams. Währenddessen leuchtet der Halbmond über der Stadt auf mein Gesicht. Es ist ein gewöhnlicher Abend in der Hauptstadt Jordaniens.
Vier Millionen Menschen sollen in Amman leben. Nur wirkt diese Zahl erschreckend klein bei der riesigen Masse an kastenförmigen Häusern, die dicht an dicht aneinandergereiht sind. Jordanien gehört zu den wasserärmsten Ländern der Welt. Grünflächen oder Parks sind hier eine Seltenheit. Stattdessen wird das Straßenbild dominiert von unzähligen Autos, aufwendigen Graffitis und vor allem Männern. Da es kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt und die Straßen nicht für Fußgänger und Radfahrer ausgelegt sind, ist man auf Taxis angewiesen. Die nächste Mitfahrgelegenheit ist nur ein paar Klicks auf der Uber-App entfernt. Und schon geht es los ins gefährliche Getümmel der ungeduldigen Autos.
Ahlan wa Sahlan!
Das Auto, was vor mir anhält, hat schon sichtlich einiges mitgemacht. Silberne Schrammen schimmern vom abgeschürften Lack hervor. Eine sanfte Decke aus Sand umhüllt das Fahrzeug. Beim Einsteigen gerät der dumpfe Zigarettengeruch in meine Nase. Ich schnalle mich an – untypisch in Jordanien und ein direkter Hinweis, dass ich nicht von hier bin. Der Taxifahrer begrüßt mich herzlich und wir kommen schnell ins Gespräch. Während er sich mit großer Gelassenheit im Gewusel von Fahrzeugen durchdrängelt, verkrampft meine rechte Hand am Sitzrand. Fahrspuren gibt es nicht in Amman – wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Das Hupen ist hier die Sprache des Verkehrs und signalisiert „Pass auf!“ oder „Fahr‘ schneller!“. Während sich die Außenspiegel der Autos auf den Straßen küssen und eine Plastiktüte auf unsere Vorderscheibe geweht wird, rezitiert der Fahrer Suren aus dem Koran und fasst sie für mich zusammen. Plötzlich hält er mitten auf der Fahrbahn im Kreisverkehr an. Ein Mann vom Straßenrand kommt an sein Fenster und bittet ihn, 20 Dinar zu wechseln. Der Fahrer bejaht und gibt ihm das Geld. Der Mann bedankt sich und läuft leichtfüßig über die vielbefahrende Straße weiter. Der ungezwungene Austausch fasziniert mich: Egal, ob Fremder oder Freund – Kommunikation und Hilfsbereitschaft scheint ein bedeutsamer Wert in Amman zu sein!
Bunt, laut und stolz
Verträumt flaniere ich durch die Viertel Ammans. Neben dem Geruch der Abgase taucht der Duft von Jasmin, Kaffee und Falafel auf. Schnell zeigt sich der Sinn für Kunst und Ästhetik der Stadt: Regenbogenfarbende Laternen baumeln über den Köpfen der Menschen, bunt-bemalte Treppen ziehen sich über die Hügel und übergroße Graffitis verzieren die Hauswände. Von den vielen Aussichtspunkten aus lassen sich diese Streetart-Projekte am besten erfassen. Und womöglich erhascht man so auch einen Blick auf die riesige jordanische Nationalflagge, die geschmeidig im Wind tänzelt.
Beim Passieren der orientalischen Läden mit ihren traditionellen Gewändern und handgemachtem Geschirr ist es fast unmöglich, nicht der jordanischen Königsfamilie zu begegnen: Eingerahmte Portraits, vor allem des Königs, seines Vaters und Sohns, hängen meist schief über oder in den Läden des wüstenreichen Landes. Entweder treten sie gekleidet in militärischer Uniform auf oder traditionell mit der rot-weißen Kopfbedeckung (Kufiya) und einem schwarzen Kopfring (Agal). Der Nationalstolz scheint groß in Jordanien zu sein. Immer wieder werde ich von Passanten willkommen geheißen. Doch nicht jeder Zuruf ist gut gemeint.
Welcome to Jordan?
Die steilen Straßen hinaufsteigend, gedrängelt zwischen den Autos, da die demolierten Bürgersteige meist ins Nirgendwo führen, fällt mir, als Frau, besonders eines auf: die Anzahl der Männer und deren penetrante Blicke. Ich denke mir nichts dabei, laufe gekleidet in meinem langen Jumpsuit an ihnen vorbei und versuche möglichst, das Angehupe und die unangenehmen Anmachsprüche zu ignorieren. Ein schwarzer Jeep – gefüllt mit vier Männern, deren Augen aufblitzen als sähen sie zum ersten Mal eine Frau – fährt langsam neben mir her. Die Männer rufen mir zu, versuchen, mit mir zu reden. Sie bleiben ungewöhnlich lange an mir dran, ich werde nervös.
Leider fehlt mir das arabische Vokabular, um ihnen mitzuteilen, sich wegzuscheren. Sie geben es auf und fahren übermäßig schnell an mir vorbei und ich kann aufatmen. Ein paar Minuten später: derselbe Jeep, mit denselben Männern, wieder genau neben mir. Ich biege in die enge Seitenstraße ab und bin sie damit endlich los. Das ist keine Alltagssituation, aber dennoch bezeichnend für das Ansehen der Frau. Frauen können sich frei bewegen in Jordanien; entgegen vielen Vorstellungen gibt es keinen Kopftuchzwang. Dennoch ist der Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter noch weit entfernt.
Amman ist vor allem eins: aufregend. Von über tausend Jahre alten Stätten bis hin zu futuristischen Mega-Malls – die Hauptstadt des Haschemitischen Königreichs hat einiges zu bieten. Ob blubbernde Shishas, eine arabische Hochzeit oder weite Ausblicke über die häuserreiche Stadt: Auf den Straßen Ammans lässt es sich einfach nicht satt sehen.
Lotte Hagel
Ich war auch schonmal in Amman und dieser Artikel bringt es auf den Punkt. Toller Schreibstil und schöne Bilder! Gerne mehr davon 🙂
Rosa Oehring
Das ist ein wirklich toller Artikel! Ich konnte mir unter Amman nichts vorstellen, war auch noch nie in Jordanien oder in der Nähe, aber die Art wie Du es beschreibst schafft wirklich Bilder. Ich finde es auch gut, wie verschiedene, nicht ausschließlich positive Aspekte, aufgegriffen wurden. Das zeichnet ein realistisches Bild, aber es ist trotz allem verlockend das mal selbst zu sehen. Würde much freuen, mehr solche Artikel von Dir zu lesen 🙂
Alexia Lautenschläger
Vielen lieben Dank!