Hähnchen zählt bei den Deutschen zu den liebsten Fleischgerichten. Es ist schmackhaft und zudem sehr günstig zu erwerben. Über vier Millionen Masthühner werden jährlich in Deutschland verzehrt, Tendenz steigend. Die Verkaufszahlen zeigen: Kaum einer fragt sich, wie diese Tiere leben (müssen), unter welchen Bedingungen sie gehalten werden und wie der niedrige Preis überhaupt zustanden kommen kann. Auffällig: Bei der Thematik Tierhaltung scheinen zwei Welten aufeinanderzuprallen. Auf der einen Seite stehen die uninformierten Konsumenten, welche sich über den Lebensweg ihres Mittag- oder Abendessens keine Gedanken machen. Auf der anderen Seite findet man die Gruppe der bewussten Käufer sowie Tierschutzorganisationen. Vor allem in den letzten Jahren wurden oftmals Stimmen laut, die Bedingungen in Mastbetrieben besser zu überprüfen. Aus diesem Grund haben beispielsweise Eier aus Freilandhaltung Einzug in den Supermarkt gehalten und auch die Biobranche boomt. Egal ob die Biohähnchenbrust oder Eier aus reiner Überzeugung oder doch nur zur Beseitigung von Gewissensbissen gekauft werden – eine nicht unbedeutende Konsumentengruppe ist durchaus bereit für das Wohl der Tiere tiefer ins Portemonnaie zu greifen.
Mastbetriebe auf dem Prüfstand
Mastbetriebe: Das sind häufig große fensterlose Ställe, in denen bis zu 40.000 Hühner gleichzeitig leben. Diese Tiere sehen niemals das Tageslicht und haben niemals die Möglichkeit auf einer grünen Wiese zu laufen, dort Futter zu suchen und sich völlig frei zu bewegen. Ganz im Gegenteil: Bis zu 25 Hühner werden pro Quadratmeter gehalten. Ihrer natürlichen Lebensweise können sie keinesfalls nachgehen. Mastanlagen verfolgen vor allem ein Ziel – möglichst viel Profit erzielen. Dieses Ziel lässt sich durch eine spezielle Hybridzuchtrasse realisieren. Innerhalb von nur fünf Wochen sind die Hühner auf Grund ihres unnatürlich schnell erreichten Gewichts schlachtreif. Ihr natürliches Sättigungsgefühl wurde ihnen von Geburt an weggezüchtet, sodass sie nur noch eines im Sinn haben: Fressen.
Ausreichend Futter ist besser als keines, könnten Kritiker nun sagen. Doch die gesundheitlichen Konsequenzen, die durch die zwanghafte Nahrungsaufnahme begünstigt werden, erreichen den Käufer im Supermarkt oder an der Fleischtheke nicht. Beine, Herz und Lunge der Hühner halten mit dem Gewichtsgewinn nicht mit, sodass die Tiere sich kaum noch bewegen können. Ihre Beine sind durch den raschen Fleischzuwachs verkrüppelt. Viele der Tiere leiden zudem unter Atemnot und sterben mitten unter ihren Artgenossen einen qualvollen Tod. Damit der Verbraucher dieses oder schlimmere Schicksale nicht wahrnimmt, versucht die Geflügelindustrie ihn durch die suggestive Formulierung „Hühner aus Bodenhaltung“ zum Kauf zu bewegen. Darüber hinaus erhalten einige der Geflügelerzeugnisse ein QS-Qualitätssiegel und werden in deutschen Supermärkten als Qualitätsfleisch verkauft. Die Frage, warum der Kauf dieser Produkte abschrecken sollte, stellt sich Verbrauchern damit nicht mehr. Das ist sicher einer der Gründe dafür, dass die Aufforderung des Bundesverbands Menschen für Tiere an die Politik, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern, keine signifikanten Erfolge herbeigeführt hat.
