TTIP wird die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks ankurben, heißt es. Es werden viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Der bestehende hohe Verbraucherschutz in der EU bleibt ebenfalls unberührt, wird ebenso versprochen. Wer will denn dagegen sein? Genaue Informationen über die Abläufe der Verhandlungen werden der Öffentlichkeit vorenthalten, denn die Presse hat keinen Zutritt. Selbst zuständige Personen in der EU-Kommission, sowie betroffene nationale Parlamente erhalten kaum Einblicke. Dies alleine sollte einen demokratiebewussten Bürger schon hellhörig machen. Aber es kommt noch besser: Statt die Diskussion in politischem Sinne korrekt zu führen, besteht die Verhandlungsrunde und deren Berater hauptsächlich (über 90 Prozent) aus Interessenvertretern der Wirtschaft – nationale Parlamente und das EU-Parlament sind nicht beteiligt. Somit wird das Freihandelsabkommen faktisch ohne demokratische Kontrolle ausgearbeitet.
Überhaupt kann in diesem Fall von einer Demokratie wohl kaum die Rede sein, denn es zählt ausschließlich die Meinung der Wirtschaft. Ob sich die Industrie-Lobby ebenfalls für die Rechte des Verbrauchers stark macht, darf bezweifelt werden. Der Verband der US-amerikanischen Schweinezüchter beispielsweise, erklärte, man akzeptiere kein Ergebnis bei dem ein in den USA verbreitetes Hormonpräparat noch verboten sei. Auch im Chlor-Bad desinfizierte Hähnchen und Gen-Mais könnten bald auf dem europäischen Markt zu finden sein.
Noch mehr Umweltbelastung?
Doch nicht nur für den Verbraucher dürfte sich einiges ändern, die Umweltverschmutzung in Europa würde wohl drastisch ansteigen: Beim sogenannten Hydraulic Fracturing (kurz: Fracking) wird eine Mischung aus Wasser und Chemikalien unter hohem Druck ins Erdreich gepumpt um Erdgas zu fördern. Dass dabei Grundwasser und Boden verseucht werden, spielt für die Konzerne keine Rolle: Für sie zählt alleine Kostensenkung und Profitsteigerung. In Europa ist der Vorgang bisher zum größten Teil noch verboten und Umweltschutzorganisationen weltweit lehnen das Fracking ab. Das TTIP jedoch verspricht dadurch billige Gasexporte – doch zu welchem Preis und wer kommt für die Umweltschäden auf?
Als entscheidendes Argument für ein Freihandelsabkommen wird von Politikern und Verantwortlichen immer wieder das wirtschaftliche Wachstum genannt. Die EU-Kommission hat im Vorfeld der Verhandlungen eine Studie beim Londoner Centre for Economic Policy Research (CEPR) in Auftrag gegeben, das ein jährliches Wachstum der europäischen Wirtschaft um 0,5 Prozent (entspräche rund 65 Milliarden Dollar) für möglich hält. Doch das Freihandelsabkommen könnte die Türen für eine erneute Finanzkrise öffnen: Als Reaktion auf die Finanzkrise ab 2007 hatten die USA in den vergangenen Jahren schärfere Regeln im Finanz- und Bankensektor durchgesetzt. Dazu gehören etwa die Reglementierung und das teilweise Verbot riskanter Finanzprodukte, die weithin als einer der Auslöser der Krise angesehen werden.
Von einer Krise in die nächste?
In Europa war dies bisher nicht der Fall. Ein Verhandlungsgegenstand von TTIP ist die Rücknahme von Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor – ein Geschenk an die Lobbyisten der Finanzbranche? Umgekehrt sind die in Europa hart erkämpften Arbeitnehmerrechte in Gefahr, da diese in den USA nicht annähernd so ausgeprägt sind, wie in der EU. Zum Beispiel das Recht zur Wahl eines Betriebsrates oder Tarifverhandlungen zu führen ist in den USA nicht gegeben, in Deutschland jedoch selbstverständlich. Durch die von TTIP ermöglichte Konkurrenz neuer Märkte, wären diese Rechte durchaus bedroht.
Das North American Free Trade Agreement (NAFTA) gilt bereits für die USA, Kanada und Mexiko. Von dem angeblichen Wirtschaftswachstum haben die Staaten bisher kaum profitieren können – eher das Gegenteil ist der Fall: Für Staaten und deren Bürger besonders gefährlich sind die sogenannten Investor-Staats-Klagen, welche wie bereits bei NAFTA geschehen, nun auch durch TTIP ermöglicht werden sollen: Für den Fall, dass Gesetze den Gewinn eines Konzerns beeinträchtigen, kann er den Staat auf Schadensersatz verklagen.
Bürger zahlten 250 Millionen US-Dollar Schadenersatz
Aufgrund der Gesetzeslage in weiten Teilen Europas (Umweltschutzgesetze, Einführung von Mindestlöhnen, höheren Steuern, sowie Verboten einzelner Produkte, wie beispielsweise Chlorhähnchen) sind solche Klagen mehr als wahrscheinlich. Besonders problematisch ist, dass diese Klagen nicht vor unabhängigen Gerichten verhandelt werden, sondern vor einem sogenannten „Schiedsgericht“. Dieses besteht aus drei Anwälten, deren Urteil völkerrechtlich bindend ist – demokratisch betrachtet sehr fragwürdig.
Dass dies den Steuerzahler teuer zu stehen kommen kann, hat NAFTA bereits bewiesen: In der kanadischen Region Quebec entschieden sich die Bürger in einem Bürgerbegehren die Umwelt vor dem Fracking zu schützen. Daraufhin verklagte der agierende Fracking-Konzern den kanadischen Staat auf 250 Millionen US-Dollar Schadensersatz – selbstverständlich zu Lasten des Steuerzahlers. Gewinner des Transatlantischen Freihandelsabkommen sind vermutlich alleine die Konzerne. Denn trotz versprochenen Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Wachstums, scheinen die negativen Konsequenzen für Bürger und Unbeteiligte deutlich zu überwiegen.
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