Der FC Bayern München ist zum 26. Mal Deutscher Meister. Uralte Rekorde wurden gebrochen und die Zahlen sprechen für sich. Noch nie gab es zum vierten Mal infolge den gleichen Meister. Am Samstag steht mit dem DFB Pokalfinale gegen den Erzrivalen Borussia Dortmund das letzte Spiel der Saison an. Doch was bringt die Zukunft und welche Gefahren birgt der Kommerz gegenüber dem Fußball und dem deutschen Rekordmeister?
Samstag 15.00 Uhr, Tatort Allianz Arena München. Die Meisterschaft ist seit dem Sieg gegen Ingolstadt am 33. Spieltag in trockenen Tüchern. Die Feierlichkeiten am Pfingstwochenende sind daher schon komplett durchgeplant. Vor dem Spiel erinnert Stadionsprecher Stephan Lehmann 75.000 Zuschauer an die glorreichen vergangenen Jahre und die 25 bisher gewonnenen Meisterschaften. Für die jüngsten Titel werden noch aktive Spieler wie Arjen Robben und Holger Badstuber begrüßt. Spätestens als der Titan, Oliver Kahn, im typisch bayrischen Dress aus dem Spielertunnel in die Arena kommt, erreicht die Stimmung einen Höhepunkt. Neben Lothar Matthäus und Dieter Hoeneß kommen verschiedenste Legenden auf den Rasen, welche gebührend empfangen werden. Ein Titel fehlt noch – die erste Meisterschaft 1932. Auf den Leinwänden ein Schwarz-Weiß Foto. „Stellvertretend für den Titel 1932 möchten wir einen Mann willkommen heißen, der den FC Bayern geprägt hat wie kein anderer – Uli Hoeneß.“ 75.000 Menschen stehen auf ihren Beinen, die Zurufe von den Rängen klingen wie Donnerhall – ein seltenes Bild in der Allianz Arena. Die Fans lieben ihren Uli und innerhalb der Allianz Arena spielen seine privaten Fehler keine Rolle. Alle sind glücklich, dass sie zusammen die Rekordmeisterschaft und den Verein feiern können.
Wenn Feiern zur Routine wird
(Bayern München-Stadionsprecher Stephan Lehmann über den vierten Titel in Folge)
Ähnlich wie Uli Hoeneß gefeiert wird, wird später die Übergabe der Schale gefeiert. Nach üblicher Bierdusche kommt es jedoch zu einem Novum in München. Unzählige Fans stürmen friedlich den Platz, rutschen mit ihren Bäuchen durch das Konfetti und die Meisterfeier der Spieler wird aus Sicherheitsgründen vorerst beendet. Die offizielle Feier für die Fans startet ohnehin einen Tag später auf dem Münchener Marienplatz im Herzen der Innenstadt. Am besagten Ort sind am nächsten Mittag rund 10.000 Fans, sodass die Zone um das Rathaus und die S-Bahn Station abgesperrt sind. Es ist eine typische Meisterfeier. Bayern-Fans des öffentlichen Lebens wie Radiomoderatoren oder der Stadionsprecher gestalten das Rahmenprogramm, bis die Mannschaft den Rathausbalkon erklimmt. Selbst Pressevertreter vom amerikanischen TV-Sender “Fox-Sports” sind anwesend. Die Spieler kommen verspätet auf den Balkon mit ihrem weiblichen Pendent aus der Frauenmannschaft, denn auch sie sind Titelverteidigerinnen, und präsentieren die Schale dem Publikum. Ein paar Späße und Fangesänge später, wird sich schnell in das goldene Buch der Stadt eingetragen und ohne großartig Zeit für Fotos, Autogramme oder Interviews zu haben, geht es schon wieder weiter, denn die Hauptstadt wartet.