Experiment – Leben wie ein Masthuhn
Um sich annähernd ein Bild von den schlimmen Bedingungen der Hühnermast machen zu können, haben sich drei Probanden im Rahmen der Sendung Stern TV auf ein Experiment eingelassen: Sie lebten fünf Tage lang in einem engen Container, in welchem typische Mastbedingungen simuliert wurden. Dazu gehörten zum Beispiel eine kontinuierliche Steigerung der Kalorienanzahl und extreme Lichtverhältnisse. Die drei Freiwilligen, Ivo, Jan und Irina mussten während dieser Zeit auf jegliche Ablenkung in Form von Handy, Zeitschrift oder Fernseher verzichten. Um die psychische Belastung der Testpersonen zu erfassen, überwachte der Evolutionspsychologe Dr. Harald Euler das Experiment. Den Probanden war es erlaubt täglich, einige Minuten außerhalb des Containers mit ihm über ihre Befindlichkeit und Erfahrungen zu sprechen. Zu Beginn noch motiviert, gestaltet sich der Einzug in den Container, der zwei Quadratmeter Platz für jeden der drei vorsieht, noch ruhig. Für die Probanden bündeln sich Spannung und auch ein wenig Angst, wie sie sagen. Keiner von ihnen vermag abzuschätzen, wie die Zeit isoliert von der Außenwelt verlaufen wird.
Ivo P., der eine Ausbildung zum Koch macht, gibt sich gelassen: „Bevor ich aufgebe, muss schon viel passieren“. Die erste Mahlzeit besteht aus anderthalb Dosen Ravioli, angereichert mit Sahne. Die vorgesehene Tagesration für jeden liegt bei siebeneinhalb Dosen. Während der Platzmangel noch keinen Störfaktor darstellt, tut dies die Dauerbeleuchtung umso mehr. Das Licht wird, ähnlich wie in der Hühnermast, weniger als fünf Stunden am Tag ausgeschaltet sein. Denn durch den Mangel an Schlaf erhoffen die Züchter sich eine rege Aktivität, gekennzeichnet natürlich durch durchgehendes Fressen. Am zweiten Tag macht die Raumsituation den Dreien dann doch zu schaffen. Harald Euler weist darauf hin: „Wenn sie so eng aufeinandersitzen, kann es sein, dass sie einander nerven". Um seiner Langeweile zu entkommen, hat sich der 21-jährige Ivo einen aus Socken bestehenden Ball gebastelt. 24 Stunden später ringt Irina mit sich selbst. Soll sie aufgeben oder durchhalten? Die Kalorienanzahl der Probanden wurde um 1.000 erhöht, die riesigen Portionen in der mittlerweile zweiten von drei Mastphasen treiben die junge Frau an ihre Grenzen. Den Männern in der Runde, Ivo und Jan, scheinen die hochkalorischen Burger aber noch zu schmecken.
Die letzten beiden Tage des Experiments halten alle Teilnehmer hartnäckig durch. Harald Euler kann über die Überwachungskameras beobachten, dass alle Probanden ihr Zeitgefühl verloren haben und ihr Schlafverhalten keine Regelmäßigkeit mehr aufweist. Die dritte Mastphase, welche ein Pensum von 8.000 Kalorien vorsieht, bezwingt mittlerweile auch die beiden Männer. Endlich dürfen sie ihren „Käfig“ verlassen und werden von Dr. Euler begrüßt. Sowohl bei Irina, als auch bei Ivo und Jan ist, wie nicht anders zu erwarten, eine Gewichtszunahme zu verzeichnen. Das Ziel des Experiments, das Leben eines Huhns im Mastbetrieb ansatzweise nachvollziehen zu können, ist mit Sicherheit gelungen! Zum Abschluss lautet Jans Resümee: „Kein Mensch hat es verdient so zu leben, so wie wir es jetzt getan haben und auch kein Tier".
Schreibe einen Kommentar