Die Karriere von Jonathan Benninghaus klingt wie der Traum eines jeden Sportlers: Mit 18 Jahren unterschreibt der Handballer seinen ersten Profivertrag beim Bundesligisten VFL Gummersbach. Er gewinnt daraufhin mehrere europäische Titel mit dem Klub. Mit 23 Jahren fasst Jonathan dann aber eine überraschende Entscheidung: Er beendet seine Profikarriere.
Im Interview sprach der mittlerweile 29-Jährige über seine lebensverändernde Entscheidung, den Handballsport in Deutschland und sein persönliches Glück.
Hör Dir hier den passenden Radiobeitrag dazu an:
Jonathan, Deine Sportkarriere im Handball klingt traumhaft: Warum orientiert man sich um und beendet die Karriere, für die man seine ganze Jugend lang hingearbeitet hat?
Als ich mit 16 Jahren ins Handballinternat kam, wurde uns schon gesagt: Wir müssen neben dem Sport noch etwas anderes machen. Man wird nicht reich nur mit Handball. Und je älter man wird, desto höher werden auch die persönlichen Ansprüche, die man an sich selbst und sein Leben hat. Ich habe gemerkt, dass der Handballsport für mich dauerhaft einfach nicht die 100-prozentige Erfüllung mit sich bringt, die ich mir erhofft habe.
Du bist stattdessen bei der Stadt Dormagen angestellt. Ein sicherer Job. Aber hast Du diese Erfüllung dort tatsächlich gefunden?
Definitiv. Aber nicht nur mit meinem Beruf, sondern auch mit meiner Familie. Durch die gewonnene Zeit, die ich nicht mehr in der Handballhalle stehe, kann ich viele neue Dinge angehen. Ich hätte es letztes Jahr zum Beispiel nicht geschafft, mit meiner Frau ein Haus zu bauen. Handball steht jetzt nicht mehr an erster Stelle für mich.
Lass uns über den Handball als Sport sprechen. Dieses Jahr haben Millionen bei der Handball-Europameisterschaft zugeschaut. Was macht den Sport so besonders?
Ich hatte viele Handball-Trainer, die gesagt haben: Der Sport ist wie Speed-Schach. Du musst innerhalb von wenigen Sekunden viele Entscheidungen treffen. Das Spiel ist sehr komprimiert auf einem kleinen Spielfeld. Es passiert sehr viel. Teilweise stehen schon mal zwölf Spieler auf nur fünf Quadratmetern. Das setzt voraus, dass du gute und sichere Entscheidungen triffst.
Aber warum schafft es dann der Handballsport nicht, langfristig die Menschen zu begeistern und erhält nur bei Großereignissen die Aufmerksamkeit?
In Deutschland ist die Sportlandschaft sehr von Fußball dominiert. Man sagt immer so schön: „König Fußball frisst alles“. Mit diesem Problem kämpft nicht nur Handball. Es gilt: Je mehr TV-Präsenz, desto bekannter und beliebter wird die Sportart. Wenn es mal nicht so gut läuft, dann ist er für die breite Masse eher uninteressant.
Was muss getan werden, damit Handball den „großen König Fußball“ ärgern kann?
Die Öffentlich-Rechtlichen, aber auch die Privatsender, müssen die Sportart in die Breite tragen und für die breite Masse ansprechender gestalten. Das würde möglicherweise dazu führen, dass die Leistungsdichte im Handball höher wird. Das heißt, dass auch die unteren Ligen nochmal stärker werden und somit auch attraktiver für Zuschauer und Sponsoren werden. Das muss sich in einem gewissen Grad noch professionalisieren. Da muss sich der Handball ein Scheibchen vom Fußball abschneiden.
Du bist als Spieler trotzdem nicht ganz vom Handball losgekommen, bist jetzt sogar Kapitän.
Ja, ich spiele noch beim Oberligisten HSG Referath und versuche da, den jungen Spielern weiterzuhelfen und zu zeigen, welche Stellschrauben sie verändern können – sportlich, wie auch privat. Die Jungs in der Mannschaft nehmen das auf, was ich ihnen mitgebe.
Inwieweit kannst Du ihnen denn ein Vorbild sein?
Es schaffen nur die Wenigsten wirklich in die absolute Spitze. Für die anderen Sportler, die es nicht schaffen und sich nur auf den Handball konzentriert haben, wird es tatsächlich schwer. Mein Weg zeigt Jugendlichen, dass Handball eben nicht alles im Leben ist. Langfristig gesehen kannst du einfach nicht mit dem Handballsport aussorgen.
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