Facebook hat überall seine Daumen im Spiel. Sie prangen unter Veranstaltungen jeder Art, peppen hitzige Diskussion auf und machen Statusmeldungen erst so richtig interessant. Nie war es einfacher, in Gruppen Dinge abzusprechen und gemeinsam zu planen, auf die Schnelle riesige Massen zu mobilisieren oder wichtige Informationen zu verbreiten. Und jene Minderheit, die dem Trend Facebook entsagt und nicht „mitliken“ will, wird systematisch ausgeschlossen. Selbst Schuld, sagen manche. Im 21. Jahrhundert sei eine Mitgliedschaft bei Facebook schließlich Voraussetzung für das soziale Miteinander. Wer kein Facebook hat, manövriert sich demnach also direkt ins gesellschaftliche Abseits und schlimmer noch: existiert in einer Gesellschaft, die sich immer mehr in virtuelle Räume flüchtet, quasi gar nicht mehr. Ist das noch sozial?
In dieser Welt, in der sich Menschen hinter ihrem Profilbild wie hinter einem Schutzschild verstecken, die möglichst positive und ansprechende Darstellung des Ichs zu einer krankhaften Selbstverfälschung führt und es bei Freundschaft auf Quantität und nicht auf Qualität ankommt, werden heutige Wertvorstellungen einer Generalüberholung unterzogen und an das oberflächlich-unpersönliche Muster von Facebook und Co. angepasst. Ansehen und Beliebtheit sind proportional zur Anzahl von Likes, Freunden und Verlinkungen in Status und Fotos.
Ist der Wert einer Person anhand von Gefällt mir’s zu messen? Kann man Anerkennung im wahren Leben überhaupt noch wertschätzen? Schließlich existiert die Währung blauer Daumen außerhalb des Netzes nicht und Komplimente, die nicht für alle sichtbar, also nicht öffentlich sind, haben ihren Wert in unserer facebookorientierten Gesellschaft doch schon lange verloren.
Mit weiteren Verlusten ist zu rechnen, denn obwohl Wissenschaftler bereits den Tod des blauen Riesen diagnostizierten, scheint Facebook weiter wie ein schwarzes Loch unzählige Nutzer zu verschlingen und weite Teile unseres Lebens zu vereinnahmen. Alles deutet darauf hin, dass das vermeintlich wahre Leben seinen Platz vor flimmernden Displays und Bildschirmen findet. Die fortschrittliche Entwicklung der Technik könnte ein Leben, das ausschließlich online stattfindet, innerhalb weniger Jahrzehnte möglich machen. Und so abwegig ist der Gedanke nicht, wenn man bedenkt, dass die Sucht nach sozialen Netzwerken schon lange kein Einzelfall mehr ist und Menschen statt mit nun für, von und auf Facebook leben.
Auf Plattformen wie Facebook können die Nutzer sein, wer immer sie auch sein wollen, sich ihr eigenes, kleines und doch perfektes Universum erschaffen und die kalte, unbarmherzige Welt fernab von aufbauenden Likes und unterstützenden Kommentaren ausblenden. Facebook ist im Begriff, unsere sozialen Kompetenzen zu vernichten, weil es eben genau diese überflüssig macht. Auf Menschen zugehen? Nein, ein Chatfenster öffnen! Konstruktive Kritik äußern? Old-School, starten wir einen Shitstorm! Für seine Freunde da sein? Quatsch, ein bis zwei Posts an die Pinnwand pro Woche müssen reichen.
Fazit ist: Wir befinden uns in einem Kreislauf. Da ein Leben außerhalb Facebooks ohne jegliche Sozialkompetenz nicht möglich ist, schafft das soziale Netzwerk den perfekten Rückzugsort. Plötzlich wird das Netz vertraut, bekannt und zum Wohlfühlort, während die wahren Herausforderungen in der intransparenten, fremden Welt der Wirklichkeit immer häufiger zweitrangig erscheinen.
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