Das Tierheim in Budaörs, einer Nachbarstadt von Budapest, entspricht nicht dem Klischee, das man von einem „Ostblock-Tierheim“ im Kopf hat: Die Zwinger werden täglich gereinigt, die Hunde sind nicht ausgemergelt und die Mitarbeiter gehen liebevoll mit den Tieren um, doch es bleibt ein Tierheim. Die Hunde haben nur wenige Quadratmeter zur Verfügung, teilen sich meist zu zweit einen Zwinger und stehen unter enormem Stress. Das hört, riecht und sieht man, sobald man den „Zellengang“ betritt – es riecht nach Urin und Kot, man hört ohrenbetäubendes Bellen und das Klackern der Gitter, die vibrieren, wenn die Hunde sich mit ihrem Gewicht dagegen werfen, sobald Menschen sich nähern. Einige bleiben jedoch stumm in ihren Ecken liegen und bewegen sich kaum.
Engagement trotz Lernstress
So ein Kandidat ist Lizas Zellengenosse Alfa. Der fünfjährige Rüde hat sein ganzes Leben im Tierheim verbracht und hat aufgrund seiner ängstlichen Art, der wenigen Erfahrung im Umgang mit Menschen und seiner etwas merkwürdig anmutenden Erscheinung – sein Fell ist zu „groß“ für seinen Körper, da seine Muskulatur kaum ausgeprägt ist – kaum eine Chance, jemals zu einer Familie zu gehören. „Dabei ist Alfa so ein lieber Kerl, er kommt mit allen Hunden gut aus“, bedauert Hannah Wendt (25) die Situation. Es sind Schicksale, wie das von Alfa, die Hannah und ihre Kommilitoninnen dazu bewegt haben, sich neben dem Unistress für die Hunde und Katzen zu engagieren.
Regelmäßig besuchen die fünf und auch andere Mitstudenten aus ihrem Semester das Tierheim, führen die Hunde aus, spielen mit ihnen oder verteilen Streicheleinheiten. Einige haben sogar schon selbst Hunde aus dem Tierheim geholt, halten sie nun selbst, oder haben sie nach Deutschland vermittelt: Simba, Kellogs, Frieda, Ben und viele weitere haben so nun endlich eine liebevolle Familie gefunden. Doch die Hauptarbeit der Mädchen besteht darin, die Hunde gut in Szene zu setzen. Sie machen Fotos von ihnen, sammeln Informationen und stellen diese dann auf ihre Facebook-Seite unter dem Titel Animal Rehoming Organisation Budaörs, außerdem stehen sie per E-Mail als Ansprechpartner für die Vermittlung zur Verfügung.
Von „Ladenhütern“ und Traumhunden
Fast 300 Likes hat die Seite inzwischen, doch leider gibt es immer noch viele „Ladenhüter“ wie Alfa, die schon lange in ihrem Zwinger sitzen und für die sich trotz der Facebook-Seite noch niemand gemeldet hat. Da ist zum Beispiel auch noch Luna, die zweijährige Golden Retriever Mischlingshündin hat ein besonders großes Bedürfnis nach Nähe und gilt unter den Studentinnen als hübschester Hund in Budaörs – trotzdem hat sie noch kein neues Zuhause. Geht man ein paar Zwinger weiter, trifft man auf Abel. Der fünfjährige tiefschwarze Schäferhundmischling sieht ausgezehrt aus, obwohl er erst knapp zwei Monate in Budaörs lebt – ihm macht das Leben im Zwinger ganz besonders zu schaffen. Ständig wirft er sich gegen das Gitter und steht fast nur auf den Hinterbeinen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ein bisschen furchteinflößend wirkt das und man vergewissert sich lieber nochmal bei der Leiterin des Tierheims, ob man ihn denn überhaupt mit auf die Wiese nehmen darf. Diese lächelt jedoch nur und erlaubt es ohne weitere Bedenken.
Und tatsächlich: Abel ist ein echter Traumhund: Er hört auf seinen Namen, beherrscht „Sitz“ und „Platz“ (sogar auf Deutsch) und verträgt sich mit jedem, ob Hund, ob Mensch, ob Katze. Er versucht sogar, sich auf den Rücksitz von Hannahs Auto zu werfen, ganz nach dem Motto: „Ich bin bereit, lass uns hier weg fahren.“ Doch Hannah kann ihn nicht mitnehmen, auf ihrer Agenda steht zunächst einmal die kleine Milla, die sie in zwei Wochen selbst aus dem Tierheim holen und gemeinsam mit ihrem anderen Hund Schoko an die Welt außerhalb von Gitterstäben gewöhnen wird. Hannah, die bereits in Spanien in einem Tierheim gearbeitet hat und dies nun in Ungarn fortsetzt, ist aber optimistisch, dass auch die auf den ersten Blick bedrohlich scheinenden oder weniger fotogenen Fälle wie Alfa, Abel und Co ihre Chance erhalten: „Für jeden Topf gibt es auch einen passenden Deckel, manchmal dauert es eben nur länger, ihn zu finden.“
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