„Valerie und der Priester“: Ein Jahr lang begleitete eine kirchenkritische Journalistin einen katholischen Priester und bloggte über ihre Erfahrungen. Mit „Halleluja“ ist nun ihr Buch über dieses Projekt erschienen. Unser Autor Benedikt Bögle hat es gelesen.
Die Kombination klingt sehr unwahrscheinlich und alles andere als harmonisch. Sie könnte sogar der Beginn eines Witzes sein: Treffen sich ein katholischer Priester und eine feministische Journalistin aus Berlin. Ein Witz ist es aber nicht, sondern der Beginn eines besonderen Projekts der katholischen Kirche. Die deutsche Bischofskonferenz wollte ein Jahr lang eine Journalistin und einen Priester zusammenbringen – und sehen, was dabei herauskommt.
2016 und 2017 begleitete Valerie Schönian den Priester Franziskus von Boeselager, Kaplan in Münster-Roxel. Das Ergebnis war nicht nur ein faszinierender Blog während dieser Zeit: Nun ist mit „Halleluja. Wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen“ auch ein Buch von Schönian erschienen.
Darin nimmt sie den Leser mit auf eine Reise durch ihr Jahr mit dem katholischen Priester, aber auch in ihre Gedankenwelt. Schönian zeigt, wie sie ganz persönlich die Begegnung mit Franziskus von Boeselager wahrgenommen hat. Denn eigentlich hat Valerie Schönian mit Kirche nicht viel zu tun. Sie wurde getauft, war als evangelische Christin bei der Konfirmation. Einen wirklichen Bezug zu Kirche und Religion hatte sie aber nicht. Der Priester Boeselager ist das Gegenteil davon. Er stammt aus einer christlich geprägten Familie, Religion spielte immer eine Rolle in seinem Leben, mal mehr, mal weniger.
Es hätte viel einfacher sein können
Angesichts dieser Biographien bekommt man Respekt vor dem Projekt. Die Bischofskonferenz hätte es sich so viel einfacher machen können. Die Journalistin hätte ein wenig mehr kirchlich sozialisiert sein können und damit in vielen Fragen ein gewisses Grundverständnis für kirchliche Themen mitbringen können. Der Priester wiederum hätte ein wenig liberaler sein können. Das hätte viele Konflikte vermieden oder wenigstens abgemildert. Die Leiter des Projekts haben sich aber für einen anderen, dafür aber umso interessanteren Weg entschieden. Sie lassen in den beiden Protagonisten zwei Welten aufeinandertreffen.
Schönian sieht vieles ganz anders als der Priester. Sie kämpft für die Rechte der Frauen, interessiert sich für Gender-Theorien. Er hingegen hält von Gender ziemlich wenig. Sie sieht im Nein der katholischen Kirche zur Ehe für alle die Diskriminierung Homosexueller, er will die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau bewahren. Schönians Buch gibt einen Einblick in den Streit der beiden, in die Belastung, die dieser für die Autorin geworden zu sein scheint. Sie zweifelt an diesem Mann, der so andere Ansichten hat als sie.
Was treibt einen Priester an?
Und dennoch gibt sie nicht auf. Sie bleibt am Ball, versucht Franziskus von Boeselager zu verstehen. Zu Beginn – das merkt man – kann sie die Positionen des Priesters nicht nachvollziehen. Das kann sie am Ende auch nicht wirklich. Sie bleibt anderer Meinung. Aber sie kann verstehen, dass der Priester bestimmte Positionen nicht aus Boshaftigkeit oder Homophobie vertritt, sondern aus Gehorsam dem Willen Gottes gegenüber, wie er ihn versteht. Aus Streitgesprächen werden Dialoge: „Vielleicht ist ein Problem, dass Franziskus und ich nicht so miteinander reden, als ob auch der andere Recht haben könnte. Franziskus stellt sich sicher nie die Frage, ob vielleicht doch nicht alles an der katholischen Lehre wahr ist. Ich denke nie darüber nach, ob etwas dran sein könnte“, schreibt Schönian.
Was macht eigentlich ein Priester?
Schritt für Schritt begleitet die Autorin den Alltag des Priesters, sieht seine Zärtlichkeit mit alten und kranken Menschen. Merkt, wie viel der Priester manchen Katholiken noch bedeutet. Merkt, dass dieser Mann aus einer intensiven Beziehung mit Gott lebt. Schönian kämpft mit dem Gedanken an Gott: Was, wenn sie – die Atheistin – in einer Situation „Danke“ denkt? An wen geht das? Setzt sie dann nicht doch einen Gott voraus? Einige Passagen ihres Buches lesen sich beinahe als interner Dialog zwischen Gottesglauben und Atheismus.
Ein Plädoyer für Dialog und Verständigung
Schönian feiert mit ihrem Priester Weihnachten und Ostern, begleitet ihn nach Rom und auf den Weltjugendtag. Sie lernt seine Welt kennen und er die ihre, als er sie in ihrer Heimat Berlin besucht und dabei ihr Umfeld, ihre Freunde kennenlernt. Stück für Stück nähern sich die Journalistin und der Priester an. „Halleluja“ ist ein spannendes Buch. Es gibt von außen einen Einblick in die Aufgaben eines Priesters, die vielfältiger nicht sein könnten. Was bedeutet den Menschen ihr Glaube an Gott?
Es liest sich aber auch jenseits des kirchlichen Bezuges als großartiges Buch über den Dialog. In einer Gesellschaft, die immer weiter auseinander driftet, ist „Halleluja“ ein Plädoyer für ehrlichen Dialog und der Beweis dafür, dass es gelingen kann. Valerie Schönian und der Priester von Boeselager sind ein sehr unwahrscheinliches Paar für ein gelingendes Projekt. Das Projekt aber ist gelungen. Der Grund: Die beiden haben eine Basis für wirklichen Dialog gefunden. Man muss die Meinung des anderen nicht teilen. Aber man kann sich trotzdem austauschen, und sogar mögen.
Valerie Schönian: Halleluja. Wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen. Piper, 3. Aufl. 2018, 368 Seiten, 16 EUR
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