Wer ehrlich auf sein Leben blickt, droht zu verzweifeln: zu viele Fehler, zu viele Verletzungen. Die Fastenzeit will den Blick auf diese Fehler lenken – aber auch Hoffnung schenken. Ein Impuls von Benedikt Bögle.
Die Bibel ist ein Buch voller Sünder. Sicherlich, jeder Mensch hat Fehler. Die Bibel aber scheut auch bei den größten Personen nicht davor zurück, diese Fehler auch klar und deutlich zu benennen. Der große König David etwa: Obwohl er von Gott berufen war, das Volk Israel zu regieren, beging er Ehebruch und ließ den Mann seiner Geliebten ermorden. Auch Mose, der Israel aus der Sklaverei in Ägypten herausführte, war ein Mörder: Er hatte im Zorn einen Ägypter erschlagen. Als die Israeliten endlich in der Freiheit waren, wurden sie wütend: Sie vermissten das Fleisch, das es in Ägypten zu essen gab. Als Gott dem Mose die Zehn Gebote verkündete, betete das Volk Israel ein goldenes Kalb an.
Von Schuld erdrückt?
Der Apostel Petrus verleugnete in der Nacht vor Jesu Tod, ihn überhaupt zu kennen. Vor seiner Berufung war Paulus ein Christenverfolger. Man könnte diese Reihe weiterführen. Klar aber ist: Die Heilige Schrift und ganz genauso die Geschichte des Christentums ist nicht frei von Sündern. Jeder Mensch ist ein Sünder. In der Fastenzeit geht es auch darum, einen ehrlichen Blick auf das eigene Leben zu werden. Wo bin ich ein Sünder? Wo liegen die Fehler meines Lebens, was mache ich immer wieder falsch? In welche schlechten Angewohnheiten falle ich immer wieder zurück, auch wenn ich es doch eigentlich besser wüsste? Wer das konsequent zu Ende denkt, könnte sich schnell erdrückt fühlen von allen Fehlern und Sünden, die im Lauf eines solchen Lebens zusammenkommen.
Fastenzeit als Geschenk
Das aber ist nicht die Absicht der Fastenzeit. Es geht nicht darum, den Menschen zu erniedrigen und klein zu halten – im Gegenteil, die Fastenzeit soll den Menschen aufrichten. Das Tagesgebet, ein Gebet des Priesters zu Beginn der katholischen Messfeier, lautet am Ersten Fastensonntag: „Allmächtiger Gott, du schenkst uns die heiligen vierzig Tage als eine Zeit der Umkehr und der Buße.“ Dieser Satz verwundert zunächst vielleicht: Sind die Notwendigkeit, umzukehren und Buße zu tun, denn wirklich ein Geschenk, für das man auch noch dankbar sein sollte? In der Tat.
Buße als neue Chance
Die Buße ermöglicht es dem Menschen, ein neues Leben zu beginnen. Wer Buße tut, erkennt seine Fehler. Er kann sich ändern. Aber natürlich bewahrt das nicht davor, wieder Fehler zu begehen, wieder zu sündigen. Gott aber weiß auch darum und vergibt dem Menschen immer wieder. Man kann die Bibel als Buch voller Sünder lesen. Man kann die Bibel aber auch als Buch ständiger Vergebung durch Gott verstehen. Der Mörder David darf bereuen, der Mörder Mose wird zum Anführer Israels berufen. Petrus wird zum Felsen der Kirche, Paulus zum Apostel der Völker. Gott gibt dem Menschen nicht nur eine zweite Chance, sondern auch noch eine hundertste und tausendste. Er steht auf der Seite des Menschen; gerade auf der Seite des Menschen, der sich immer wieder von ihm abwendet. Wer darauf vertraut, darf die Fastenzeit wirklich als Chance begreifen, als Geschenk, für das man tatsächlich dankbar sein darf. Wer sich an diesen Gott hält, kann seinen Sünden ehrlich ins Gesicht schauen; er weiß: Gott verlässt mich nicht.
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