Haarausfall, Akne und Behaarung, wo man sie nicht möchte. Wenn die Hormone verrückt spielen und die Periode ausbleibt, heißt es nicht unbedingt, dass Frau schwanger ist.
Das polyzytische Ovar-Syndrom, kurz PCOS, ist eine hormonelle Stoffwechselstörung bei Frauen. Unangenehme Symptome und das Thema Unfruchtbarkeit sind nicht ausgeschlossen. Weltweit gesehen sind acht bis dreizehn Prozent der Frauen am PCOS erkrankt wie aus der Fachzeitschrift „Frauenarzt“ – PCOS. Die Leitlinien – hervorgeht.
Wie die Diagnose das Leben verändert – die persönlichen Erfahrung einer Betroffenen
Nadine B. bekam die Diagnose vor sechs Jahren, als es mit dem Schwangerwerden nicht klappen wollte. „Ich habe Zyklusstörungen bemerkt, die unterschiedlich ausgefallen sind, als ich vor sieben Jahren die Pille abgesetzt habe. Mal drei Monate, mal alle sechs, dann wiederum keine Periode, bis ich zu meiner Frauenärztin gegangen bin.“ Durch eine Kontrolle des Hormonspiegels stellte die Frauenärztin verstärkt männliche Hormone im Hormonbild fest, ansonsten schien alles in Ordnung zu sein. Erst die Kinderwunschklinik in Erlangen bestätigte das Syndrom – und die damit verbundene Schwierigkeit, überhaupt schwanger zu werden.
„Wenn vermehrt männliche Hormone gebildet werden und Symptome wie Zyklusstörungen oder -verlängerungen, Akne, verstärkte Behaarung oder die typischen „Zysten“ in den Eierstöcken dazukommen, kann das PCO-Syndrom ursächlich sein“, erklärt Kai J. Bühling, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Leiter der Hormonsprechstunde im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Für Nadine B. und ihren Mann war die Diagnose ein Schock. „Es hat mich eine ganze Zeit mehr belastet, aber auch mein Mann hatte wegen des Kinderwunschs ganz schön dran zu nagen.“ Seit sechs Jahren leidet Nadine am polyzitischen Ovar Syndrom und trotzdem war 2013 die Hoffnung groß, denn Nadine war schwanger. Bereits nach wenigen Wochen erlitt sie eine Fehlgeburt. „Danach war es sehr schwer, nach vorne zu blicken. Wir hatten uns sehr darauf gefreut“.
Ausbleibender Kinderwunsch?
Betroffenen stehen nicht nur die Symptome wie Übergewicht und Akne im Weg. Der Kinderwunsch sei nur schwer zu erfüllen, weil der Hormonablauf gestört ist, erklärt Laqua, Gynäkologe und Kinderwunschspezialist. Der Eisprung findet selten oder gar nicht statt, wodurch die Periode ausbleibt. „Ausgeschlossen ist eine Schwangerschaft jedoch nicht: Frauen mit PCO-Syndrom können schwanger werden“, bestätigt der Arzt. „Das Präparat Metformin kann helfen, den Hormonablauf zu regulieren. Man möchte diese Blockade, die im Eierstock hormonell besteht, durchbrechen, indem man einen Eisprung erzwingt.“ Doch eine Behandlung mit diesem Medikament birgt Risiken. Offiziell ist Metformin nur zur Behandlung von Diabetes zugelassen und muss über den behandelnden Arzt zugelassen werden. Man spricht hier von einem Off-Label-Use. Die Patientin leidet nicht unter Diabetes, weshalb sie das Medikament zur Therapie aus eigener Tasche bezahlen muss. Nebenwirkungen sind wie bei jedem Medikament möglich, aber nicht die Regel.
