Welche Trends der Digitalisierung entwickeln sich gerade und werden zunehmend relevant? Welche Herausforderungen und Führungsaufgaben entstehen dadurch – im Beruf und im Alltag? Und wo gibt es (ethische) Grenzen beim Wettlauf um die lukrativsten Innovationen? Vier Referent/innen gaben bei der 15. Ausgabe von „Excellence and Leadership“ ganz unterschiedliche Perspektiven weiter, die eines deutlich machen: Die größten Veränderungen stehen uns erst noch bevor.
Sind wir bereit für den Roboter-Kollegen? Einen, der sich einsetzt für Gleichheit und Freiheit? Brauchen wir Körper-Scans, damit jede falsche Bewegung sofort erkannt und verfolgt werden kann? Zugegeben: Einige Fantasien über neue Entwicklungen sind grenzenlos. Andere sind schon längst in der Mache: Körper-Scans können bereits jetzt darstellen, ob jemand sich gewaltsam verhält. Datensätze über uns vermehren sich längst exponentiell.
30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich am Wochenende in Königswinter getroffen und mit der Frage beschäftigt, welche Trends der Digitalisierung unsere Gesellschaft verändern werden und wo die Grenzen bei Digitalisierung liegen sollten. Ein kurzer Einblick in die Vorträge:
Max Winterhoff: Paradigmenwechsel oder Etikettenschwindel: Wie können Marken im digitalen Zeitalter Sinn stiften und Vertrauen gewinnen?
Wem kann man heute überhaupt noch vertrauen? Wie bewältigt man die digitale Komplexität an Angeboten? Max Winterhoff, Geschäftsführer von Rheinstrategie, sieht durch die Digitalisierung zahlreiche Chancen – für Unternehmen wie Privatpersonen. Einerseits in der Art der Kommunikation. Durch immer mehr Teilöffentlichkeiten von digitalen Plattformen, wie Facebook, Instagram, Blogs und Co., wächst die Bedeutung von persönlicher Empfehlung, Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit. Winterhoff sieht in der derzeitigen Unternehmensentwicklung eine rasante Entwicklung und zugleich einen Qualitätspatt: Viele Produkte könnten sich durch ihre Qualität kaum noch voneinander differenzieren.
Viel entscheidender sei es jetzt, eine Haltung zu haben und diese auch nach außen zu vertreten. Dabei betonte er, wie wichtig es ist, neben einer rein natürlichen Gewinnorientierung auch einen positiven Effekt für die Gemeinschaft anzuzielen. Innovationen könnten heute gerade dann eine rasante Entwicklung erfahren, wenn sie zugleich zu einem größeren, höheren Gemeinschaftsziel beitrugen. Ein Umdenken in der Unternehmenslandschaft beginne mittlerweile zögerlich. Ob dahinter eine aufrichtige Bewusstseinsveränderung steckt oder nur eine neue Marketingstrategie, sollte immer wieder auch hinterfragt werden.
Philipp Kalweit: Forbes Talk: Vom Hacken und Gründen
Für Philipp Kalweit wiederum hat die Digitalisierung ein neues Arbeitsumfeld geschaffen, in dem er seine persönliche Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Der 19-Jährige ist “Deutschlands begehrtester Hacker” (Focus Magazin Nr. 26/2018) und ein “Top 30 unter 30 Unternehmer” (Forbes 2019). Als einer der besten Auftrags-Hacker beschäftigt sich sein Unternehmen unter anderem damit, die IT-Sicherheit von Großunternehmen zu testen.
So entsteht plötzlich eine Kopie der Login-Seite von Facebook. Doch Vorsicht: Wer nun die Daten eingibt, landet direkt auf den Bildschirmen der Hacker. Im Vortrag von Philipp wird außerdem deutlich, dass Hacken deutlich mehr ist als nur das Knacken von Webseiten. Infolge von Digitalisierung wird die Frage nach Datensicherheit, Kontrolle über Daten und einem angemessenen Umgang mit den digitalen Kanälen immer wichtiger. Schon mit einem einfachen Chip, der neue W-Lan-Verbindungen anzeigt, sei es möglich, sämtliche Nutzer-Daten auszuwerten und zu verwenden. Selbst über Audioaufzeichnungen und Kameras des eigenen Handys könnten Nutzer-Daten auf einfache Weise gesammelt werden. Kalweit sieht in jeder technischen Entwicklung auch neue Herausforderungen und betont, wie wichtig es ist, die Strategien von kriminellen Hackern zu durchschauen.
