Heidelberg an einem Frühlingsnachmittag. Ich sitze auf einer Bank in einem Innenhof mit vielen Pflanzen und um mich herum tollt ein kleiner Welpe. Der Besitzer der Heidelberger Soupmarine Burak (30) entpuppt sich als Unternehmer, der Heidelberg wohl auch in Zukunft einige kulinarische Überraschungen bieten wird.
Ich treffe Burak im Hinterhof des Gemüseladens seiner Mutter. Er bietet mir Kaffee an und nimmt sich viel Zeit. Nur ein paar Schritte vom Hinterhof entfernt liegt Franz Soupmarine. Das Franz in Franz Soupmarine hält die Erinnerung an den 1806 gegründeten Betrieb des ehemaligen Hoflieferanten für Delikatessen, Franz Kräher, wach. Die denkmalgeschützten Gebäude hätte wohl keine bessere Nutzung als Buraks Suppen finden können.
Während Burak erzählt, grinst er immer wieder verschmitzt, als die Sprache auf neue Geschäftsideen kommt. Als ich ihn frage, warum er nicht sein Grafik-Studium zum Beruf machte, wird er nachdenklich und das verschmitzte Lächeln wird von einer nachdenklichen Miene abgelöst.
„Weißt du“, sagt er, „wenn du in einem Familienbetrieb aufwächst, dann kannst du nicht einfach Tag für Tag neun Stunden vor einem PC am Schreibtisch arbeiten.“ Während des Studiums sei ihm klargeworden, dass der Familienbetrieb ihn mehr erfüllt. Natürlich habe er damit sehr viel Verantwortung übernommen, denn Mutter und Sohn führen mittlerweile drei Betriebe und beschäftigen mehr als zwei Dutzend Angestellte in der Soupmarine, bei Unter Freunden und im Feinkost -und Gemüseladen. Trotz der Belastung empfindet Burak die Arbeit als ein höheres Maß an Freiheit, als er es sich als Grafiker je vorstellen könnte.
Der Familienbetrieb in der Heidelberger Märzgasse begann mit dem Feinkost- und Gemüseladen von Mama Günnay (52). Jeden Morgen um vier Uhr fährt sie nach Mannheim, kauft regionale und saisonale Produkte von den Bauern aus der Umgebung und steht auch nachmittags noch zuvorkommend und mit guter Laune hinter der Theke, bedient Kunden und kocht nebenbei Suppen für die Soupmarine. Ihre Kunden seien anspruchsvoll, erwarteten viel Qualität und legten Wert auf ausgesuchte Ware. Ich für mich stelle fest: Günnay liebt ihre Arbeit, doch ohne so ihre Leidenschaft würden die Personalkosten wohl sehr hoch sein und ohne die Bereitschaft weniger Urlaub zu machen, kann kein solches Konzept umgesetzt werden. So verlockend die Selbstständigkeit ist, so sehr gilt nach wie vor: Selbst und ständig ohne Platz für viel Freizeit.
Soupmarine: Ein Laden unter vielen, die gerade nachhaltig und vegan sind?
Die Qualität, die die Kunden wünschen, ist eines der drei Attribute, mit denen Burak das Geschäftskonzept beschreibt. Vor allem aber sei es familiär, denn seine Mutter kenne die Kunden bereits seit sie kleine Kinder waren und in der Nachbarschaft groß geworden sind. Und das dritte Attribut? Das sei Nachhaltigkeit. Ich werde da etwas skeptisch, denn momentan überrollt dieser Trend die Gastronomie und viele wollen damit nur schnell ihren Kundenstamm erweitern. Zu oft wird Nachhaltigkeit aus der Schublade kulinarischer Versprechen geholt, ohne es zu hinterfragen oder wirklich umzusetzen. Mal sehen, wie es damit in der Soupmarine steht.
