Der Mensch ist auf eine intakte Biodiversität angewiesen. Flora und Fauna sind derzeit jedoch so gefährdet wie nie zuvor. Die Schutzwürdigkeit biologischer Vielfalt muss daher viel stärker noch in den Fokus der christlich-umweltethischen Aufmerksamkeit gerückt werden.
Eines der letzten großen Spiele der 1990er Jahre für die Videospielkonsole „Super Nintendo“ hieß „Terranigma“: Bei diesem Game ging es darum, die fünf Kontinente sowie alles Leben auf der Welt neu zu erschaffen. Der aus der Unterwelt stammende Protagonist schlüpft unfreiwillig in die Rolle des Schöpfers. Er startet dabei mit der Wiedererweckung aller Pflanzen im zuvor noch völlig kargen südamerikanischen Amazonasbecken. Anschließend folgt die Neubelebung der Vögel in den Bergen Nordamerikas sowie der restlichen Tiere in den Savannen Afrikas.
Erst nachdem Flora und Fauna wiedererstellt sind, kann der Held des Spiels auch die Menschheit wiedererwecken. Schon bald entwickelt die „Krone der Schöpfung“ jedoch die moderne Zivilisation von heute. Die Menschheit beherrscht die Welt und knechtet dabei Flora und Fauna, die erneut in ihrer Existenz bedroht sind. In diesem Spiel wird im Rahmen einer fantastischen Geschichte mit vielfältigen religiösen Bezügen der Wert der Biodiversität für uns Menschen und zugleich deren Gefährdung durch die Menschen veranschaulicht.
Die zwei größten ökologischen Krisen
Eine ganz ähnliche Botschaft möchte auch der Expertentext der Deutschen Bischofskonferenz „Vom Wert der Vielfalt – Biodiversität als Bewährungsprobe der Schöpfungsverantwortung“ vermitteln: Der Verlust der Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten ist neben dem Klimawandel die zweite große ökologische Krise. Dabei wird in dem Dokument der Eigenwert von Pflanzen und Tieren als unsere Mitgeschöpfe unterstrichen. Zugleich wird deutlich gemacht, dass die Menschheit auf intakte Ökosysteme existenziell angewiesen ist. Die Arbeitshilfe zeigt daher auf, wie auf Basis des Schöpfungsglaubens und einer ganzheitlichen Ökologie dieser Krise mit dem klassischen Dreischritt der katholischen Soziallehre, Sehen – Urteilen – Handeln, begegnet werden kann. Ethisch plädiert die Schrift für eine neue Verantwortungskultur im Rahmen eines ökosozialen Wertewandels.
Die Natur ist, nach Papst Franziskus, unser „gemeinsames Haus“. Seiner „Hausordnung“ liegt der solidarische Umgang mit den globalen Ressourcen zum Schutz von Mensch und Umwelt zugrunde. Es geht dabei auch um ein Gespür für die Heiligkeit allen Lebens. So verstanden, dient der christliche Schöpfungsglaube als eine Quelle, aus der die Grundhaltungen der Ehrfurcht, der Dankbarkeit und der Achtung gegenüber allen Lebewesen erwachsen können. Diese Haltungen sensibilisieren für das Stöhnen der Erde. Sie können das so dringend notwendige Engagement für die Bewahrung der biologischen Vielfalt bestärken. Der neue Expertentext holt das Thema „Biodiversität“ im Rahmen christlicher Umweltethik somit aus dem Windschatten des Klimawandels. Beide Krisen sind gleichermaßen gefährlich für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Die Menschen als Retter der Biodiversität
Bei Terranigma verdichtet sich die Hybris des Menschen in der Person des so verrückten wie grausamen Wissenschaftlers „Beruga“. Als Marionette einer noch größeren unterweltlichen Macht will dieser mithilfe gefährlicher Biotechnologie all diejenigen Menschen ausrotten, die es, aus seiner Sicht, nicht wert sind, zu leben. Mit diesem selbsternannten „Homo Deus“ würde letztlich der Kreislauf von Leben, Aussterben und Wiedergeburt allen Lebens auf der Erde erneut von vorne beginnen. Es sei denn, der Spielheld hält diese personifizierte Zerstörungskraft des Menschen auf.
Die gefährdete biologische Vielfalt der realen Welt hat leider keine zweite Chance durch Widergeburt in Aussicht. Sie ist kein Spiel. Helden erfordert sie dennoch. Retter der Biodiversität als herrlichster Ausdruck des Lebens in Fülle (Joh 10,10) können auf dem echten Planeten Erde nur wir Menschen selbst sein. Im Sinne der Schöpfungsverantwortung sollten gerade auch Christinnen und Christen dazugehören und sich für einen ökosozialen Wandel einsetzen, der die planetaren Grenzen ernst nimmt.
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