Dr. rer. pol. Raban Daniel Fuhrmann: Digital Leadership – Führen in digitalen Zeiten
Digital zu führen, sei eine Kernkompetenz von jungen Führungskräften, erläuterte am Sonntagvormittag Dr. rer. pol. Raban Daniel Fuhrmann. Als Inhaber der ReformAgentur für Prozessberatung und Koordinator des F+E Verbundes Procedere unterstützt er Unternehmen dabei, komplexe digitale Herausforderungen zu bewältigen. In seinem Vortrag ermutigte er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu, agil auf digitale Entwicklungen zu reagieren. Entscheidend sei es für Unternehmen, auch mal innezuhalten und kleinere Schritte zum Ziel zu gehen. Dadurch könnten Führungskräfte aus den daraus entstehenden Erfahrungen lernen, sich agil verhalten und ihr Verhalten je neu anzupassen.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern rät er, das Talent und die Fähigkeit von anderen mit einzubeziehen. Eine Führungskraft müsse sich konkret die Frage nach dem “Wozu?”, einem tieferen Zweck, stellen und bei allen Entscheidungen auf die DNA des Unternehmens achten. Dabei sei es wichtig, Wertschätzung und Wertschöpfung nicht nur theoretisch, sondern im Gespräch mit den Mitarbeitern zu verwirklichen. Menschen als Individuen zu behandeln, mit einer intrinsischen Motivation, so, wie sie sind, sei gerade auch in digitalen Prozessen weiterhin unverzichtbar.
Prof. Dr. Marlis Prinzing: Digital bewegt. Ein ethischer Kompass für die vernetzte Mediengesellschaft
Noch nie war es so einfach, seine eigene Meinung im Internet zu verbreiten und über soziale Medien und Interessengruppen bekannter zu machen. Infolge der Digitalisierung haben deshalb nicht nur Medien die Verantwortung, Orientierung zu geben, fair zu berichten und einen ethischen Kompass zu beachten. Wir alle sind Teil des publizierenden Publikums und tragen deshalb auch Verantwortung für das, was wir posten, kommentieren und teilen. Die Medienethikerin, Journalistin und Moderatorin Prof. Dr. Marlis Prinzing machte anhand von aktuellen Beispielen deutlich, dass die Debatte um ethisch korrektes Verhalten hochaktuell ist.
Auch für Nutzerinnen und Nutzer sei es absolut notwendig, bestimmte Richtlinien im Pressekodex zu kennen. Zudem werde die Frage immer relevanter, was mit der eigenen Privatsphäre geschehe, mit eigenen Daten, der Selbstbestimmtheit und digitaler Aufklärung. Neue technische Entwicklungen, wie ein Verhaltensscanner an Bahnhöfen oder einem Cyborg-Menschen, der sein Gehirn technisch beeinflussen kann, brauchen nun ein waches Gespür dafür, wo Freiheit gefährdet ist und plötzlich Wahrscheinlichkeiten dazu führen, dass Menschen unberechtigt in Verdacht geraten.
Fazit
Die digitale Entwicklung steht erst in den Startlöchern und wird nicht nur unsere Arbeits-, sondern auch Lebenswelt nachhaltig verändern. Jetzt ist es wichtig, nicht die Orientierung zu verlieren: Digital in Führung zu gehen bedeutet, neben fachlichem Wissen ganz grundlegende Kompetenzen und Tugenden klar zu verwirklichen: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Haltung erhalten durch die zunehmend anonymisierte Entwicklung eine neue Bedeutung. Sie schaffen Vertrauen und kommen dem Wunsch nah, zu vertrauen und sich orientieren zu können.
Gleichzeitig wächst auch für uns die Verantwortung, sich zu Wort zu melden, wenn die eigene Freiheit und Datensicherheit plötzlich eingeschränkt wird. Ein guter und hochaktueller Kompass dafür bilden ethische Grundlagen sowie der Pressekodex.
Die Excellence and Leadership-Veranstaltung wurde finanziell unterstützt in Kooperation mit dem Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg e.V.
cars66
Was genau soll dann aber Unternehmensentwicklung sein, wenn sich nichts mehr durch Qualität hervorhebt?