Die Vorteile einer festen Beziehung genießen und trotzdem weiter als Single ohne feste Verpflichtungen leben? Klingt paradox und lässt sich im Alltag dennoch immer öfters beobachten.
Freundschaft Plus, Fastbeziehung, Affären, One-Night-Stands: Die Liste der Konstellationen, die zwei Menschen eingehen können, ohne sich in einer Beziehung zu befinden, scheint endlos. Immer beliebter wird offensichtlich das Modell der Fastbeziehung. Ein Beziehungskonzept, dass für manche auf den ersten Blick durchaus vorteilhaft erscheint: Das Kennenlernen weiterer potenzieller Partner wird offen gehalten und Bindungsängste müssen nicht bekämpft werden. Genauso wenig entstehen Verpflichtungen. Immerhin befinden sich beide in keiner festen Partnerschaft. Stattdessen wird die eigene Freiheit erhalten. Was nach außen wie eine Beziehung wirkt, ist eigentlich nur ein großes Fragezeichen.
Bauchkribbeln, Schmetterlinge und Co.
Zu Beginn entspricht eine Fastbeziehung einer Kennenlernphase. Alles ist neu und frisch. Das Kribbeln im Bauch entwickelt sich zum Dauerzustand und das Grinsen, sobald der Name des Dating-Kandidaten fällt, nimmt überdimensionale Größen an. Problematisch wird das Ganze, wenn sich daraus mehr entwickeln soll als nur eine oberflächliche Angelegenheit, die vor allem auf Sex aufbaut. Regelmäßige Treffen und gemeinsames Einkaufen gerne, Kennenlernen der Eltern und Weihnachtsgeschenke bloß nicht. Sofern beide mit dieser Konstellation kein Problem haben, kann ihnen nur viel Spaß gewünscht werden. Nicht selten aber verliebt sich einer der beiden „Partner“, oder vielleicht sogar beide und andere Bedürfnisse werden einfach stärker. Die Freude auf eine potenzielle Beziehung entwickelt sich plötzlich zum schmerzvollen Warten, dass sich endlich etwas ändert und sich der Andere zu einem bekennt.
Der Funken Hoffnung
Das dieser Zustand nicht lange gutgehen kann, liegt auf der Hand. Der Eine erhält zu wenig und der Andere vielleicht sogar zu viel. Die berühmte Waagschale ist völlig unausgeglichen. Klingt nach einer großen Portion Drama. Warum lassen sich dennoch so viele auf dieses offensichtlich problembehaftete Modell ein? Die Antwort scheint ganz einfach: Hoffnung. Hoffnung, dass eines Tages aus einem „Fast“ ein „Vielleicht“ und aus einem „Vielleicht“ ein „Ja“ wird. Natürlich wünscht sich jeder, dass Person X doch irgendwann merkt, dass die Gefühle doch sehr stark sind und eine feste Beziehung die einzig wahre Option ist. Zudem ist der Gedankengang schön, dass der Andere nur noch etwas Zeit braucht und aus dieser Phase mehr wird. Oft sind all diese Erklärungen leider nur faule Ausreden, um sich alle Optionen offen zu halten. In manchen Fällen spielt mit Sicherheit auch der Faktor eine tragende Rolle, sich nicht fest binden zu wollen oder zu können.
Feste Beziehung = allergischer Schock!?
Das Wort „Bindung“ führt mittlerweile bei vielen gefühlt zu Schweißausbrüchen und eine „feste Beziehung“ scheint für viele einengend zu sein. Als gäbe es keinen Ausweg und sei das Ende vom Leben, welches einem sämtliche Freiheiten nimmt und einen in eine Truhe schließt, die niemals geöffnet werden kann. Anstatt diese einzugehen, wohnen zwei Personen lieber halb zusammen, kennen den Freundeskreis des jeweils anderen, bereisen zusammen die halbe Welt und weisen trotzdem das Wort „Beziehung“ weit von sich, als könnten sie davon einen allergischen Schock davon bekommen.
Herzlich Willkommen Liebeskummer
Eins steht fest: Eine Beziehung sollte nicht überstürzt eingegangen werden. Keiner spricht davon, nach dem dritten Date gleich den Hochzeitstermin und die Namen der Kinder festzulegen. Bis wir den anderen als „Freund“ oder „Freundin“ betiteln, vergehen meist sowieso einige Monate. Möchte jemand aber dann immer noch keine feste Beziehung eingehen, wird es höchstwahrscheinlich auch einige Monate später nicht anders aussehen. Personen, die sich emotional gut von der Situation abgrenzen können und nicht darunter leiden, stattdessen vielleicht nur die Vorteile sehen, sind nicht gefährdet. Wer jedoch nur an einer Bindung samt Gesamtpaket interessiert ist, verschwendet an dieser Stelle seine Zeit und sollte schnell das Weite suchen.
Der Weg dahin, einzusehen, für jemanden nur eine Option zu sein, ist lang, steinig und schmerzt. Wird eine gewisse emotionale Abhängigkeit bemerkt, sollte es sich jeder selber wert sein, aus dieser Art von Beziehung zu flüchten, bevor es noch schwerer wird. Gefühle offen anzusprechen schadet definitiv nicht. Blicke nach links und rechts allerdings zeigen eindeutig, dass die wenigsten Fastbeziehungen in einem Happy-End resultieren. Von daher ist es wichtig, das Ganze zu beenden, auch wenn es schmerzt und das wird es. Liebeskummer fragt nicht nach einem Stempel. Herzschmerz trägt kein Etikett, welches belegt, ob jemand nun zusammen war oder eben nicht. Er ist einfach da und im schlimmsten Fall geht er auch nicht so schnell weg. Nur weil sich zwei Menschen nicht offiziell als Paar betitelt haben, schmerzt die Trennung nicht weniger. Im Gegenteil. Vielleicht fällt einem die Situation sogar noch schwerer, weil das kleine Sätzchen „Was wäre wenn“ sich regelmäßig in die Gedanken schleicht und nicht einfach wegschieben lässt.
