Handys und Bildung. Das sind zwei Dinge, über die gerne geschrieben wird. Doch bislang hat keiner aus ernsthaftem Bestreben heraus versucht, beides zu verbinden. Allerdings sind die Argumente, die zum Beispiel Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz“ gegen diese Verbindung vorbringt, auch zunächst einmal recht erdrückend: Multitasking während der Vorlesung gehe auf Kosten des Lernerfolgs. Whatsapp, Facebook und natürlich die dauerhaft geöffnete f1rstlife-Seite seien beim Anfertigen einer Hausarbeit nur sehr bedingt gewinnbringend. Und das ständige Brummen, Vibrieren und Klingeln kann auf Dauer zu Neurosen führen. Okay gut, sehen wir das mal ein. Aber wenn man von all dem absieht, was man sowieso in jedem Feuilleton zu lesen bekommt, bietet das Handy wirklich interessante Möglichkeiten im Bereich des „Lernens“.
Always On
Ich will gar nicht wissen, ob du häufiger oder seltener als der Durchschnittswert von 200 Iterationen auf dein Handy schaust. Denn die Frage ist auch immer, wozu man eben sein Handy nutzt. All die Endzeitszenarien der ewig Gestrigen gehen davon aus, dass wir eben nichts anderes mit unserem Smartphone anfangen als Chatten, Shoppen und Musikhören. Doch auch wenn du schon die Wikipedia-, Wetter- und Notiz-App fleißig nutzt, gibt es immer noch mehr Potential, als du es dir derzeit vorstellen kannst. Denn nur weil deine Hand langsam mit dem Handy verwächst, heißt das noch nicht, dass du nicht auch ein Streber sein kannst.
Jedoch will ich ganz kurz an diesem letzten Punkt dranbleiben. Denn wenn du es dir recht überlegst, ist es gar nicht so einfach, eine klare Grenze zwischen dir und deinem Handy zu ziehen. Gehen wir von dir aus, so muss man wohl feststellen, dass du dein Handy wie eine Verlängerung deines Mundes, eine Digitale Version deines Auges oder als ausgelagertes Gedächtnis nutzt. Wer kann sich denn wirklich an das Date mit der vielversprechenden Bekanntschaft erinnern? Andersherum ergibt sich ein ähnliches Bild. Dein Handy weist auch sofort wieder auf dich zurück. Es weckt dich auf, kennt dich besser als deine Mutter (und als du selbst?) und weiß mehr über deine Freunde als du. Wenn du nicht jetzt schon leicht verstört bist, empfehle ich dir den französischen Soziologen Baudrillard.
Konkrete Tech-Tools
Anfangen möchte ich mit dem mächtigen Tool des Rekorders. Jedes Smartphone hat normalerweise schon von Werk aus die Möglichkeit zum Aufnehmen von Audiodateien voreingestellt, ansonsten gibt es dafür aber auch zahlreiche kostenlose Apps im Appstore. Wahrscheinlich nutzt du diese Funktion aber bisher höchstens bei Whatsapp. Dabei kannst du dir mit dem simplen Aufnehmen deiner Stimme die ersten Zugänge zum passiven Lernen erschließen. Du kannst also zum einen deine Mitschriften in Worte fassen und aufnehmen, zum anderen aber auch ganze Texte auf Band sprechen. Ich nutze diese Anwendung jeden Tag und während andere annehmen, dass ich mich von meinen Lieblingsmusikern bedudeln lasse, lerne ich in Wirklichkeit Studieninhalte, höre ein weiterführendes Hörbuch oder eigne mir mit einigen passenden Podcasts Zusatzwissen an.
