Theater ist ihre Leidenschaft. Sie bezeichnet sich selbst als „Theater- und Serienjunkie“. Doch in München findet sie leider keine Gruppe, die auf persisch spielt. Als Shahrzad noch in Köln gelebt hat, war sie Teil einer solchen Gruppe. Kulturelle Themen, soziale und iranische, Frauenthemen. Regierungskritisch. Hier kann sie das sagen, was sie denkt. Im Iran musste sie sich in der Öffentlichkeit eine Maske aufsetzen. Schon in der Schule hat sich Shahrzad schwer getan ruhig zu bleiben: „Da hörst du etwas und hast das Bedürfnis den Mund aufzumachen, zu protestieren“. Aber das darf man nicht. Später wäre sie deswegen fast von der Uni geflogen. Doch zum Glück war der Direktor ein sehr liberaler Mensch, beließ es bei einer Verwarnung und dem lieb gemeinten Rat: „Ich kann nichts machen. Ich sage nur für dich: Halte den Mund!“
Ich will hier einfach nur weg
Shahrzad lächelt ständig. Sie lacht viel und ist vor allem eins: lebensfroh. Auch wenn sie ihre Familie natürlich sehr vermisst. Lange schwarze Haare hat sie, sie ist modisch angezogen und ihre Lippen schminkt sie meist in einem dunklen Rot. Sie und ihr Mann Oren verabreden sich oft mit Freunden, gehen ins Kino, sind draußen und schauen zusammen auf ihrem Flatscreen-Fernseher ihre Lieblingsfernsehsendungen, wie „Breaking Bad“, „House of Cards“ oder „Homeland“. Die 29-Jährige arbeitet beim Bayerischen Rundfunk im Radio, macht dort ihre eigenen Beiträge, oft zum Thema Nahostkonflikt.
Im Iran studierte Shahrzad Englische Literatur und arbeitete nebenbei als Englischlehrerin und für die Frauenwebsite „Women in Iran“. Dazu war sie oft im Familiengericht in Teheran und interviewte die Frauen, die sich von ihrem Mann scheiden lassen wollen, was im Iran für Frauen fast unmöglich ist. „Das hat mich total krank gemacht“, erzählt Shahrzad und schon bald gab es für sie nur noch einen Entschluss: „Ich will hier einfach weg.“
Zwei parallele Leben
Vorschriften, keine Pressefreiheit, keine Redefreiheit. Wenn man im Iran auf der Straße unterwegs ist, muss man immer auf der Hut sein, überall kann die Sittenpolizei auftauchen. Auch Shahrzad wurde mehrere Male angehalten. Einmal war sie sogar im Gefängnis. Einfach nur, weil sie mit einer Freundin und zwei Freunden Kaffee trinken war. Shahrzads Mutter hat früher als Soziologin gearbeitet, jetzt ist sie Hausfrau. Ihr Vater ist Maschinenbauingenieur. Ihre Eltern reden zu Hause offen, auch regierungskritisch. Von klein an wurde Shahrzad und ihrem Bruder beigebracht: „Das darfst du in der Schule aber nicht erzählen.“ Zu Hause dürfen sie alles sagen und machen, aber in der Öffentlichkeit müssen sie ganz anders sein, sich benehmen, nicht auffallen.
In Sicherheit
„Das erste, was ich in Deutschland gefühlt habe, war Sicherheit.“ Keine Verfolgung. Keine Verhaftung, wenn man Haare zeigt, Party macht, einen Mann auf der Straße küsst. „Hier bist du Du.“ Und Shahrzad genießt das. Das ist der Unterschied zwischen einer freien Gesellschaft und einer Gesellschaft, die unterdrückt wird, die gezwungen wird so zu leben, wie die Regierung es möchte. Ihr Glück in Deutschland wurde perfekt, als sie ihren jetzigen Ehemann Oren kennenlernte. Oren Osterer ist Israeli, lebt aber schon seit seiner Kindheit in Deutschland. Shahrzad lässt ihren Mann erzählen, wie die beiden sich gefunden haben: „Eigentlich hat es angefangen als ich zehn war.“ Denn damals lernte er beim Tischtennis einen Iraner kennen. Jahre später sahen sich die beiden in einer Vorlesung in Medienwissenschaften wieder. Dort stellte er Oren Shahrzad vor. Pikantes Detail: Er war Shahrzads Ex-Freund.
Ich vermisse die Berge
Zwei Jahre später fand Shahrzad Oren auf Facebook. Die beiden fingen an zu chatten und zu telefonieren und kurze Zeit später zog Shahrzad ebenfalls nach München, wo die beiden sich verabredeten. Am meisten mag Oren an Shahrzad ihre Sturheit, auch wenn sie ihn dadurch oft bis in den Wahnsinn treibt, ihre Aufnahmefähigkeit, ihr Sprachtalent, ihre Liebe zur Familie. „Da ich ein bisschen mehr auf Karriere fixiert bin, gleichen wir uns dadurch gut aus.“
„Lieber bleibe ich am Leben“. Nachdem ein Freund von Shahrzad verhaftet wurde und im Gefängnis auch über eine Sendung, die sie für den BR gemacht hatte, befragt wurde, war für sie klar, dass sie nie wieder in den Iran zurück kann. Nach der Heirat mit Oren erstrecht nicht mehr. Ihre Familie sieht sie jetzt meist über Skype, im Sommer wollen ihre Eltern sie wieder in Deutschland besuchen. Da sie nur auf Deutsch arbeitet, werden ihre Eltern im Iran nicht unter Druck gesetzt, wie so oft bei anderen Journalisten. Vor allem vermisst sie aber auch die Berge, in denen sie aufgewachsen ist. Die Luft dort war einfach ganz anders als in den Bergen hier.
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