Das große politische Thema der Integration wird von allen politischen Parteien, jeder Zeitung und jeder Stammtischrunde diskutiert. Aber was steckt eigentlich hinter diesem ominösen Begriff?
Integration wird gewünscht, gefordert und von einigen auch erzwungen. Und deshalb will ich meine Pointe gleich voranstellen: Integration ist keine einseitige Forderung. Integration ist immer ein Wechselspiel zwischen konkreten Menschen und dies funktioniert immer nur, wenn beide Seiten anpacken. Mit dem Finger auf jemanden zeigen und plumpe Forderungen stellen, bringt niemanden weiter. Die gegenseitige Annährung und die Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen kann nur im konkreten Alltag von einzelnen Personen verwirklicht werden – also auch von dir und mir. Für beide Seiten stellt die Aufgabe eine Herausforderung dar. Aber genau das muss ein Grund mehr sein, den ersten Schritt zu machen. Schnell lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen und über eigenartige Unterschiede kann man sein eigenes Weltbild reflektieren. Wir stehen alle in der Verantwortung. Unsere neuen Mitbürger und wir. Der Wille, in der Gemeinschaft mitanzupacken, muss auf fruchtbaren Boden treffen. Genauso müssen die Bemühungen der vielen in der Flüchtlingshilfe engagierten Bürger auf lernwillige Ohren treffen. Beide Seiten haben dabei ganz offensichtlich ihre Schwierigkeiten, aber dazu später mehr.
Zuvor noch ein wichtiger Punkt: Integration kann nur über Institutionen passieren. Das heißt in Schulen, im Sport und im Militär ist geschichtlich Integration vorangetrieben wurden. Ich zitiere an dieser Stelle immer gerne den Gründungsvater der Europäischen Union, Robert Schuman: „Europäer ist man nicht von Geburt, sondern man wird es durch Bildung.“ Es sollte unser gemeinsames Ziel sein, uns gegenseitig als Europäer zu entdecken.
Welche Probleme müssen wir im Integrationsprozess meistern?
Das größte Problem für den Integrationsprozess ist die Tatsache, dass gerade außereuropäische Migranten praktisch häufig Jahre(!!!) auf die Erlaubnis warten müssen, um legal eine Beschäftigung aufnehmen zu dürfen. Dadurch entstehen Langeweile, Verarmung und Kriminalität. Derzeit gibt es zu dieser Problematik wohl nur eine nur recht unbefriedigende Lösung: Praktika. Arbeitgeber dürfen Asylanten und Migranten vergleichsweise problemlos zu unbezahlten Praktika anstellen. Zumindest werden die Neuankömmlinge dadurch in ein konkretes Arbeitsumfeld integriert und geraten nicht in die häufig hilflose Lage, dass sie die Zeit nur tatenlos absitzen und warten müssen. Ein Praktikum bietet viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme, genauso wie zum Verbessern der Sprachkenntnisse und bringt erste Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Dennoch will ich an dieser Stelle die unbezahlten Praktika nicht gezwungen schön reden. Für mich ergibt sich logisch nicht, warum ein vollausgebildeter Arbeiter für seine vollkommen adäquate Arbeit kein Geld verdienen darf. Hier steht die Politik in der Pflicht auch gegen völlig irrationale Argumente rechter Parteien, die Rechte der Migranten zu stärken.
Zudem verhindern kleine subkulturelle Parallelgesellschaften, welche häufig in den östlichen Vorstädten vorzufinden sind, die Integration schon im Kern. Hier finden sich dann die verschiedenen Ethnien zusammen und können ganz natürlich in ihrer Sprache sprechen, dementsprechende Supermärkte vorfinden und die Kommunalpolitik entsprechend lenken. Gerade das sind dann häufig die Orte mit den besten Dönern, den besten Obst- und Gemüsegeschäften und spannenden Kulturwirklichkeiten. Aber trotz dieser positiven Reize dürfen wir auch die Schattenseiten nicht übersehen und müssen diese Menschen in unsere Gesellschaft aktiv integrieren. Kommunalpolitiker müssen also dafür Sorge tragen, dass besonders die Stadtteilpolitik und -gestaltung diese Strukturen verhindert und wir jedem auch die Möglichkeit bieten, an gemeinschaftlichen Gütern und Aktivitäten teilzuhaben. Das fängt schon mit dem Kindergarten an.
Was macht Integration leicht?
Gleichzeitig gibt es in Deutschland auch viele Hilfen für gelingende Integration. Projekte wie „Amal“ von unserer Plattform f1rstlife oder auch „Marhaba“ von Constantin Schreiber stehen beispielhaft für eine ganze Bewegung von jungen engagierten Menschen, die Neuankömmlingen bei der Orientierung helfen wollen. Uns ist dabei bewusst, dass Kultur nur im Plural gedacht werden kann und wir unsere Kultur immer nur in Abgrenzung zu anderen definieren. Gerade deshalb wird die eigene Kultur durch den Kontakt mit anderen entgegen der gängigen Annahme eher gestärkt als geschwächt. Wir erkennen uns selbst im Anderen und damit unsere eigene Identität.
Zudem ist die deutsche Gesellschaft für die Integration von neu ankommenden Menschen aus anderen Kulturhorizonten wie gemacht. Dadurch, dass Deutschland pluralistisch ist sowie eine hochgradig ausdifferenzierte Arbeitsteilung und hohe Verstädterung mit sich bringt, können Migranten schnell ihre spezifische Rolle finden und in der Stadt in dem bunten Kulturmix aufgehen oder ihn auch zunächst einfach nur anonym beobachten. Anders als in kleineren Dörfern kann man in der Stadt jederzeit in Anonymität, sprich Fremdheit, abtauchen. Daraus ergeben sich Chancen wie Möglichkeiten. Die Stadt kann beides schaffen: Entfremdung wie auch gegenseitige Solidarität.
Zumal die Bundesrepublik bereits zweimal massive Migrationsbewegungen erlebt hat. Sowohl die türkischen Gastarbeiter, die sich letztlich doch entschlossen zu bleiben als auchdie Ex-Jugoslawen, die nach dem verheerenden Bürgerkrieg in Deutschland ihr neues Zuhause gefunden haben, sind heute unbestrittener Teil dieser bunten Gesellschaft. Beide Male wurden vor allem auf der Seite der Migranten Höchstleistungen in Sachen Integration vollbracht. Es waren bereits vorhandene Potentiale, Errungenschaften und Fähigkeiten, die in Deutschland nur noch zur Blüte getragen werden mussten, welche uns heute so bereichern. Also geht es auch in unseren heutigen Zeiten wieder darum, mit dieser positiven Erfahrung im Rücken einen offenen Dialog zu führen, in der wir alle zusammen zu besseren Europäern werden. Der Weg ist steinig, aber er ist es wert, dass wir ihn gehen.
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