Außerdem gibt es gerade zum Sprachen lernen zahlreiche Apps, die häufig kostenlos und sehr effizient sind. Meine Lieblingsanwendungen sind hierbei „Flashcards“, sprich Karteikarten. Eigentlich habe ich von der Methode der Karteikästen nie wirklich viel gehalten und war auch einfach immer viel zu faul, all die Karten zu beschriften. Doch die digitalen Möglichkeiten können in ihrer Effizienz, Benutzerfreundlichkeit und ihrem intelligenten Wiederholungsschema überzeugen. Ich selbst nutze für englische Vokabeln und deutsche Fremdwörter die App „Ankidroid“ und da ich im Spanischen bei n anfange, arbeite ich dafür mit „Flashcards Deluxe“ (da man hier auch die Aussprache mitgeliefert bekommt). Bei beiden Anwendungen kann man entweder vorgefertigte Karteikarten nutzen oder eigene erstellen. Ich will diese Methode allerdings nicht auf das Sprachenlernen reduzieren. Mit digitalen Karteikarten lassen sich genauso gut alle anderen Fachbereiche erlernen, man muss vielleicht nur ein wenig kreativer sein. Aber auch dafür gibt es schon vorgefertigte Stapel.
Sprachen lernen
Neben den Flashcard-Anwendungen sollten auch noch einige andere Apps nicht ungenannt bleiben. Im besonderen Maße möchte ich für das Englischlernen die völlig kostenfreie App „Duolingo“ weiterempfehlen. Sie holt jeden Lerner auf seinem jeweiligen Level ab. Neben dieser gibt es die bunte und wirklich ziemlich nett aufgemachte App von Bravalol zum Erlernen verschiedenster Sprachen. Ich persönlich habe damit gerade angefangen, Französisch und Spanisch zu lernen. Diese App eignet sich besonders dafür, die Grundlagen der jeweiligen Sprache zu lernen bzw. häufige Floskeln für die nächste Reise zu lernen. Diese Applikation liefert auch immer gleich die richtige Aussprache mit.
Ich selber versuche in meinen Artikeln auch immer wieder das Visualisieren zu betonen. Die App „Memrise“ nutzt genau diese Methode und hilft dir mit witzigen Bildern die Grundlagen von so ziemlich jeder Sprache zu erlernen. Nur solltest du für die Nutzung schon einigermaßen gut Englisch sprechen sollen. „Lang 8“ wiederum ist eine Art Social Network, das verschiedene Sprachen zusammenbringt. Du kannst also von einem Muttersprachler die entsprechende Sprache lernen, wenn du im Gegenzug ihm deine Muttersprache beibringst. Hier kannst du auch deine fremdsprachigen Texte von verschiedenen Menschen dieser Welt korrigieren lassen, immer auf der Basis, dass du selbst Texte auf Deutsch überprüfst.
Cloud-Speicher
Schon lange reicht der inkorporierte Speicher der Handys nicht mehr aus. Abhilfe verschaffen hier Cloud-Speicher. Diese sind sozusagen webbasierte Festplatten, auf die du von verschiedenen Geräten zugreifen kannst. Allerdings sollte man nicht unbedingt Firmengeheimnisse, die neue Weltformel oder kriminelle Inhalte auf diesem Speicherplatz ablegen, schließlich hat man keine ernsthafte Kontrolle darüber, wer sonst noch auf die Inhalte zurückgreift (auch wenn die Firmen dies negieren würden). Ich nutze Dropbox bis zum Exitus für mein Studium. Jeden Abend scanne ich alle meine Mitschriften ein und lade sie in der Cloud hoch. Damit kann ich, egal ob mit Laptop, Handy oder Tablet, jederzeit auf alle Stunden der letzten zwei Semester zugreifen, ohne auch nur einen Gramm mehr als gewöhnlich mitzuschleppen. Natürlich haben auch andere Cloud-Dienste ihre Vorteile. Genannt seien hier OwnCloud, Google Drive und Hightail (unbegrenzter Speicher!).
Fazit
Man kann und darf die Handykultur unserer Generation nicht aus dem Bereich der Bildung herausdrängen. Wenn Schulen Handys verbieten und Universitäten diese Ressource nicht zu nutzen wissen, verpasst man um Jahre den Zug der Zeit. Doch dieser ist für dich noch nicht abgefahren und mit den richtigen Apps kannst du ganz entspannt zusteigen. Dein einziges Ticket ist ein funktionierendes Smartphone oder ein Tablet. Doch Vorsicht: der Zug kommt rasant in Fahrt und lässt Mitschüler und Kommilitonen schnell hinter sich. Der nächste Ausstieg ist dann häufig erst im Land der perfekten Noten. Danach kommt dann erst wieder die Endstation im Kopfbahnhof Traumuni/Traumjob.
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