Nur weil es auf dem Papier keine Trennung ist, heißt es nicht, dass es sich nicht wie eine anfühlt. Es wird verlangt, sich zusammenzureißen und sich nicht so anzustellen, immerhin „wart ihr ja nicht zusammen“. Nichtsdestotrotz ist es völlig in Ordnung, um eine Fastbeziehung zu trauern. Allerdings sollte für die Zukunft daraus gelernt werden.
Anzeichen gibt es genug
Hinweise, dass sich zwei Personen in einer Fastbeziehung befinden, gibt es immerhin einige. Unregelmäßiger Kontakt ist nur einer von vielen. Wenn das ständige Warten auf eine Nachricht oder ein nächstes Treffen fester Bestandteil des Alltags geworden sind, sollten die Alarmglocken zumindest schon einmal angehen. Gepaart mit der ständigen Frage, was ihr denn nun eigentlich seid, geht das Ganze in eine gefährliche Richtung. Unsicherheit und ständige Sorge, etwas falsch zu machen, um den anderen nicht zu verlieren, können auf die Dauer nicht gut gehen und sollten die Alarmglocken zum Schrillen bringen. Spätestens wenn das Ganze über einen längeren Zeitraum geht, muss das ganze Orchester einsetzen. Verwirrende und komplizierte Beziehungen enden selten in einer romantischen Hochzeit mit weißen Pferden.
Adieu Naivität und Hallo Zukunft
Ein „Ich weiß nicht“, „Mal schauen“ oder „Vielleicht“ ist zu 99 Prozent leider nur ein nettes Synonym für „Nein“. Wem das nicht reicht, sollte sich gar nicht weiter darauf einlassen und an kleine Fünkchen der Hoffnung klammern. Natürlich kann sich das Ganze in seltenen Fällen positiv entwickeln. Das Risiko, dass dieser Fall niemals eintritt, ist nur leider ziemlich hoch. Also: Weitergehen anstatt Warten! Nur so kann der Weg frei für jemanden werden, der es auch ernst ist. Darauf zu vertrauen, dass das Leben mehr zu bieten hat und auch dieser Liebeskummer überwunden wird, ist in diesem Fall wahrscheinlich die beste Lösung.
Immerhin ist es völlig legitim, sich jemanden zu wünschen, der komplett da ist und eben nicht nur fast. Bei dem man sich nicht fragt, welche Personen noch im Spiel sind und ob ein Fernsehabend mit Freunden wirklich ein Fernsehabend mit Freunden ist oder eher Sorgen bereiten sollte. Genauso in Ordnung ist es, sich jemanden zu wünschen, der fest zu einem steht und einen als Partner vorstellt. Der einen an den Feiertagen mit zu der Familie nimmt und nicht mit einer Whats-App-Nachricht abspeist, die gefährlich nach einer Gruppensammelnachricht klingt, die noch viele andere bekommen haben. Sich jemanden zu wünschen, der sich auch das tägliche Gejammer anhört, anstatt nur an Oberflächlichkeit interessiert zu sein, ist dein gutes Recht. Von daher macht es leider keinen Sinn, an einer Person festzuhalten, die etwas anderes möchte. Durchgehend um etwas oder jemanden zu kämpfen ist zudem auf Dauer nur verletzend und kräftezehrend. Und ganz ehrlich: Wer möchte schon mit jemanden zusammen sein, der dazu überredet werden musste?
Tobias Spranger
Vielen Dank für Ihre interessanten Gedanken. Viele Menschen erleben eine Partnerschaft, in der sie nicht genau wissen, um welchen Beziehungsstatus es bei ihnen geht. Manchmal hat man einen guten Freund oder eine gute Freundin, die einem näher steht. Dann ist das nicht mehr eine bloße Freundschaft, die beide verbindet. Ich habe das auch schon einmal erlebt. Meine beste Freundin verbrachte sehr gern viel Zeit mit meinem besten Freund, sodass er für mich eigentlich kaum noch ein paar freie Stunden hatte. Wir erzählten uns alles. Heute ist das anders. Er hat ja unsere beste Freundin für jede Lebenslage. Ein bisschen Eifersüchtig bin ich schon. Jetzt habe ich mitbekommen, dass beide in ihrer gemeinsamen Zeit nicht nur ihren Hobbys nachgehen, sondern mehr als einen platonischen Zeitvertreib zusammen haben. Denn ich hatte beide letzte Woche auf frischer Tat ertappt, als ich meinen besten Freund spontan besuchen wollte und bei ihm zuhause vorbeikam. Natürlich war ich geschockt. Die beiden in flagranti zu erwischen, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Die beiden waren also jetzt nicht mehr nur freundschaftlich zusammen, sondern waren sich richtig nähergekommen. Sie küssten sich leidenschaftlich – auch in meinem Beisein – und hatten eine sexuelle Beziehung. Nach ihrer Aussage sind sie beide immer noch gute Freunde. Aber nicht nur das, sondern auch mehr. Wie ich mitbekommen, kommt diese Freundschaft plus offensichtlich in vielen engen Bekanntschaften vor. Was sich aus dieser Sache entwickelt, eine Beziehung zum Beispiel, ist dabei immer offen. Denn festlegen will sich keiner von beiden. Für mich persönlich ist das keine Option. Ich trenne bei meinen Kontakten strikt in Freunde und Beziehungspartner. Freundschaft plus geht für mich persönlich zu weit. Ich bin für klare Verhältnisse.