Die Bundesliga und der Fußball stehen vor einer gefährlichen Entwicklung
Mittlerweile spielen die 90 Minuten Fußball, das Spiel, um welches es geht, eine immer kleinere Rolle in den Köpfen derjenigen, die die Fäden in der Hand haben. Der Streit um astronomische TV-Gelder und möglichst viele Sendeplätze – kurz gesagt: Der Kommerz – rückt immer mehr in den Fokus. Eine der potentiellen Gefahren kündigte sich bereits beim letzten Spiel der Saison in München an. In der Halbzeit kam es zu einem Show-Höhepunkt der Band One Republic. In Fanartikel und eigens angefertigter Bayern-Cap präsentierten sie unter anderem ihren neuen Song “Wherever I Go”. Der gesamte Bühnenumbau und die Show passten exakt in die Halbzeitpause und die Ersatzspieler konnten sich auf der restlichen Rasenfläche aufwärmen. Im Champions League Finale zwischen Atletico Madrid und Real Madrid werden wesentlich mehr Menschen zuschauen. Die Show muss stimmen. Daher darf Alicia Keys die erste offizielle Halbzeitshow aller Zeiten aufführen. Der Gipfel der Übertreibung findet sich in den Überlegungen für die umstrittene WM in Katar 2022. Jedes Spiel soll eine Halbzeitshow haben. Die Bühnen am besten größer und moderner als die des Super Bowls. Wie das genau aussieht, ist noch Zukunftsmusik. Die Ölmilliarden sind allerdings ein einfaches Mittel der Realisierung. Getreu dem Motto „Höher, schneller, weiter“ müssen die nachfolgenden Weltmeisterschaften diesen Wahnsinn übertreffen. Ähnlich verhält es sich mit den gezahlten Geldern: Wenn nicht mehr gezahlt wird, dann sucht man nach Lösungen die mehr einbringen. Vorbereitungsturniere werden teilweise schon in China ausgerichtet, der italienische Supercup in Katar, warum dann nicht auch mal einige Topspiele der Bundesliga. Ist es das, was wir als Fans wollen? Hat das noch viel mit dem Fußball zu tun, den wir in der Jugend oder noch heute spielen? Natürlich nicht! Dieser Wandel berücksichtigt nicht uns als Fans, die Umwelt und ökologische Aspekte, sondern folgt rein der Sucht nach mehr Geld.
Wacht endlich auf!
(Bayern München-Stadionsprecher Stephan Lehmann über Tradition vs. Kommerz)
Die europäische Superliga folgt einem ähnlichen, der Tradition feindlichen Konzept. Die Mannschaften, die daran teilnehmen sollen, entziehen sich teilweise oder vollständig den nationalen Wettbewerben, um neue Märkte zu erschließen. Dass es dabei hauptsächlich um das Geld und nicht den Sport geht, braucht man nicht länger zu erläutern. In den Fanlagern findet man kaum eine Überzahl, die sich für eine solche Liga aussprechen. Angenommen der Fußball erreicht den Punkt, dass Dortmund und Bayern nicht mehr Teil der Bundesliga sind, was wird dann aus dem Ruhrpott-Derby? Vielleicht ist es langweilig, wenn die Bayern noch vier weitere Titel in Folge gewinnen, aber das Beispiel von Leicester City und 200.000 Fans bei der Meisterfeier sollten jedem Fan Hoffnung geben. Die Geschichten, die der Sport schreiben kann, bleiben weiterhin von unermesslichem Wert. Damit er sie jedoch schreiben kann, braucht er Entfaltungsfreiheit und keinen kommerziellen Druck. Ein solcher Überraschungstitel hätte wesentlich weniger Wert, wenn die Topmannschaften des Kommerzes demnächst ihre Auswärtsspiele in ganz Europa austragen würden.
Es ist an der Zeit, endlich aufzuwachen. Es ist kein direkter Appell an uns Fußballfans, denn die meisten sind Gegner dieser Entwicklung. Am ehesten müssen sich diejenigen wachrütteln, welche nur noch Eurozeichen im Blickfeld haben. Vielleicht müssen die Fans noch aktiver werden, damit es weiterhin Meisterfeiern und solche schönen Bilder vom Marienplatz, Borsigplatz oder demnächst vielleicht auch dem Böllenfalltor gibt.
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