Die Vorrunde der Fußball-WM 2014 in Brasilien ist um und es zeichnet sich bereits ein deutlicher Trend ab. Die süd- und mittelamerikanischen Teams sind fast ausnahmslos gut in das Turnier gestartet und haben fast alle das Achtelfinale erreicht. Dagegen müssen große Namen aus Europa wie England, Russland und die letzten beiden Weltmeister Spanien und Italien bereits ihre Koffer packen. In der Gruppe D holte sich mit Costa Rica das Team den Gruppensieg, das alle Experten vor dem Turnier chancenlos auf Platz vier der starken Gruppe gesehen haben. Kolumbien spazierte ohne ihren verletzten Topstar Falcao mit drei Siegen durch die Gruppe und die Elfenbeinküste und Japan schieden sang- und klanglos aus. Die brasilianische Zeitung O Globo schwärmt bereits von der „lateinamerikanischen Vorherrschaft gegenüber den Europäern“. Doch warum sind die südamerikanischen Teams auf einmal so stark? Und warum haben viele europäische Teams haben enorm schwer ins Turnier gefunden und müssen teilweise schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten?
Der Südamerika-Fluch hält an
Bisher wurde die WM-Endrunde sechs Mal in Süd- oder Mittelamerika ausgetragen. Sieben Mal gewann dabei ein Team aus diesem Kontinent das Turnier. Brasilien (1962 und 1970), Argentinien (1978 und 1986) und Uruguay (1930 und 1950) ließen europäische Teams wie Italien, Deutschland und die Niederlande alt aussehen. Im Vorfeld dieser Weltmeisterschaft sprachen deshalb viele vom „Südamerika-Fluch“, der auf den Teams auf Europa lastet. Wenn man sich den bisherigen Verlauf des Turniers vor Augen führt, ist ein erneuter Titelgewinn durch eine südamerikanische Mannschaft durchaus wahrscheinlich. Die einzigen Teams, denen zugetraut werden kann, die südamerikanische Phalanx zu brechen, sind Deutschland, die Niederlande und Frankreich.
Extremes Klima in Brasilien
Ein Grund für das mäßige Abschneiden der europäischen Teams und den starken Leistungen der Nationalmannschaften Südamerikas ist sicherlich das Klima in Brasilien. Das Land befindet sich fast vollständig in den Tropen und die Temperaturen befinden sich selten unter 25 Grad. Erschwerend hinzu kommt eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit. Dieses feuchtheiße Klima erschwert den athletischen und kräfteraubenden Spielstil, den die europäischen Mannschaften zu spielen pflegen. Die Kräfte müssen gut eingeteilt werden, um auch in der 90. Minute noch fit zu sein. Die Teams des Kontinents sind diese Bedingungen gewohnt und obwohl viele Spiele in den europäischen Ligen aktiv sind, kommen sie deutlich besser mit dem Klima vertraut. Durch eine frühe Anreise haben viele Mannschaften versucht, sich so gut es geht zu akklimatisieren und sich an das Fußballspielen in der feuchten Hitze zu gewöhnen. Auch die riesigen Entfernungen zwischen den Spielorten sind für die Teams aus Europa sehr ungewohnt. Die USA legen beispielsweise in der Vorrunde bereits 14.000 Kilometer zwischen den einzelnen Spielorten zurück.
Mit den Fans im Rücken zu Höchstleistungen
In Brasilien herrscht gerade eine enorme Fußball-Euphorie. Das Land, das sich als wahre Heimat des Fußballs sieht, versteht es, das Turnier zu einem rauschenden Fest zu machen. Jedes Spiel der eigenen Auswahl wird zur Party und die Straßen sind voll von Fußball-Fans. Zwar sind einige Einwohner Brasiliens mit der WM im eigenen Land alles andere als glücklich und würden das Geld lieber anders investiert sehen, aber dennoch steht der große Teil der Bevölkerung hinter der Seleção. In den ersten beiden Spielen konnte man den brasilianischen Kickern den hohen Druck, der auf ihnen lastet, noch deutlich anmerken. Spätestens mit dem 4:1-Sieg gegen Kamerun sind die Samba-Kicker aber voll im Turnier und brennen darauf, den sechsten WM-Titel einzufahren. Auch die anderen südamerikanischen Länder profitieren von der Rückendeckung der Fans. Die Euphoriewelle aus Brasilien gelangt auch in die Nachbarländer und beflügelt Teams wie Argentinien, Chile oder Kolumbien. Auch in den Stadien sind natürlich die Fans aus Südamerika wegen der kürzeren Anreise in der Überzahl. Länder, die bisher noch ohne WM-Titel sind wie Kolumbien, Mexiko oder Chile wittern ihre Chance auf den ganz großen Coup und feuern ihre Auswahlmannschaften frenetisch an.
Teams aus Lateinamerika holen taktisch auf
Die meisten lateinamerikanischen Teams ließen sich bisher recht schnell charakterisieren: Viele technisch gute Spieler, aber taktisch besteht noch Nachholbedarf. Mannschaften wie Brasilien wurde immer wieder vorgeworfen, in Schönheit zu sterben und die nötige Effizienz vermissen zu lassen. Die Spiele der bisherigen Vorrunde haben aber gezeigt, dass Chile, Costa Rica und Co. enorme taktische Fortschritte gemacht haben. Gegen den hochgelobte Tiki-Taka-Fußball der Spanier, der in den letzten Jahren das Maß aller Dinge im Weltfußball war, hielten die Chilenen mit enormer taktischer Klugheit dagegen und entthronten den Weltmeister mit einem 2:0-Sieg. Der deutsche Bundestrainer Joachim Löw lobte kürzlich die enorme Verbesserung der Mittelamerikaner im taktischen Bereich, vor allem Costa Rica habe ihn sehr positiv überrascht.
Nimmt man die bisherige Vorrunde der WM 2014 als Maßstab, deutet vieles auf einen Titelgewinn einer lateinamerikanischen Mannschaft hin. Neben den üblichen Verdächtigen wie Brasilien und Argentinien haben sich auch Chile und Costa Rica mit tollen Leistungen ins Rampenlicht gespielt. Für die bisherige Dominanz dieser Mannschaften kann man also mehrere Gründe anführen. Am einfachsten formuliert es der niederländische Stürmer Robin van Persie: „Vielleicht liegt es auch nur daran, dass sie sehr gute Fußballer sind“.
Schreibe einen Kommentar