Die Soupmarine entstand 2016 nach einer Reise nach Budapest, wo Suppenbars an jeder Ecke zu finden sind. Natürlich schreit ein solches Konzept der einfachen und kreativen Verwertung geradezu nach Nachhaltigkeit. Zudem ist die Soupmarine vegan. Burak probierte einige Jahre aus, Veganer zu sein, wie viele seiner Freunde damals. Doch heute ist er es nicht mehr. Dennoch befand er es als sehr praktisch, um dem Wunsch der Kunden nach Transparenz bezüglich der Inhaltsstoffe nachzukommen. Wieder zeigt sich der kreative Geist meines Geschäftspartners, der es vermag Kundenwünsche umzusetzen, ohne für sich als Unternehmer großen Aufwand damit zu haben.
Die Soupmarine wirkt nicht wie ein schnell gestricktes Konzept, das man heute leider zu häufig findet, frei nach dem Motto: Man mische bewusstes Konsumverhalten mit einem hübsch gestylten Laden in einer Nebengasse und bewerbe es als nachhaltig. Vielmehr nutzen Mutter und Sohn clever die Vorteile vorhandener Waren auf eine für sie profitable Weise und die Kund/Innen freut es. Dabei sind beide nicht nur mit profitorientiertem Geschäftssinn zu Gange, sondern im Gespräch spürt man: Sie haben Lust, neue Ideen zu verwirklichen und sind an ihren Kund/Innen interessiert.
Genau diese Lust und Neugierde sind es, die man in der Soupmarine als Gast spürt. Klein, aber äußerst gemütlich ist der Laden und der Duft der frischen Suppen weht sofort um die Nase. Einen Platz zu bekommen ist hier nicht einfach, auch wenn 4,50€ für eine Schale Suppe Studenten anfangs vielleicht etwas zu teuer erscheinen. Der Besuch lohnt sich dennoch, denn die Familie hat keine festen Rezepte, gekocht wird was morgens auf dem Wochenmarkt interessiert aussieht, wobei auch mal unbekanntes Gemüse im Suppentopf landet. Als ich dann doch etwas stichle und frage, ob es nicht auch eine gute Verwertungsquelle für Gemüse aus dem Laden von Günnay sei, muss Burak lachen. Natürlich sei es eine gute Gelegenheit, denn eine Paprika die eine Druckstelle habe oder nicht perfekt aussehe, landet nicht im Müll, sondern eben im Suppentopf.
Ein Geschäft in der Hauptstraße?
Burak hat klare Prinzipien, die dem Familienbetrieb seinen besonderen Charakter verleihen. In der Hauptstraße wolle man keinen Laden, denn das erschwere den persönlichen und intensiven Kontakt mit Kunden. Das nachbarschaftliche Gefühl der Märzgasse bilde die Basis des gelungenen Konzepts. Dazu passt auch, dass Mutter und Sohn mit anderen Gastronomen in Kontakt stehen und Günnay beispielsweise zwei bis drei türkische Weine führt. Die sind bei den Kunden äußerst beliebt, doch Wünsche nach einem Ausbau des Weinsortiments lehnt sie ab. Das mache dem Weinhändler um die Ecke Konkurrenz – ich bin beeindruckt von diesem klaren Statement. Kritische Stimmen würden wohl anmerken, dass die beiden nicht nur an Nachbarschaft interessiert sind, sondern es für sich zu nutzen wussten, dass die Märzgasse zu Beginn wenig Konkurrenz bot und nun von Günnays und Buraks Ideen dominiert ist, ohne Platz für Mitbewerber/Innen zu lassen. Man könnte jedoch auch einwenden, dass beide einfach die Gegebenheiten für sich clever zu nutzen wussten.
Was die Familie Heidelberg kulinarisch noch bieten wird bleibt spannend – dieses Jahr steht erstmal noch eine Erweiterung der Soupmarine an, da ein kleiner Laden daneben den Betrieb aufgab. Burak verrät mir zwar, es gebe wieder ein paar Neuheiten, die man in Heidelberg so nicht finde, doch was genau das ist, da grinst er nur verschmitzt.
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