Metformin scheint die Lösung zu sein, wenn der Kinderwunsch weiterhin besteht. Bevor man den Kinderwunsch aufgebe, solle man aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, so Uwe Laqua. Das sei für die Psyche der Frau besonders wichtig – selbst, wenn es nicht zu einer Schwangerschaft kommen sollte. Die Patientin soll Jahre später sagen können: „Ich habe alles versucht und nichts versäumt.“ Auch Nadine B. möchte nichts unversucht lassen. Manchmal sehe sie es aber zu verbissen, schwanger zu werden. „Mein Mann gibt mir sehr viel Halt und Kraft. Aufgeben werden wir definitiv nicht!“
Keine Krankheit, sondern ein Zustand
PCOS ist laut Gynäkologe Laqua eine unverständliche Stoffwechselerkrankung, die häufig sehr spät diagnostiziert wird. Patientinnen stempeln sich zu schnell als ungesund und nicht behandelbar ab. Deswegen dürfe das Syndrom nicht als Krankheit, sondern als ein Zustand verstanden werden, der erfolgreich therapiert werden kann. Diese sehr spät festgestellten Diagnosen lassen sich dadurch erklären, dass viele junge Frauen die Antibabypille über einen langen Zeitraum einnehmen. „Die Pille verdeckt die Symptome des PCOS sehr gut. Die Zyklen erscheinen regelmäßig, obwohl sie das gar nicht sind, denn unter der `Pille´ gibt es keinen Zyklus“, erklärt Arzt Bühling.
Auch Nadine Müller hat ihre Erfahrung mit PCOS durchgemacht. Auf ihrem Blog „I am sick of pcos“ berichtet sie von ihren persönlichen Erfahrungen. Dort beschreibt sie, warum sie die Anti-Babypille abgesetzt hat und was danach folgte. Sie bemerkte schnell, dass etwas mit ihrem Körper und ihrem Wohlbefinden nicht mehr stimmte, denn ihre Beschwerden hielten an: Ausbleiben der Periode und starke Unterleibsschmerzen. Nach Blutabnahme und Hormontest bei ihrer damaligen Frauenärztin bekam sie dann die Diagnose PCOS – und die Gewissheit Kinder nicht auf natürlichem Wege bekommen zu können. „Es war schlimm. Ich habe mich gefühlt, als hätte man mir meine Weiblichkeit genommen. Ich habe mich nicht mehr als Frau und mich auch nicht mehr als liebenswert gesehen“, schreibt sie auf ihrem Blog.
Wie Patientinnen damit am besten umgehen
Trotz Therapie bei ihrer Frauenärztin verschlimmerten sich die typischen Symptome: plötzliche Gewichtszunahme, Hautunreinheiten, unregelmäßige Blutungen. „Entscheidend für die Patientin sind die männlichen Hormone, weil sie Nebenwirkungen wie Akne, Übergewicht oder auch Diabetes, erzeugen können“, erklärt Laqua.
Nadine M. fasste für sich den Entschluss, nicht mehr zu ihrer Frauenärztin zu gehen, um eine passende Therapie zu finden. Nach einem Urlaub auf Chile, wo sie Familie und Freunde besuchte, lernte sie durch Bekannte ihrer Großeltern die Naturheilkundeverfahren der Einheimischen kennen. Spezielle Tinkturen und Teerezepte führten endlich zur Linderung ihrer Symptome. „Ich möchte anderen Frauen Anregungen und Tipps geben, in der Hoffnung, dass ich helfen kann. Denn ich weiß, was die Diagnose bedeutet.“
Auch Nadine B. teilt ihre Erfahrung mit anderen Betroffenen über ihren Instagram-Account. Ihr helfe es sehr, sich mit Frauen darüber auszutauschen, denn eine normale Krankheit sei es nicht. „ Eine Gewichtsreduktion ist der erste Schlüssel zum ersten Erfolg. Nadine B. hat es genauso wie Nadine Müller geschafft, ihre Krankheit anzunehmen und das Beste daraus zu machen. „Der Leidensdruck kann sehr hoch sein, aber es ist machbar, ein glückliches und erfülltes Leben mit oder ohne Kinderwunsch zu führen,“ erzählt sie.
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